Lustig ist das ALG-II-Leben

Grafik: TP

Als Reaktion auf Jens Spahns Kommentar zum Thema Arbeitslosengeld II und Armut erfährt eine "Petition" Aufmerksamkeit, die an sich eher kurzsichtig entstand

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"Hartz IV bedeutet nicht Armut." - Dieser Satz aus dem Munde des neuen Bundesministers für Gesundheit, Jens Spahn (CDU), führte erwartungsgemäß zu Kontroversen und Kritik. Dabei prallen die üblichen zwei Positionen aufeinander. Auf der einen Seite jene, die das Arbeitslosengeld II (Hartz IV salopp genannt) für ausreichend oder sogar noch für zu hoch bemessen halten, auf der anderen Seite die, die es für zu gering bemessen halten. Für Differenzierungen und eine Diskussion darüber, was "Armut" wann, wo und für wen bedeutet, ist wenig Platz geblieben, Fragen zur Ermittlung des Regelbedarfes bleiben außen vor.

Dass eine "Petition" einer von ALG II lebenden Mutter insofern nun mediale Aufmerksamkeit erhält und sich mehr als 160.000 Unterschriften (digital) für sie finden, ist wenig verwunderlich. Jens Spahn hat diese "Petition" genutzt, um für sich selbst auch in positiver Weise zu werben, indem er ein Treffen mit der "Petitions"-Organisatorin in Aussicht stellte und verlautbaren ließ, er wäre gegebenenfalls sogar bereit, sich auf das Experiment, einzulassen: einen Monat lang von ALG II zu leben. Doch was genau soll ein solches Experiment beweisen oder bewirken?

Eine Petition oder nicht?

Warum das "Petition" in Gänsefüßchen? Dazu muss zunächst erläutert werden, was eine Petition überhaupt ist. Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und steht für eine Bittschrift, ein Ersuchen oder eine Beschwerde. Insofern kann natürlich für jede Form der Bitte, des Ersuchens oder der Beschwerde dieser Begriff genutzt werden. Will er jedoch politisch verstanden werden, so ist zwischen einer Petition im rechtlichen Sinne und einer Unterschriftensammlung ohne zwingende rechtliche Folgen zu unterscheiden.

Artikel 17 des deutschen Grundgesetzes definiert das Petitionsrecht wie folgt:

Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

Eine Art offener Brief, wie er von der "Petitions"-Organisatorin Sandra S. formuliert wurde, ist jedoch keine Bitte. Vielmehr ist es eine Aufforderung, darauf ausgerichtet, nicht zuletzt Aufmerksamkeit für einen Missstand oder eine Ungerechtigkeit zu schaffen.

Solche Unterschriftensammlungen, die oft auf Plattformen wie change.org gestartet werden, schaffen eine kurzfristige Aufmerksamkeit, das ist verständlich und zweckdienlich. Oft genug ist dies jedoch nur ein Strohfeuer, wird von der nächsten und nächsten Unterschriftensammlung abgelöst und dient nicht dazu, langfristig auf eine Veränderung der Situation abzuzielen.