Macron will den Hass im Netz schärfer bekämpfen

Ein neues Gesetz im Namen des Kampfes gegen Antisemitismus und Rassismus soll das Löschen von beleidigenden Äußerungen systematisch erleichtern und beschleunigen

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Der französische Staatspräsident Macron will schärfer gegen den Hass im Netz vorgehen. Ab Mai soll ein entsprechender Gesetzesentwurf in der Nationalversammlung diskutiert werden, nach den Sommerferien soll er verabschiedet werden. Zügig soll es auch beim Löschen von Inhalten zugehen, die Hass verbreiten. Das ist eins der zentralen Anliegen.

Gezielt wird besonders auf Hass-Inhalte auf sozialen Netzwerkseiten: Facebook, Twitter, YouTube, Instagram, TikTok oder auch Snapchat - soweit es sich um öffentliche Inhalte handelt - , wie Laetitia Avia präzisiert. Die Abgeordnete der Regierungspartei La République en marche (LRM) ist federführend mit der Ausarbeitung des Gesetzes betraut.

Parallelen zum NetzDG

Liest man von den satten Geldstrafen, mit der Internetriesen wie Google (YouTube) oder Facebook beeindruckt werden sollen, denkt man unweigerlich an das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) mit seinen millionenschweren Bußgeldern. Drohen in Deutschland Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro, so ist in Frankreich eine Höchststrafe von 35 Millionen geplant.

Auch grundsätzliche Schwachpunkte teilt man sich. Auch für Inhalte auf französischen Facebook- oder Twitteraccounts gilt, dass der Hass- bzw. Diskriminierungs/Beleidigungsinhalt nicht immer eindeutig als solcher identifizierbar ist, so dass die neuen Regelungen Teil des Kampfes um Deutungs- oder Kulturhoheit werden, ohne dass sich die Lage ändert, die zum Gesetz geführt hat. Die Beleidigungen werden nicht weniger.

Ob mit dem neuen Gesetz wirklich ein wirksames Instrumentarium zur Eindämmung antisemitischer, rassistischer und anderer diffamierender Äußerungen gefunden wurde, steht im Zweifel. Befürchtet werden auch in Frankreich Nebenwirkungen.

Doch zunächst zu den Versprechen, die sich Macron vom neuen Gesetz macht. Die Absicht dazu hatte er schon vor einem Jahr bei einer Veranstaltung des Dachverbands der jüdischen Organisationen Frankreichs CRIF bekannt gegeben. Beim Treffen in der vergangenen Woche erneuerte er seine Ankündigung.

Unter Handlungsdruck

Der Antisemitismus in Frankreich sorgte in den letzten zehn Tagen, wie mehrfach berichtet für größere Wellen ( Antisemitismus: Gelbwesten unter Beweisdruck). So lag es nahe, dass Macron vor dem Dachverband darauf verwies, dass seine Regierung im Begriff ist, mit einem schärferen Gesetz zu reagieren.

Das geplante Gesetz ist zwar, wie Le Monde berichtet, Teil eines größeren Plans, mit dem die französische Regierung explizit gegen Rassismus und Antisemitismus vorgehen will, es geht aber darüber hinaus auch um Hass, Beleidigungen und Diffamierungen, die sich gegen das Geschlecht, gegen sexuelle Dispositionen, ethnische Zugehörigkeiten, Religionszugehörigkeiten oder Behinderungen richten.

Was ist neu?

Macron soll das Vorgehen mit Stadionverboten gegen Hooligans verglichen haben. Bei den komplizierten Eigenheiten des Netzes, wo eine Netzseite sich dem Zugriff französischer Behörden leicht entziehen kann, ist das Bestreben groß, auf die greifbare Welt zurückzugreifen, hilft aber in der Praxis nicht viel. Vorgeführt wird das allein schon damit, dass es schon seit 15 Jahren(!) ein Gesetz gibt, das gegen Hassinhalte in Anwendung gebracht werden kann.

Auf das Gesetz zum Vertrauen in die Digitalwirtschaft (la loi de confiance sur l’économique numérique - LCEN, von 2004) verweist die oben erwähnte LREM-Abgeordnete Laetitia Avia als maßgebliche Referenz wie auch die Kritik des neuen Gesetzes von La Quadrature du Net, einer zivilgesellschaftlichen Institution in Frankreich, die sich seit vielen Jahren für Freiheitsrechte der Bürger im Netz engagiert.

Deren Kritik lässt sich in einem Satz bündeln: Der Aktionsplan "gegen den Hass" sieht nichts Neues vor, sondern wärmt nur auf, was das bestehende Gesetz seit 15 Jahren bestimmt. Aufseite der Gesetzgeber bringt Laetitia Avia vor, dass man "Bestimmungen modifiziert", dass das Gesetz nun den Rückgriff auf die Justiz nun "systematischer regelt und diese damit instand setzt, wirksamer zu agieren".

Der Verdacht, dass die Regierung Macron nun nicht den Riesenschritt nach vorne gemacht hat, wird eher bestätigt.

Schnell soll es gehen

Neu ist die Präsenz und der Einfluss der genannten sozialen Netzwerkseiten wie Facebook, das war vor 15 Jahren nicht so. Die Schwierigkeit zu definieren, was ein Hassinhalt ist, ist allerdings ähnlich schwierig geblieben. Die Regierung ist dabei entweder auf Software angewiesen, die von Facebook et al. eingesetzt wird, um Verstöße automatisch zu melden, aufgrund von bestimmten Schlüsselwörtern - mit den bekannten Schwierigkeiten. In der Hauptsache aber läuft das Signalisieren auf Nutzer hinaus, die solche Inhalte melden.

Dafür gibt es den Plan, dass die Klickbuttons für Meldungen von Hass-Inhalten grafisch möglichst vereinheitlicht werden. Und: Es soll schnell gehen. Die Regierung legt größten Wert darauf, dass die Beiträge schnellstmöglich, innerhalb von 24 Stunden, gelöscht werden. Auch das Sperren von Webseiten mit anstößigen Inhalten soll anders als bisher weniger umständlich und schneller vonstatten gehen. Man ist also auf die Mitarbeit von Unternehmen wie Facebook oder Google angewiesen sowie auf die Provider. Bei beiden achtet die Regierung auf gute Beziehungen, wie La Quadrature du Net kritisch anmerkt.

Bei La Quadrature du Net wird in einem anderen Artikel auch eine mögliche Nebenwirkung angesprochen.

Nebenwirkungen

Die Medienlandschaft in Frankreich ist sehr homogen, um es so zu sagen, Berichte der größeren Medien über Proteste ähneln sich in der Rahmengebung, Einbindung und Aufhängung der Themen ("Framing"). Das ist nicht erst seit der Protestbewegung der Gelben Westen zu sehen, sondern hat sich schon zuvor etwa bei den Protesten gegen das Arbeitsgesetz gezeigt.

Umso wichtiger sind Ausweichmöglichkeiten der freien Meinungsäußerung … Regulierungen in sozialen Netzwerken, die in Grauzonen operieren und auf zensurähnlicher Basis arbeiten, sind eine heikle Angelegenheit, wenn man sich denn eine Informationslandschaft wünscht, die auf Vielstimmigkeit setzt.

Wer sich anschaut, welche Beiträge von deutschen Twitterseiten zum Sperren vorgelegt werden, der wird sehr skeptisch, was die Annahme betrifft, dass solche Anti-Hass-Gesetze auf jeden Fall in eine gute Richtung laufen. Nicht selten betreffen Vorlagen an den Administrator, die bekannt werden, Beiträge, bei denen kein aufwiegelnder Hass oder Antisemitismus zu erkennen ist, aber eine scharfe Kritik an politischen Strömungen, die Personen kränken könnten.