Macrons Mission in Israel: Frankreich machtlos im ehemaligen Mandatsgebiet
Eine humanitäre Pause im Krieg um Gaza strebt das Außenministerium an. Macron will eine politische Perspektive eröffnen, die nicht nur proisraelisch ist. Kann das gelingen?
Solidarität mit Israel, unbedingt, kein "ja, aber", wie auch die eindeutige Verurteilung der Verbrechen der Hamas und "Israel hat das Recht, sich zu verteidigen": Dies hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron bei seinem Besuch heute in Israel herausgestrichen, "comme il faut" (Wie es sich gehört).
Er kommt später als viele Staatsbesucher zuvor, z.B. Joe Biden oder Olaf Scholz, Rishi Sunak und Giorgia Meloni. Aber Macron will dafür Besonderes leisten. Er will nützlich sein, "eine politische Perspektive eröffnen", so die Ankündigung. Sein Umfeld - z.B. das Außenministerium - wolle, dass er bei dieser Reise zeige, dass er nicht nur "pro-israelisch" ist.
Geht es nach dem, was aus dem Außenministerium Quai d'Orsay nach außen gedrungen ist, so zählt das Hinwirken auf eine baldige Waffenruhe zu den großen Ambitionen der politischen Perspektive:
"Wir wünschen uns eine humanitäre Pause, die uns genügend Raum gibt, um einen Waffenstillstand aufzubauen."
Das wäre ein bedeutender Erfolg der Mission. An den kaum jemand glaubt. Die Enttäuschung ist vorprogrammiert, wird kommentiert.
Bei seiner Pressekonferenz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu heute am späten Vormittag war von diesem Ziel auch nicht die Rede.
Da ging es um ein Bündnis im Kampf gegen den Terrorismus. Die israelische Führung will zumindest offiziell nicht von einer Waffenruhe sprechen. Ihr oberstes Ziel bleibt das Unschädlichmachen der Hamas.
Ob er bei einem Thema der politischen Perspektivenerweiterung Erfolg hatte? Beim diplomatischen Anspruch Frankreichs, wonach die israelisch-palästinensische Frage "nicht evakuiert" werden kann. Sie "kann nicht auf ein Minimum herunter administriert werden", wie das Außenministerium erklärt. Handfeste Ergebnisse dazu sind nicht zu erwarten.
Als Zeichen für die extreme Schwierigkeit dieser Aufgabe versteiften sich die israelischen Gesprächspartner im Elysée-Palast während der Gespräche zur Vorbereitung der Reise, als das Umfeld des Staatschefs die Wiederaufnahme dieser Verhandlungen von einem "Stopp des Siedlungsbaus" der Juden im Westjordanland abhängig zu machen schien.
Le Monde
Was kann er erreichen?
Am ehesten könnte Macron etwas Spruchreifes erreichen, wenn es um das primäre Ziel geht, das er bei seinem Treffen zuvor mit dem israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog ansprach: die Befreiung der Geiseln. Dazu aber muss er auch mit der anderen Seite sprechen.
Wenig bekannt in der deutschen Öffentlichkeit ist, dass sich wahrscheinlich noch sieben Geiseln mit französischer Nationalität in den Händen der Hamas befinden, 30 französische Staatsbürger verloren bei dem extrem brutalen Angriff der Dschihadisten auf Zivilisten im israelischen Territorium ihr Leben.
Weniger bekannt in Deutschland dürfte auch sein, dass in Frankreich die größte jüdische Gemeinschaft in Europa lebt - und eine große Zahl von Palästinensern. Das ergibt ein enormes innenpolitisches Spannungsfeld, das sich in erregten Debatten widerspiegelt mit Entgleisungen - ähnlich erhitzt wie hierzulande. '
Dass sich Mitglieder seiner Partei Renaissance gegen Macron stellen, macht darüber hinaus anschaulich, wie sehr der Präsident innenpolitisch Spagat üben muss.
Die Aura eingebüßt
Das muss er auch außenpolitisch, Macron reist zwar als französischer Staatspräsident in den Nahen Osten. Aber erst nicht nur in seinem Selbstverständnis nach, sondern auch in vielen anderen Augen, die seinem Auftritt zuschauen, ein bedeutender Vertreter Europas. Doch wie bedeutend ist Frankreich noch als Player, wenn es um den politischen Einfluss im ehemaligen Mandatsgebiet geht? Wie bedeutend ist die in dieser Frage die zerstrittene EU?
In den französischen Medien dominiert der Befund, dass Frankreich seinen Einfluss in der Region deutlich eingebüßt hat, was dann auch impliziert, dass die EU in der Krisenzone auf keinen großen Spielraum setzen kann. Der konservative Figaro will nicht einmal mehr von Einfluss sprechen, sondern nur mehr von einem verblassten Glanz:
Es überrascht nicht, dass die Botschaft von Emmanuel Macron die gleiche ist wie die seiner westlichen Amtskollegen. Frankreich hatte eine Zeit lang eine besondere Aura im Nahen Osten, die sich jedoch verringert hat. (…) Mit seinen begrenzten diplomatischen Möglichkeiten wird Emmanuel Macron wahrscheinlich versuchen, in der Region Zeit zu gewinnen. Dabei riskiert er, den Eindruck einer ergebnislosen Reise zu erwecken.
Le Figaro
Der außenpolitische Spagat sieht so aus: Macron beteuert seine Solidarität mit Israel, was darauf hinausläuft, das angegriffene Land, das reklamiert, dass es sich mit allen Mitteln vor einer existentiellen Bedrohung schützen muss, im Kampf gegen den Terrorismus mit allen mögloichen Mitteln zu unterstützen.
Und dessen Führung zugleich davon zu überzeugen, einen politischen Weg mit den Palästinensern zu suchen. Wovon die israelische Regierung erstmal nichts hören will. Das Thema ist bis auf weiteres ein "no go" und wird als solches behandelt.
Nichts zur wirtschaftlichen und sozialen Krise
Der Spielraum, in dem sich Macron bewegt, ist sehr begrenzt. Wie sehr zeigt sich auch auf der anderen palästinensischen und der arabischen Seite. Der französische Präsident will den PA-Präsidenten Mahmud Abbas besuchen. Den Mann, den er neulich noch öffentlich von seinem Posten weghaben wollte. Ohnehin ist der politische Einfluss des fast Neunzig-Jährigen auf die gegenwärtige Situation nicht unbedingt als stark einzuschätzen.
Aber Macron will auf seiner Visite in der Kriegs- und Krisenzone auch noch mit Ägyptens Staatschef und mit dem jordanischen König sowie führenden Vertretern der Golfregion sprechen, um politisch einzuwirken.
Sein ausbleibender Erfolg trotz hoher Ambitionen bei seinen früheren Interventionsversuchen im Krisenland Libanon führte allerdings, wie auch seine Gespräche mit Putin, der Öffentlichkeit vor Augen, dass Macron zwar ein beredter Staatschef ist, aber keine entscheidenden, außenpolitischen Erfolge herbeiführen kann.
Mit seiner Unterstützung für Israel reihe sich Emmanuel Macron in die "ideologische Dimension" des Konflikts ein, den Terrorismus der Hamas anprangert, ist der Analyse französischer Medien zu entnehmen. Frankreich werde jedoch nicht in der Lage sein, die strategische Lösung des Konflikts zu beeinflussen. Er werde auch nichts zur wirtschaftlichen und sozialen Krise sagen können, die die Wut der Palästinenser nährt.