Mainstream-Pornographie
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Als Reaktionen auf gesellschaftliche Auseinandersetzungen rund um die Schädlichkeit von Pornographie, ist in den letzten Jahren ein Trend entstanden von "ethischer", "alternativer" Pornographie (auch "Altporn"), oder Pornographie speziell für Frauen. Produktionen dieser Kategorien wollen den Missbrauch einschränken und sich von toxisch-männlichen Klischees der Branche absetzen.
Maike Brochhaus etwa, Alternativporno-Regisseurin hat ihren Ansatz im Bayersichen Rundfunk genauer erörtert.
Alternativ-Pornos sind in ihrem Sinne Teil einer Subkultur und "anti-kommerzielle" Werke, bzw. "Fair Trade Porn", wie sie sie nennt. Es gebe bei ihren Produktionen intern fest definierte Rechte und Pflichten (z.B. Kondompflicht bei Vaginalsex) und eine fest geschriebene finanzielle Beteiligung für die Pornodarsteller*innen. Diese Produktionen stellten eine "gleichberechtigte Pornographie" dar und hätten einen stärkeren Fokus auf ästhetischen Bildern, spielten mit dokumentarischen Ansätzen und improvisierten Dialogen. Zum Teil versuchten sie, den Stil der 1970er-Pornos zu reproduzieren, die eine - wenn auch häufig hölzerne - Handlung hatten.
Brochhaus lehnt den Fokus auf den männlichen Orgasmus beim Mainstream-Porno ab, aber auch Absurditäten wie das Abspritzen des Mannes in einem sogenannten "Cumshot" am Ende solcher Filme.
Es gibt aber auch Kritik an sogenannten ethischen Pornos, die in vielen Fällen noch schlechtere Arbeitsbedingungen böten, als so manche Hochglanz-Produktionen. Zumindest wird von Kritikern die Ansicht vertreten, es handele sich lediglich um substanzlose PR, wenn mit solchen Labels geworben werde. Schließlich gebe es keine unabhängige Zertifizierung und die Labels seien quasi selbst gebastelt.
Glaubhafte, verallgemeinerbare Aussagen über Arbeitsbedingungen in dieser Branche, etwa von Gewerkschaften (vielleicht von Verdi, weil Dienstleistungsgewerbe?), scheint es bisher nicht zu geben.
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist der Skandal um den angeblich feministischen Pornodarsteller "James Deen" (eigentlich Bryan Sevilla), der Kolleginnen geschlagen und vergewaltigt haben soll. Wie sich ein Darsteller einen solchen positiven Ruf als "feministisch" erarbeiten konnte, obwohl er für die kritische Öffentlichkeit nachprüfbar in pornographischen Gewaltorgien wie gestellten Vergewaltigungen mitgespielt hat, ist rätselhaft.
Aber auch schon die Stars der 1970er-Top-Pornos haben von ihren Missbrauchsbiographien berichtet und geschrieben. Prominent z.B. Linda Lovelace, Hauptdarstellerin von "Deepthroat" aus dem Jahr 1972, eines der berühmtesten Pornos bis dato.
Wenig verwunderlich erfolgt besonders aus feministischer Richtung Kritik an Pornographie. Das Spektrum der Meinungen reicht von radikaler Ablehnung von Pornos im Allgemeinen bis zur Forderung nach ethischen Sexdarstellungen. Die feministische Zeitschrift EMMA hatte bereits 1987 eine Kampagne PorNO! gestartet. Die Sichtweise lautet zusammengefasst seither:
Nach unserer Definition ist Pornografie ausschließlich "die Verknüpfung von sexueller Lust mit Lust an Erniedrigung und Gewalt in Text wie Bild".
Das ist natürlich eine extreme Definition, der sich nicht alle anschließen werden. Die anderen Argumente sind aber für die meisten nachvollziehbarer; wie etwa dass Pornographie die Fantasie beeinträchtige. Kritik kommt teilweise auch von männlicher Seite, so von Ran Gavrieli, für den es sich bei Pornographie um "gefilmte Prostitution"handelt. Er verweist auf das Fehlen leidenschaftlicher Küsse, von Streicheln und Affektion bei der Darstellung von Sexualität in Pornos. Aber auch auf die enge Verknüpfung von Prostitution und Pornographie.
Interessant sind auch die Aussagen der Ex-Prostituierten Ilan Stephani, die im Interview mit der TAZ auf die gesellschaftlich weit verbreitete Verklemmtheit hingewiesen hat. Diese stehe im Zusammenhang mit dem pathologischen Komplex von Gewalt und Sexualität. Für Stephani liegt hier auch ein wesentlicher Grund für das aus ihrer Sicht nicht Funktionieren vieler Beziehungen "im Bett" (was wiederum ein Grund dafür sein könnte, weshalb es überhaupt Menschen gibt, die trotz fester Beziehung, Kunden von Prostituierten werden). Sicherlich spielt auch Pech mit der Auswahl der Partner in Stephanis Leben eine Rolle, wenn sie zu ihrer pessimistischen Einschätzung kommt:
Penis muss in Vagina, das ist so eine enge Vorstellung von Sexualität. Und dann noch in der romantischen Zweierbeziehung. Das haben Hollywood und die Pornoindustrie dann kommerzialisiert. Aus diesen falschen Bildern entstehen sexueller Missbrauch, sexuelle Traumen von Frauen. Und all das lastet auf unserem Sex.
Ilan Stephani
Apropos weibliche Sicht auf Sex: Weibliches Nutzerinnenverhalten und verschiedene Kuriositäten sind den geschlechtsspezifischen Statistiken der Streaming-Plattform Pornhub zu entnehmen. Solche Statistikberichte werden wohl auch als unterhaltsame PR für eine Branche verstanden, die darum bemüht ist, als legaler und ethisch einwandfreier Teil der Gesellschaft angesehen zu werden. Laut dieser international erfassten Statistik, suchen Frauen auf dem Pornonetzwerk vor allem nach den Worten "Lesbian", besonders in westlichen Ländern.
In anderen Regionen wie Nordafrika ist beliebtes Suchwort bei weiblichen Pornokonsumentinnen beispielsweise "Anal" - wohl auch entsprechend regional vorherrschender religiöser Tabus. In Afrika wiederum suchen Frauen demnach besonders häufig nach "Ebony" (=schwarze Hautfarbe), oder nach "Indian" in Indien. In wieder anderen Ländern suchen Frauen besonders nach Pornos, die Menschen verschiedener ethnischer Minderheiten zeigen. Interessant auch das beliebte Suchwort "Verified Couples" (= verifizierte/echte Paare) auf den tiefkatholischen Philippinen.