Lukaschenko fordert Deutschland zur Aufnahme von Flüchtlingen auf
Der Belarus-Präsident erwartet von der Bundesrepublik und EU-Ländern die Aufnahme eines Kontingents von 2000 Geflüchteten, die sich zur Zeit in seinem Land aufhalten
Spekulationen in der Flüchtlingskrise zwischen Belarus und Polen lauteten, dass es dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko vor allem darum gehe, die fehlende Anerkennung durch den Westen zu durchbrechen. Die direkte Kontaktaufnahme der noch amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werteten solche Stimmen als Erfolg für den Machthaber in Belarus.
Zufriedenheit strahlt Lukaschenko jedoch nicht aus. Er fordert jetzt die Übernahme von 2.000 Flüchtlingen durch die EU, insbesondere Deutschland, berichtet die regierungsnahe Minsker Agentur Belta. Diesen Vorschlag habe er bereits Frau Merkel am Telefon gemacht. Die große Mehrheit der Migranten vor Ort weigere sich weiterhin, das Land in Richtung ihrer Herkunftsländer zu verlassen.
Für Personen, die dazu bereit seien, werde ein zweites Flugzeug in Richtung Irak bereitgestellt. Mit einem ersten Flug waren 400 Iraker in ihr Heimatland zurückgekehrt. Eine Entspannung der krisenhaften Situation an der Grenze zwischen Belarus und Polen gibt es momentan nur optisch, da die Geflüchteten von den weißrussischen Behörden in einem Großlager untergebracht wurden.
Lukaschenko begründet Hilfe beim Weg in die EU humanitär
Auch denen, die weiter in die EU wollen, versprach Lukaschenko Unterstützung. In einem BBC-Interview gab er eine Mithilfe weißrussischer Militärs zu und gab dafür im Einzelfall humanitäre Gründe an. Westliche Presseberichte sprechen aktuell häufig davon, dass Migranten nun in kleinen Gruppen von belorussischen Sicherheitsbeamten an die Grenze gebracht würden, um dort heimlich an geeigneten Stellen die EU-Außengrenze zu überschreiten. Bei versuchten Grenzübertritten habe es durch polnische Grenzer 65 Verletzte gegeben, darunter zwei weißrussische und ein russischer Journalist sowie minderjährige Geflüchtete, bestätigt auch Belta.
Lukaschenko verwies darauf, dass die Flüchtenden weiter ausdrücklich nach Deutschland wollten, häufig dort bereits Verwandte hätten. Dennoch würden sie an der Reise dorthin von den polnischen Grenzern gehindert. Einige benötigten auch medizinische Behandlung, die sie in Deutschland in Anspruch nehmen möchten, so Belta weiter. Lukaschenko sehe es als Verpflichtung Deutschlands, die in Belarus Angekommenen aufzunehmen.
Aufgrund der Dubliner Verträge der EU würden in Deutschland über Polen eingereiste Flüchtlinge mit Ausnahme humanitärer Härtefälle dorthin abgeschoben, solange keine Einzelvereinbarung anlässlich der aktuellen Krise besteht.
Auch gegen Polen teilte Lukaschenko im Interview mit der BBC weiter aus. Der Einsatz von Wasserwerfern gegen die Migranten bis auf weißrussisches Gebiet sei eine Verletzung der Staatsgrenze seines Landes. Wörtlich bezeichnete er den polnischen Grenzschutz in seiner gewohnt markigen Sprache als "Faschisten". Westlichen Journalisten warf er an gleicher Stelle vor, über das Mitgefühl weißrussischer Bürger für die Migranten nicht zu berichten.
Einreise über Umweg Russland?
Die Äußerungen des belorussischen Staatsoberhaupts fanden auch in der russischen Presse großen Widerhall. Das hat nicht nur mit dem gesteigerten Interesse an Vorgängen im Nachbarland zu tun. Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Alexander Grebenkin, sagte in einem Interview mit der Rossiskaja Gaseta aus, dass nun auch verstärkt Russland als Transitland für die Weiterreise in die EU von Migranten aus dem Nahen Osten genutzt werde.
Er ließ offen, ob er den Stau der Geflüchteten auf der Belarus-Route mit als Ursache sehe. Eine mögliche Ausweichroute für in Belarus gestrandete Migranten wäre in Richtung Norden, wo Russland direkt an Lettland und Estland grenzt. Der Übertritt zwischen Belarus und Russland wäre dabei sehr einfach.
Störungen gibt es in Folge der Flüchtlingssituation auch beim grenzüberschreitenden Warenverkehr. Die lettische Onlinezeitung Medusa berichtet unter Berufung auf einen amtlichen Wirtschaftsbeirat, zehn Prozent der russischen Warenimporte passierten die belorussische Westgrenze.
Am Checkpoint Bobrowniki an der Grenze stünden Lkw in einem 25 Kilometer langen Abfertigungsstau mit mehr als 80 Stunden Wartezeit. "Das Fortbestehen der aktuellen Situation kann die Lieferkette und die Verfügbarkeit von Waren für die Bevölkerung" in Russland erheblich beeinträchtigen, vor allem zum Jahreswechsel. Als ebenfalls überlastete Ausweichroute würde die lettisch-russische Grenze genutzt.
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