Luca und Lügen
Meinungsfreiheit in Corona-Zeiten: Kritiker der Luca-App wird von Anwaltskanzlei abgemahnt
Am 26.06.2021 veröffentlichte Telepolis-Autor Markus Feilner einen Tweet, in dem von einer Selbsthilfegruppe "LucaLügenopfer" die Rede war. Die Absicht, die damit verbunden war, sei satirisch-kritischer Natur, wie Feilner erklärte. Der Autor ist bekannt als Kritiker der Luca-App, weist regelmäßig auf Schwachstellen und Missbrauchsmöglichkeiten hin, auch in zwei Artikelserien hier auf Telepolis: Die Luca-App: Dilettantisch und sinnlos.
Mit seiner Wahrnehmung ist er nicht der Einzige, auch Manuel Atug, Gründer und Sprecher der AG Kritis, hatte sich auf Twitter und in Interviews ähnlich geäußert.
Die Reaktion darauf hatte es in sich. Feilner bekam Post von einer Anwaltskanzlei: eine Abmahnung, die eine Unterlassungserklärung forderte. Vorgeworfen wird ihm, dass es diese Selbsthilfegruppe gar nicht gebe, er Unwahrheiten verbreite und die Menschen hinter der Luca-App somit fälschlicherweise der Lüge bezichtige. Das stimme so nicht, erklärt unser Autor.
Die Selbsthilfegruppe gibt es nach seiner Aussage. Mittlerweile hätten drei Mitglieder erklärt, dass sie zu dieser Selbsthilfegruppe gehören (Manuel Atug, Jan Kus - als Geschäftsführer von Railslove, einem Luca-Konkurenten, ebenfalls kürzlich von Nexenio abgemahnt und Tibor Jager, Professor für Kryptographie an der Universität Wuppertal und Mit-Initiatior des offenen Briefes, in dem Hunderte Fachleute vor Luca warnen).
Nach einem klärenden und "durchaus freundlichem" (Feilner) Telefonat mit Nexenio, dem Betreiber der Luca-App, zeigte Feilner Entgegenkommen, löschte den Tweet und bot an, die Selbsthilfegruppe umzubenennen. Nexenio-CEO Patrick Hennig habe ihm dabei versichert, dass weitere gerichtliche Schritte nicht im Interesse von Nexenio seien.
Die geforderte Unterlassungserklärung werde er aber so nicht unterzeichnen, erklärt Feilner im Gespräch mit Telepolis und äußert Unverständnis: "Mein Tweet bekam 4 Likes, ich habe 600 Follower - Ich verstehe nicht, warum gerade ich ausgewählt wurde, wo im selben Thread andere, prominentere Experten mit mehr Followern und vermutlich mehr medialer Wirkung fast das Gleiche sagen, eine kurze Suche nach 'Lucaapp' und 'Lügen' bringt allein auf Twitter zahlreiche Treffer."
Darunter finden sich einige prominente kritische Beobachter der digitalen Kultur. Feilner hat das Schreiben seines Anwalts hier veröffentlicht.
Die Sache wirft ein eigenartiges Licht darauf, wie vonseiten der LucaApp-Betreiber mit Kritik umgegangen wird. Sie bestätigt den Eindruck, dass in der Coronakrise mit schwerem Geschütz gegen Kritiker vorgegangen wird - nicht selten unverhältnismäßig. Demgegenüber steht eine privilegierte Marktposition der App, deren Team sehr gut vernetzt ist, wohl auch in politische Kreise.
Dass das Anwaltsbüro, welches das Abmahnschreiben verfasst hat, prominente Kunden hat, unter anderem Jens Spahn ist eine weitere interessante Fußnote.