Mak(z)edonien: Wenn der Name zum casus belli wird
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Der für Außenstehende bizarr anmutende Namensstreit ist für die Balkanregion eine todernste Sache
Der Namensstreit zwischen Griechenland und seiner nördlichen Nachbarrepublik, der gemäß vorläufigem offiziellen Namen "Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien" (EJRM oder Englisch FYROM), geht in die nächste Runde.
Nachdem sich die Außenminister beider Staaten offenbar auf einen Kompromiss geeinigt haben, verwiesen sie die Besiegelung der gefundenen Lösung an ihre Vorgesetzten, die Premierminister Zaev und Tsipras. Jetzt befinden sich beide in der undankbaren Lage, den Kompromiss gegenüber den übrigen Politikern ihres Landes zu verteidigen. Und genau daran scheitern sie.
Bisher war vor allem Griechenland der Verhandlungspartner, der mit Verweis auf die eigene Geschichte, Alexander den Großen und die gleichnamige griechische Provinz Makedonien, im Namen des Nachbarstaats ein Ärgernis sah. Nun gibt es auch aus Skopje, der Hauptstadt der EJR Mazedonien, Querschüsse.
Demonstrationen gegen eine Einigung in beiden Ländern
In der aktuellen Entwicklung überschlagen sich täglich mehrfach die Ereignisse. Mal möchte die vom Patriarchat in Konstantinopel als schismatisch angesehene orthodoxe Kirche der EJRM angeblich auf den Namen "Mazedonien" verzichten, um wieder in die orthodoxe Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Tage später wird dies je nach Lesart dementiert oder zurückgenommen.
Fröhlich verkündeten die Außenminister beider Länder in der vergangenen Woche in Brüssel, dass sie einer Einigung nahe wären. Tage später mokiert die Regierung der EJRM sich über Indiskretionen der Regierung in Athen.
Demonstrationen gegen eine Einigung gibt es in beiden Ländern. Die Bevölkerungen beider Seiten pochen mehrheitlich auf ein Referendum, welches die regierenden Politiker lieber vermeiden würden.
Mazedonier und Makedonier
Viele Bewohner der EJRM möchten schlicht "Mazedonier" sein und demonstrieren dafür in Massendemonstrationen, während die aufgrund der Transkription mit "k" geschriebenen Makedonier Griechenlands und ihre Sympathisanten ihrerseits Massendemos veranstalten, deren Motto "Makedonien ist Griechisch" heißt.
Zu den Gegnern der Einigung zählen in beiden Staaten die konservativen und nationalistischen Parteien. Dabei werden die Gegner eines Kompromisses, der einen anderen Namen als schlicht "Mazedonien" zur Folge hat, in der EJRM vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban unterstützt, während die Schwesterpartei der Fidesz, die Nea Dimokratia, jeden Namen mit einem Namensbestandteil "Mazedonien" rundherum ablehnt.
Die Kirche in Griechenland ist, vertreten durch ihren Erzbischof Ieronymos, der gleichen Auffassung wie die Nea Dimokratia. Ieronymos hörig ist jedoch auch Panos Kammenos, der Parteichef der Unabhängigen Griechen. Der Verteidigungsminister und Koalitionspartner Alexis Tsipras' wird auch mit dem Risiko, die Regierung zu stürzen, keinem Kompromiss zustimmen, der "Mazedonien" als Namensbestandteil enthält.
Sowohl in der EJRM als auch in Griechenland verfügen die Premierminister nicht über eigene Mehrheiten, welche den Kompromiss mit der jeweils notwendigen Mehrheit durchs Parlament bringen könnten. Sie sind beide auf Oppositionsstimmen angewiesen.
Dabei ist in Griechenland noch zu beachten, dass ein Detail der Verhandlungen nicht nur rechtskonservative, sondern auch linke und kommunistische Politiker stört: Der Kleinstaat soll in die NATO eingebunden werden, was wiederum Ängste auf anderer Ebene weckt.
Schließlich wurde dem Milliardär und Spekulanten George Soros eine Nähe zum aktuellen Premierminister Zaev nachgesagt, welche die politische Position Zaevs gegenüber den Nationalisten nachhaltig schwächt.
Alle wollen "ihr" Mak(z)edonien
Der für Außenstehende bizarr anmutende Namensstreit ist für die Balkanregion eine todernste Sache. In einem Namen, vor allem wenn er als Selbstbezeichnung gewählt ist, sehen einige Zeitgenossen einen Hinweis auf Charaktereigenschaften der Person.
Wenn es sich gar um einen Staatsnamen handelt, der gleichzeitig mit einer zum Nachbarstaat gehörenden Provinz historisch verbunden ist, dann wird es je nach Temperament der Bevölkerung kritisch. In Brüssel bei der EU und in Berlin gibt es für derartige Befindlichkeiten kaum Verständnis.
Die Bundesregierung drängt ebenso wie NATO und EU auf eine rasche Lösung des Streits. Nur ist keiner der Drängenden in der Lage, die eigenen Bundesgenossen in beiden Ländern vom Vorhaben zu überzeugen.
Die EJRM, wie sie des lieben Friedens willen von mit Griechenland verbundenen Journalisten genannt werden darf, soll in die Europäische Union und die NATO aufgenommen werden. Ohne endgültigen, offiziellen Namen geht das jedoch nicht. "Skopje", wie der Staat in Griechenland in Reduzierung auf seine Hauptstadt genannt wird, entstand aus dem Zerfall Jugoslawiens.
Vereinigtes Mazedonien, Großbulgarien, Großalbanien, Großgriechenland
Auch als Bundestaat führte der Staat den Namen Mazedonien, was vielen Griechen schon damals ein Dorn im Auge war. Sie sehen in der Usurpation des Namens eine Gefahr und eine Ankündigung künftiger Gebietskonflikte, zumal in "Skopje" einige Zeitgenossen von einem vereinigten Mazedonien mit der Hauptstadt Thessaloniki träumen.
Von einem Großbulgarien samt dem geographischen Mazedonien schwärmen bulgarische Nationalisten und auf ein Großalbanien strebende Albaner würden am liebsten den Kosovo und die EJRM in ihren Staat einverleiben. Die Albaner bilden die größte ethnische Minderheit in der EJRM.
Es sollte nicht verschwiegen werden, dass auch unter den Griechen Propagandisten eines Großgriechenlands existieren, die gern mit der nördlichen Nachbarrepublik der EJRM eine gemeinsame Landesgrenze hätten.