MH17: Russisches Verteidigungsministerium beschuldigt wieder die Ukraine
Ukraine bezeichnet die neuen Hinweise als Fake, auch das JIT gibt sich skeptisch
Es hat erstaunlich lange gebraucht, bis Moskau nun mit einer neuen Version über den Abschuss der Passagiermaschine MH17 am 17. Juli 2014 an die Öffentlichkeit ging. Vermutlich hat der letzte Zwischenbericht des Gemeinsamen Ermittlungsteams JIT für Eile gesorgt, der die weitgehend von Bellicat übernommene Argumentation übernommen hat, das vornehmlich nach Bildern und Videos bewiesen sei, dass die Passagiermaschine mit einer Buk-Rakete von einer Stelle in der Nähe von Pervomaiskyi abgeschossen wurde. Das Start- und Transportfahrzeug Buk-Telar, mit der die Rakete transportiert worden ist, soll von der russischen 53. Luftabwehrbrigade aus Kursk stammen.
Jetzt also die Gegenoffensive aus dem russischen Verteidigungsministerium durch eine Pressekonferenz: Man habe die Seriennummer auf den Trümmerteilen der Buk-Rakete zurückverfolgen können. Auch nach weiteren Beweisen würde die Verantwortung der Ukraine belegt werden. Alle Informationen sind dem JIT übergeben worden. Sie seien Anlass, die Ergebnisse, zu denen das JIT gekommen ist, und die "grundlosen Beschuldigungen Russlands", noch einmal zu überdenken. Gefordert wird auch von russischer Seite, dass das JIT von der Ukraine alle Dokumentation über Buk-Systeme einfordern müsse. Man müsse aber befürchten, dass Kiew diese vernichtet.
Moskau hat lange mit verschiedenen Hypothesen versucht, Kiew für den Abschuss verantwortlich zu machen. Einmal war davon die Rede, dass es einen ukrainischen SU25-Kampfjet in der Nähe gegeben haben soll, das andere Mal präsentierte der russische Rüstungskonzern Almaz-Antey 2015 Untersuchungsergebnisse publiziert, nach denen es sich nicht um eine russische Buk-Rakete handeln könne, zudem wurde über die Form der Schrapnelle und den Abschussort gestritten. Dann wurden zufällig 2016 gefundene Radarbilder präsentiert, auf denen keine Rakete zu sehen war, die aus der Richtung des von den Separatisten kontrollierten Gebiets gekommen wäre. Das hatte zu eigenwilligen Argumentationen beim Gemeinsamen Ermittlungsteam geführt, die versucht haben zu zeigen, dass eine Buk-Rakete nicht vom Radar gesichtet werden müsse.
Die Buk-Rakete mit der Seriennummer, mit der die MH17 abgeschossen wurde, sei in Dolgoprudny bei Russland hergestellt worden. Nach Dokumenten wurde sie bereits im Dezember 1986 in die Ukraine geliefert und seitdem nie mehr nach Russland zurückgebracht. Sie habe sich bei einer Luftabwehreinheit befunden, die ihren Stützpunkt in Stryj im Oblast Lwiw hat. Die 223. Raketenluftabwehrbrigade sei mehrfach in das Konfliktgebiet verlegt worden.
Weiter wird behauptet, dass Videos, die den Transport eines russischen Buk-Systems zeigen, manipuliert worden seien. Es wird auf unmögliche Perspektiven und falsche Lichtverhältnisse hingewiesen. Es sei auch bewiesen, dass die Separatisten nie in Besitz eines Buk-Systems gewesen seien.
Und es wird ein angeblich 2016 abgehörtes Funkgespräch ukrainischer Militärs präsentiert. Zu hören soll u.a. sein: "Falls das so weitergeht, werden wir eine andere malaysische Boeing herunterholen und alles wird wieder gut sein. Das ist es, was wir ihnen sagen." Die Stimme soll dem ukrainischen Oberst Ruslan Grintschak gehören, das habe man forensisch überprüft. Im Juli 2014 sei Grintschak Kommandeur einer radiotechnischen Brigade der Luftwaffe gewesen, die damals den Luftraum über der Ostukraine kontrolliert habe. Das würde belegen, dass er über den Abschuss Bescheid wisse.
Das ist nicht sonderlich überzeugend. Weiter Vorwürfe an Kiew sind, dass nicht mitgeteilt worden sei, wo sich die ukrainischen Buk-Einheiten am Tag des Abschusses befanden, oder die Kommunikation der Fluglotsen nicht veröffentlicht wurde.
Olexander Turtschynow, nach dem Sturz Janukowitschs Übergangspräsident, dann Präsident des ukrainischen Parlaments und seit 2014 Leiter des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine ernannt, reagierte prompt und bezeichnete die Behauptung Russlands als einen "weitere Kremlin-Fake, um sein Verbrechen zu vertuschen, das bereits durch eine offizielle Untersuchung und durch unabhängige Expertengruppen bewiesen worden ist". Es sei jetzt schon die neunte oder zehnte Theorie.
Auch der Verteidigungsminister Poltorak schloss sich dieser Haltung. Es sei eine weitere Lüge, Russland wolle damit weiter die Autorität der Ukraine untergraben. Und der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson, gerade zu Besuch in Kiew, sprach von einem weiteren Beispiel der russischen Desinformation.
Das JIT erklärte, man habe die auf der Pressekonferenz erstmals mitgeteilten Informationen zur Kenntnis genommen, um gleich die Kritik anzuschließen, dass man seit 2014 Russland aufgefordert habe, alle relevanten Informationen zu übermitteln. Zudem habe Russland Fragen des JIT nicht beantwortet. Man werde alle neuen Materialien genau prüfen, wenn Russland die im Mai 2018 angeforderten Dokumente dem JIT übergeben hat.
Das JIT hatte auf der Pressekonferenz im Mai Teile der Buk-Rakete präsentiert und nach deren Nummern gefragt. Von Russland wurden alle Informationen über die verdächtigte Brigade angefordert. Man habe bislang alle Informationen des russischen Verteidigungsministeriums sorgfältig geprüft, aber es seien einige faktisch unrichtig gewesen, beispielsweise die angebliche Anwesenheit eines Kampfjets auf einem Radarbild.