Magazin TUT.BY: Redakteure wieder auf der Flucht
- Magazin TUT.BY: Redakteure wieder auf der Flucht
- Die Tote mit den roten Fingernägeln
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2021 musste die Redaktion des erfolgreichsten belarussischen Nachrichtenportals vor dem Lukaschenko -Regime nach Kiew fliehen, jetzt gelang einem Teil zum zweiten Mal die Flucht: In Berlin startet ein Neuanfang.
Sie mussten jetzt zum zweiten Mal fliehen: Journalisten und Macher des belarussischen Magazins TUT.BY haben in Berlin ein neues Büro eröffnet. "Früher in Minsk hatten wir 200 Mitarbeiter", sagt eine Frau, die wir Julija nennen wollen. TUT.BY war mit 200 Millionen Aufrufen im Monat das erfolgreichste unabhängige Medium in Belarus.
Mit ihren Berichten über den Protest gegen den Wahlbetrug des Regimes von Aljaksandr Lukaschenko wurden sie zu gefährlich für die Macht. Im Mai 2021 schlossen die Behörden das Magazin, etliche Journalisten wurden verhaftet, darunter Chefredakteurin Maria Solotowa und Geschäftsführerin Ljudmila Tschekina.
Anderen gelang die Flucht, etwa nach Kiew. Dort gründeten sie im vergangenen Jahr das Magazin Zerkalo.io, was übersetzt "Spiegel" heißt. "Das soll genau so lange auf Sendung bleiben, bis wir TUT.BY in Belarus wieder betreiben können", sagt Julija. Diesmal waren 44 Mitarbeiter an Bord, "15 sitzen in Belarus immer noch im Gefängnis".
Gerade hatte die Redaktion neue Strukturen aufgebaut, die Klickzahlen wieder auf fünf Millionen monatlich hochgeschraubt, da begann der Krieg gegen die Ukraine. Wieder mussten die Macher die Flucht antreten, manche ihrer Kollegen sind aber noch in Kiew, der Chefredakteur arbeitet mit einem kleinen Team in Litauen, die Fotoredaktion begann ihre Arbeit nun in Berlin.
Viktor ist einer der Bildredakteure, auch er trägt einen anderen Namen, der dem Autor bekannt ist, die Furcht vor dem weißrussischen Auslandsgeheimdienst ist auch in Berlin groß. "20 Jahre war ich Fotograf in Minsk", Viktor kennt das Handwerk von der Pike auf. "Nicht nur im Krieg sind Fotos eine Waffe, auch bei Massenprotesten wie in Belarus oder bei Revolutionen", sagt Viktor. Aber natürlich trage ein Bildredakteur im Krieg noch einmal eine andere Verantwortung: "Bilder transportieren Emotionen, Fotos können friedfertig machen oder Hass schüren."
Wie also verifiziert er sein Material? Wie wählt Viktor die Bebilderung der Seite Zerkalo.io aus? "Das wichtigste ist Berufserfahrung", sagt der Fotoredakteur: "Nach 20 Jahren siehst du, ob ein Bild gestellt ist, ob die Szene inszeniert ist oder ob sie sich genau so zugetragen haben kann." Zudem würden Gegenrecherchen helfen: Hat es geregnet zu dem Zeitpunkt, als das Foto aufgenommen worden sein soll? Schien da tatsächlich die Sonne? "Am wichtigsten ist aber natürlich das Vertrauen in jene Kollegen, die den Job vor Ort machen", sagt Viktor.
In Deutschland tobt gerade eine Debatte, welche Fotos Medien aus dem Krieg zeigen sollten. Der Deutsche Presserat appellierte nach dem Massaker von Butscha an die deutschen Redaktionen, "sorgsam zwischen dem Informationsinteresse der Leserschaft und den Interessen von Opfern und deren Angehörigen abzuwägen". Opfer dürften durch die mediale Darstellung nicht herabgewürdigt werden.
Wo ist für ihn, den Bildredakteur von Zerkalo.io, dem gerade selbst aus dem umkämpften Kiew die Flucht gelang, die Grenze? "Die Darstellung muss einen Mehrwert zum Geschehen liefern". Einen gefallenen Zivilisten abzubilden, um einen Toten zu zeigen, liefere keinen Mehrwert, ein Bild müsse mehr erzählen als den Tod.
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