MH-17: Memorandum zur Weitergabe von Informationen zwischen der Ukraine und den Niederlanden

Bild: OMD

Angeblich haben US-Geheimdienste ihre Daten der niederländischen Staatsanwaltschaft zugänglich gemacht, aber sie sollen geheim bleiben

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Im Juli beschlossen die an der strafrechtlichen Ermittlung des Abschusses der Passagiermaschine MH17 über der Ostukraine beteiligten Regierungen, den Prozess in den Niederlanden nach niederländischem Recht stattfinden zu lassen. Es heißt, man habe 100 Verdächtige identifiziert, aber es wird weiterhin nach Zeugen und Informanten gesucht. Verantwortlich werden vom Gemeinsamen Ermittlungsteam unter der Leitung der niederländischen Staatsanwaltschaft ostukrainische Separatisten, die von Russland ein Buk-System erhalten haben sollen, das nach dem Abschuss wieder nach Russland zurückgeführt worden sein soll.

Die ukrainische und niederländische Regierung arbeiten an einem Memorandum über den Austausch von Informationen, berichtet Interfax-Ukraine. Das soll die gesonderten Klage der Ukraine gegen Russland vor dem Internatinalen Gerichtshof in Den Haag unterstützen und den Niederlanden ermöglichen, die für den Abschuss Verantwortlichen für den Tod aller Opfer aus allen Ländern zur Rechenschaft zu ziehen. Die Ukraine beschuldigt Russland, gegen das UN-Abkommen zur Unterdrückung der Terrorismusfinanzierung (ICSFT) durch die Unterstützung von "illegal bewaffneten Gruppen" in den "Volksrepubliken" Donetsk und Lugansk" verstoßen zu haben. Dazu würde auch die behauptete Bereitstellung des Buk-Systems gehören, mit dem MH-17 auf dem von den Separatisten kontrolliertem Gebiet abgeschossen worden sein soll. Daneben klagt die Ukraine, Russland habe durch Misshandlungen von Tataren und Ukrainern bei der Annexion der Krim das Internationale Abkommen über die Eliminierung aller Formen der rassischen Diskriminierung (CERD) verletzt.

Nach der vorläufigen Entscheidung weigerte sich das Gericht, wie von Kiew verlangt, vorläufige Maßnahmen gegen Russland zu verhängen. Die Ukraine, so das Gericht, habe keine Beweise für die russische Unterstützung von Terrorgruppen geliefert, anerkannt wurde der Schutz der Krimtataren und der ukrainischen Sprache auf der Krim. Zur Unterstützung "illegaler bewaffneter Gruppen" rechnet die Ukraine die Lieferung von Waffen und die Ausbildung von Kämpfern, die Finanzquellen nicht zu stoppen und finanzielle Unterstützer nicht zu verfolgen. Russland wird mitverantwortlich gemacht nicht nur für den Abschuss von MH-17, sondern auch für den den Beschuss von Zivilisten in Volnovakha, Mariupol und Kramatorsk sowie für Bombenanschläge auf Zivilisten wie 2015 in Charkiw, wo drei Menschen starben. Auch im Falle eines bewaffneten Konflikts seien Angriffe auf Zivilisten Terrorakte, weswegen hier der ICDFT gelte, macht Kiew geltend. Dafür fehlen aber nach dem Gericht die Beweise (Schlappe für Kiew vor dem Internationalen Gerichtshof).

Offenbar hofft Kiew darauf, über die strafrechtliche Untersuchung des Abschusses von MH-17 Beweise zu erhalten. Die stellvertretende ukrainische Außenministerin Olena Zerkal sagte, die Niederländer würden nicht wollen, dass ihre Untersuchung in Frage gestellt wird. Daher das Memorandum zum offiziellen Austausch von Informationen, "da die abgeschossene Boeing Teil unserer Klage gegen Russland in Bezug auf die Terrorismusfinanzierung ist, vor allem die Zurverfügungstellung von Waffen, die das Flugzeug zerstörten". Das Memorandum stehe kurz vor der Unterzeichnung.

Zuvor hatten Anfang Juli der ukrainische Justizminister Pavlo Petrenko und sein niederländischer Kollege Stef Blok ein Abkommen über internationale rechtliche Kooperation über Straftatbestände im Hinblick auf MH-17 abgeschlossen. Das Abkommen soll die Strafverfolgung der Verantwortlichen für alle Opfer aus 17 Ländern erstrecken. Damit hätten alle Angehörigen dieselben Rechte im Prozess in der Niederlanden. Geregelt werden mit dem Abkommen die Auslieferung von Angeklagten und die Vernehmung von Verdächtigen, Zeugen und Experten über Videokonferenzen.

Haben die US-Geheimdienste ihre Daten der niederländischen Staatsanwaltschaft übergeben?

Wir hatten berichtet, dass der scheidende US-Botschafter in Moskau in einem Interview mit einem russischen Radiosender berichtet hat, die US-Geheimdienste würden ihre Beweise über den Abschuss von MH-17 nicht der Öffentlichkeit vorlegen. Das würde kein Geheimdienst machen, um nicht Quellen und Methoden zu gefährden. Sie hätten aber den Kongress informiert, der die Beweise für die Verantwortlichkeit der Separatisten überzeugend gefunden habe.

Das scheint, zumindest nach Angaben des niederländischen Staatsanwalts Fred Westerbeke, nicht ganz richtig zu sein, worauf Max van der Werff hinwies. Im Februar 2016 sagte Westerbeke, dass es keine Videos vom Abschuss der Rakete und auch keine Satellitenaufnahmen wegen der Wolken gebe. Aber es gebe Radardaten. Die Ukraine habe allerdings keine, Russland habe keine herausgegeben (inzwischen allerdings schon) und die USA hätten über den niederländischen Geheimdienst MIVD ihre Daten an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Man könne sie verwenden, falls dies erforderlich sein sollte.

Im September 2016 war Westerbeke bei der Vorstellung der ersten Ermittlungsergebnisse, die die Separatisten verantwortlich machten, etwas vorsichtiger oder umständlicher. Man habe Zugang über den niederländischen Geheimdienst zu allen Materialen gehabt, die aber "einen signifikanten Anteil von Staatsgeheimnissen" enthalten, und einen Bericht der Amerikaner über die Auswertung erhalten. Das könne man benutzen, allerdings nur so, dass der Offizier, der das Material gesichtet hat, Aussagen macht: "Es bleibt ein Staatsgeheimnis und ist daher nicht deklassifiziert, aber wir können es bei den Untersuchengen nutzen." Als Beweis, so wiederholte, könne man die amerikanischen Informationen nur "indirekt" nutzen, dem Gericht oder der Verteidigung eines Angeklagten würden die Materialien aber nicht vorgelegt. Der Wahrheitsfindung dient das ebenso wenig wie dem Vertrauen auf ein Gericht, das sich auf geheime Beweise stützen sollte. Die Öffentlichkeit weiß nicht einmal, ob Daten, geschweige denn welchen Inhalts der niederländischen Staatsanwaltschaft übergeben worden sind.

Es gibt noch einen weiteren Vorbehalt, der auch in den Niederlanden diskutiert wird. 2014 haben die Staaten, die das Gemeinsame Ermittlungsteam aufstellten, eine Vereinbarung getroffen, nach der jeder Staat ein Veto einlegen kann, wenn von ihm stammende Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen (non disclosure). Gemutmaßt wurde, dass dies vor allem der Ukraine geschuldet ist, von deren Geheimdienst SBU viele Materialen wie aufgezeichnete Telefongespräche stammen. So lange nicht zweifelsfrei erwiesen ist, dass Separatisten mit oder ohne Hilfe von russischen Streitkräften MH-17 abgeschossen haben, steht auch die Ukraine in Verdacht, die Buk-Systeme besitzt, zumal sie auch nach Abschuss eine Militärflugzeugs den Luftraum nicht gesperrt hatte.

Am 16. August antwortete die niederländische Regierung in einem Brief auf die Frage, ob das "Non-Disclosure-Abkommen" bedeute, dass Staaten Informationen dem Prozess vorenthalten können, die Frage unterstelle, dass es ein solches Abkommen gebe. Das sei nie gesagt worden, sagt die niederländische Regierung, während die australische Regierung eben dies bestätigt hat. Aber die Regierung macht die Lage noch undurchsichtiger, wenn sie sagt, dass der Inhalt des gesamten JIT-Abkommens geheim sei. Eine Offenlegung würde den "internationalen Beziehungen" schaden. Das könnte nur die Staaten betreffen, die Teil des JIT sind, also die Niederlande, Australien, Belgien und die Ukraine. Malaysia konnte sich erst später anschließen.

Putin und der mysteriöse Fluglotse

Und jetzt werden auch noch Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin über MH-17 bekannt, die er im Gespräch mit Oliver Stone machte. Sie wurden nicht in den Film aufgenommen, das gesamte Gespräch soll aber demnächst veröffentlicht werden. Putin soll gesagt haben, dass nach seinem Wissen "einer der ukrainischen Fluglosten, ich glaube, er ist spanischer Abstammung, sagte, er habe ein Kampfflugzeug in der Flugrichtung der Passagiermaschine gesehen". Tatsächlich war nach dem Abschuss öfter von dem Lotsen namens Carlos die Rede, der ukrainische Kampfflugzeuge in der Nähe der MH-17 gesehen haben soll. Irgendwie ist der Mann, der bei der Flugverkehrskontrolle in Kiew gearbeitet haben soll, aber verschwunden, untergetaucht oder es gab ihn nie. Sein Twitter-Account @spainbuca soll ein Fake gewesen sein.

Putin sagte jedenfalls Stone, dass nur ein ukrainisches Kampfflugzeug dort gewesen sein kann. "Das verlangt natürlich nach Klärung." Nach dem Abschuss hatte auch das russische Verteidigungsministerium behauptet, es sei ein ukrainisches Kampfflugzeug in der Nähe von MH-17 gewesen. Er sage nicht, es habe die Maschine abgeschossen, aber man müsse klären, warum es im Korridor eines zivilen Flugzeugs war. Mittlerweile versteift man sich darauf, dass anhand der Radardaten, die dem JIT übergeben wurde, keine Buk aus dem von Separatisten kontrollierten Gebiet abgeschossen wurde. Putin meinte auch, dass das Flugzeug hinten getroffen wurde, was dafür spreche, dass es von einem Buk-System getroffen wurde, das sich auf ukrainischer Seite befand.