Lula in Brasilien: Vom politischen Gefangenen zum Erfolgspräsidenten
Lula war der erfolgreichste Präsident seines Landes. Dann wurde er aus politischen Gründen inhaftiert. So sieht sein Comeback aus.
Acht Monate nach Beginn seiner dritten Amtszeit bewerten sechzig Prozent der Brasilianerinnen und Brasilianer die Arbeit von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva positiv. Mit diesen guten Umfragewerten reiste der linksgerichtete Politiker unlängst nach Südafrika zum 15. Gipfeltreffen der Brics-Staaten in Johannesburg.
Damit hat sich das Stimmungsbild erheblich geändert: Während Lula eine Woche nach seinem Amtsantritt mit einem Putschversuch konfrontiert war, lehnen aktuellen Umfragen zufolge nur noch 35 Prozent den 77-jährigen Präsidenten ab. Ohne Zweifel steht Lula heute stärker da als zu Beginn der Amtszeit.
Der Popularitätszuwachs von vier Punkten seit der letzten Umfrage vor zwei Monaten ist auf die gute wirtschaftliche Lage zurückzuführen, die seine Landsleute optimistisch stimmt und die Vorbehalte im reichen Süden des Landes sowie bei den evangelikalen Anhängern des rechtsextremen Amtsvorgängers Jair Bolsonaro gemildert hat. Auch die Ablehnung seiner Regierung ist laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Genial/Quaest um fünf Punkte gesunken.
Die aktuellen Umfragewerte des Präsidenten noch weit von den Rekordwerten entfernt, die Lula erreichte, als der "erste Arbeiterpräsident Brasiliens" im Jahr 2010 mit über 80 Prozent Zustimmung aus dem Amt geschieden ist.
Keiner seiner Vorgänger oder Nachfolger hat auch nur annähernd ähnliche Werte verzeichnen können.
Damals konnte niemand vorhersehen, wie stark der von Bolsonaro und den hegemonialen Medien geschürte Hass gegen die Arbeiterpartei (PT) werden würde, und dass Lula einige Zeit im Gefängnis verbringen wird müssen, bevor er nun ein unerwartetes politisches Revival erleben darf.
Am beliebtesten ist Lula bei den Bewohnern des Nordostens (72 Prozent), den Ärmsten (68 Prozent), den Frauen (60 Prozent) und den Jugendlichen (57 Prozent). Die Umfrage zeigt auch einen wichtigen Meilenstein für den Präsidenten: Erstmals konnte er seine Zustimmung unter den Evangelikalen ausweiten.
Der Nordosten bleibt mit einem Anstieg von 71 auf 75 Prozent die Region mit der größten Unterstützung für Lula, aber auch im Süden und im Zentrum-Süd stieg die Unterstützung deutlich von 48 auf 59 Prozent bzw. von 51 auf 55 Prozent, während sie im Norden und im Zentrum-West leicht von 56 auf 52 Prozent zurückging.
Die Unterstützung für Lula, der auch der Arbeiterpartei vorsteht, stieg im Süden des Landes um elf Prozentpunkte und liegt nun auf dem Niveau des nationalen Durchschnitts. Die südlichen Bundesstaaten – die weißere und wohlhabendere Hälfte des Landes – sind bislang Bolsonaro-Territorium. Nun scheint ein Plan zur Unterstützung der Bauern aber Wirkung zu zeigen.
Dennoch wird die Arbeit der Bundesregierung in einem geringeren Maße unterstützt als die des Präsidenten: 42 Prozent bewerten sie als positiv, 29 Prozent als mittelmäßig und 24 Prozent als schlecht.
Amtsvorgänger Bolsonaro droht das Gefängnis
Auch auf internationaler Ebene ist Lula präsent – nicht ohne Folgen: Nach einem Telefonat mit Joe Biden erklärte der US-Präsident früher im Jahr "die Verantwortung der Industrieländer (für den Klimawandel) und die Notwendigkeit, den Entwicklungsländern (bei der Bewältigung der Folgen) zu helfen", wie es in einer Mitteilung des brasilianischen Präsidialamtes hieß.
Wirtschaftsförderungsprogramme zugunsten des privaten und öffentlichen Sektors, in dessen Verlauf umgerechnet rund 350 Milliarden US-Dollar in die Wirtschaft investiert werden sollen, ist ehrgeizig, auch wenn einige Experten die Kohärenz des Programms zur Wachstumsbeschleunigung in Frage stellen, zumal die Herkunft der Mittel oder die Prioritäten teilweise noch unklar sind.
Dennoch bietet die Wirtschaft seit Lulas Amtsantritt keinen Grund zur Sorge. Ein von ihm ins Leben gerufenes Programm zur Förderung von Schuldenverhandlungen mit den Banken half Millionen von Familien, die in den roten Zahlen stecken.
Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa neun Prozent, obwohl im informellen Sektor 40 Millionen Menschen beschäftigt sind – bei einer Bevölkerung von 203 Millionen Menschen). Das BIP wuchs im ersten Quartal um vier Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Die Erwerbsquote der Frauen stieg von 58 Prozent auf 60 Prozent. Bei den Männern stieg sie von 54 Prozent auf 59 Prozent, bei den Katholiken von 61 Prozent auf 63 Prozent. Und unter den Evangelikalen, einer Gruppe, die ziemlich homogen für die extreme Rechte stimmt, hat Lula zum ersten Mal mehr Anhänger (50 Prozent) als Gegner (46 Prozent), auch wenn der Unterschied gering ist und weit unter dem nationalen Durchschnitt liegt. Die Führer der wichtigsten evangelikalen Gruppierungen haben ein politisches Bündnis mit Bolsonaro geschlossen.
Die Unterstützung für Lula bleibt bei denjenigen, die für ihn gestimmt haben, praktisch unverändert, während sie bei denjenigen, die für Bolsonaro gestimmt haben, zunimmt. Umfragen zeigen, dass sich im Land wieder ein Klima des Optimismus einstellt – aber auch, dass die größte Sorge der Brasilianer nach wie vor die Gewalt im Alltag und die öffentliche Ordnung ist.
Bolsonaro ist indes einer möglichen Gefängnisstrafe näher denn je. Der ehemalige Präsident wird des Schmuggels mit Gold und Edelsteinen beschuldigt. Und unlängst enthüllte ein bekannter Hacker, dass der Ex-Präsident ihn beauftragen wollte, einen elektronischen Wahlbetrug zu simulieren, die Wahlbehörden zu diskreditieren und ein politisches Szenario zu schaffen, in dem er Lulas Sieg in Misskredit hätte bringen können.
Bolsonaro wusste, dass es sich um ein Verbrechen handelte, unternahm diese Schritte dennoch, sagt Walter Delgatti vor der Parlamentarischen Untersuchungskommission zum Putschversuch vom 8. Januar. Delgatti sieht es auch als erwiesen an, dass Bolsonaro von der rechtsextremen Kongressabgeordneten Carla Zambelli 40.000 Reais – etwa neuntausend US-Dollar – als Vorschuss für das Versprechen erhalten habe, sie bei der Regierung anzustellen, sollte er wiedergewählt werden.
Der Artikel erschien in ähnlicher Form bei der Organisation Centro Latinoamericano de Análisis Estratégico (CLAE)
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