Lufthansa: Streik-Chaos und Service-Wirrwarr

Flugzeug der bestreikten Lufthansa-Tochter Discover. Bild: Matti Blume / CC BY-SA 4.0 deed

Aus einer Premium-Airline wird ein Renditejäger – Kunden und Mitarbeiter zahlen den Preis für den Sparkurs des Konzerns. Kommentar.

Für mehrere Tausend Menschen beginnt der Jahresurlaub in diesen Tagen mit einem Nervenkitzel der unangenehmen Art: Wird der Flug gehen? Und wann? Denn bei Discover Airlines wird gestreikt.

Auf dem Papier ist die Ferienfluggesellschaft eine kleine Nummer, mit gerade einmal 27 Flugzeugen. Doch tatsächlich geht es für die Beschäftigten um weit mehr als das.

Denn die vor drei Jahren gegründete Airline ist 100-prozentige Tochter der Deutschen Lufthansa, eine von extrem vielen: Swiss, Austrian Airlines, Brussels Airlines, Lufthansa City Airlines und wahrscheinlich bald auch die italienische ITA gehören mittlerweile neben anderen zum Konzern.

Aus der einstigen Vorzeigeairline mit Tipp-Topp-Arbeitsbedingungen, super Service und 1A-Pünktlichkeit ist ein Firmengeflecht geworden, bei dem man schnell mal den Überblick verlieren kann.

Gefühlt ist immer irgendwo Streik

Und bei dem viele der Poster in Vielflieger-Foren und Bewertungsportalen den Eindruck äußern, dass die Rendite alles und das Kundenerlebnis, auf Marketingsprech "Customer Journey", nichts zählt, ebenso wie die Arbeitsbedingungen, an deren Abbau man im Konzern besonders hart arbeitet.

Viele Neugründungen wie Discover oder die Lufthansa City Airlines seien allein dazu da, um Kosten zu sparen, klagen die Gewerkschaften Ver.di, Ufo und Vereinigung Cockpit: Personal werde aus dem tarifgebundenen Hauptkonzern in Tochterunternehmen ausgelagert, in denen es keine Tarifverträge und Betriebsräte gibt. Das Ergebnis: Im Lufthansa-Konzern ist gefühlt immer irgendwo Streik.

Und so mancher Lufthansa-Kunde stellt dann überrascht fest, dass auch er davon betroffen ist. Denn die Vielzahl an unterschiedlichen Marken bedeutet auch: Wer auf der Lufthansa-Webseite seine Flüge bucht, findet sich oft gar nicht in einem Lufthansa-Flugzeug wieder, sondern in einem der diversen Töchter, mit anderen Sitzen, anderem Service.

Und eben auch dem plötzlichen Nervenkitzel kurz vor Flug, mit dem man so gar nicht gerechnet hatte.

Der Ruf der Kraniche

Wobei: Schaut man sich in den Foren um, rechnen Vielflieger bei der Lufthansa mittlerweile mit allem. Ja, die Lufthansa steht wirtschaftlich wieder gut da, hat die Staatshilfen während der Pandemie komplett zurückgezahlt, ist mittlerweile europaweit präsent.

Aber viel zu oft hält man den Atem an, wenn öffentlich wird, dass die Lufthansa schon wieder ein Auge auf eine Airline geworfen hat, die portugiesische TAP zum Beispiel.

Denn die Kraniche haben sich einen Ruf dafür erworben, gute Airlines auf das Service-Niveau einer Billigfluglinie zu trimmen, ohne die Preise natürlich.

Die Gewinne

Denn bei denen spielt die Lufthansa weiterhin ganz oben mit: Wenn die Lufthansa oder ihre Töchter auf einer Strecke nicht gerade Monopolist sind, dann sind die Airlines in den Flugvergleichsportalen meist erst einige Seiten später zu finden.

Und dass das nicht an hohen Löhnen und Kosten liegt, zeigt ein Blick auf den Gewinn: 1,67 Milliarden Euro Gewinn im Jahr 2023. 2022 waren es noch 791 Millionen Euro gewesen.

Die Kunden

Gleichzeitg ist die Kundenzufriedenheit historisch tief. Nur noch 27 von 100 Punkten erreichen die Lufthansa-Marken im Schnitt im Net Promoter Score, einem Messwert für die Customer Experience.

Kritisiert werden die schlechte Erreichbarkeit der Hotline, komplizierte Umbuchungen und vor allem die Bordverpflegung. Antwort der Lufthansa: Man will auf der Kurz- und Mittelstrecke "testweise" wieder kostenlosen Kaffee ausschenken.

Das Sparen

Die Zahl derjenigen, die einen Zwischenstopp in Amsterdam, Paris oder Helsinki in Kauf nehmen, um bloß nicht mit einem der Lufthansas fliegen zu müssen, nimmt zu. Denn eine zeitgemäße Business-Class, eine erträgliche Economy, kostenlose Snacks, Mahlzeiten und Getränke haben mittlerweile die anderen. Die Lufthansa spart an allem, lässt sich alles bezahlen, was irgendwie geht und behauptet dann, die Kunden wollten das so.

Auf der Aktionärsversammlung im Mai 2023 hagelte es trotz famoser Zahlen Kritik: Die Service-Probleme, der Marken-Wirrwarr, die miserablen Kundenzufriedenheitswerte machen mittlerweile auch den Aktionären Sorgen.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr gab sich dennoch gelassen: Premium-Qualität anzubieten, liege in der DNA der Lufthansa, sagte er und verwies auf die geplante neue Kabinenausstattung, die vor allem die Business Class aufwerten soll.

Nur: Auch die Renovierung der Flugzeuge ist zur Lachnummer geworden. Seit Jahren schon kündigt der Konzern das neue Sitzkonzept mit dem Namen "Allegris" an, und immer kam irgendwas dazwischen.

In der Economy heißt die Beinfreiheit künftig "Living Space"

Nun sind die ersten Flieger damit bestückt und wer einen der wenigen Flüge mit Allegris-Kabine buchen möchte, stellt fest, dass man dafür einige Einarbeitung braucht.

Fünf verschiedene Arten von Sitzplätzen gibt es nun in der Business-Class, die der Konzern stets in den Vordergrund stellt, obwohl mittlerweile auch viele Geschäftsreisende einen Bogen drumherum machen: viel zu teuer. Und auch in der Business gilt: zahlen bitte! Und das gleich doppelt: 2,5 Milliarden Euro will der Konzern für die neue Kabine ausgegeben haben, wenn sie endlich überall eingebaut ist. Das wird aber noch einige Jahre dauern.

In der Economy heißt die Beinfreiheit künftig "Living Space" und liegt auch weiterhin bei 79 Zentimetern bei einem Standardsitzplatz, was aber trotzdem irgendwie mehr Beinfreiheit bedeuten soll. Und damit hat es sich dann auch schon mit den Verbesserungen und so mancher wird nun sagen: Naja, ist halt Economy. Holzklasse.

Aber es fliegt eben die breite Masse da drin, und zahlt dafür der Lufthansa und ihren Töchtern Premium-Preise.

Wahrscheinlich würde es nicht mal 2,5 Milliarden Euro brauchen, um die Kunden glücklich zu machen: Ein bisschen mehr Beinfreiheit und ein paar Bezahlschranken weniger würden wohl ausreichen. So wie früher, als bei der Lufthansa tatsächlich der Service in der DNA lag, ebenso wie gute Arbeitsbedingungen.