Mal wieder in privater Runde plaudern
Zeitgleich mit George W. Bushs Staatsbesuch trifft sich die dubiose Bilderberg-Konferenz 2004 in diesen Tagen in Italien
In diesen Tagen, vom 3. bis 6. Juni, trifft sich im italienischen Stresa die alljährliche Bilderberg-Konferenz mit Persönlichkeiten aus aller Welt. Neben einer Diskussion weltpolitischer Fragen wird die versammelte Elite dieses Mal ein besonderes Jubiläum feiern können: Die Konferenz findet im 50. Jahr statt. Unter der Schirmherrschaft von Prinz Bernhard von den Niederlanden trafen sich ihre Vorgänger 1954 erstmals in einem Hotel namens Bilderberg in Holland. Dass das Jubiläum einen hässlichen Fleck hat, wird die Teilnehmer kaum kümmern. Auf dem Höhepunkt des Lockheed-Korruptionsskandals um Prinz Bernhard wurde die im April 1976 angesetzte Jahreskonferenz abgesagt, um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Zählt man also genau, kommt man dieses Jahr erst auf 49.
Hauptmerkmal der Bilderberg-Konferenz (Keine Angst vor den globalen Eliten) ist die Geheimniskrämerei und die "Privatheit" der dortigen Diskussionen. Die Teilnehmer verpflichten sich, nach außen keine Angaben über ihren Inhalt zu machen. Mit wenigen Ausnahmen wird in den großen Nachrichtenmedien auch nicht über die Konferenz berichtet - was aufgrund der hochkarätigen Teilnehmer verwundert. Andererseits allerdings nehmen Agenturleiter, Zeitungschefs, Herausgeber und ausgewählte Journalisten selbst aktiv an Bilderberg teil, darunter beispielsweise Vertreter von Time Warner, des Wall Street Journal, der Los Angeles Times, der Zeit, der Washington Post, von Le Monde, Hürriyet oder der Financial Times. Das ausbleibende Medienecho könnte durchaus gewünscht sein. So meint der ehemalige Journalist der Financial Times, Gordon Tether, wegen seiner kritischen Anmerkungen zur Bilderberg-Konferenz gefeuert worden zu sein.
Bis heute steht eine seriöse Untersuchung über Einfluss und Geschichte der Konferenz aus. Ein ursprünglich für 2001 angekündigtes Buch von der preisgekrönten Journalistin Renata Adler über Bilderberg wurde letztes Jahr möglicherweise auf Druck von Bilderberg-Teilnehmern abgeblasen (Bilderberg-Untersuchung endgültig abgeblasen). Adler selbst wollte sich gegenüber Telepolis nicht dazu äußern. Regelmäßig berichtet wird in den letzten Jahren nur bei BBC, so auch am Donnerstag. Aber auch in diesen Berichten steht im Mittelpunkt, dass es eigentlich nichts Genaues zu berichten gibt.
Auf der von der Bilderberg-Konferenz herausgegebenen und mittlerweile im Internet kursierenden Teilnehmerliste für 2004 stehen wie gewohnt einflussreiche Personen wie Mario Monti, Wettbewerbskommissar der EU, John Browne, Chef von British Petroleum, John Kerr, Chef von Rio Tinto und Shell, Antony Burgmans, Chef von Unilever, Peter Weinberg, CEO von Goldman Sachs International, Franco Bernabe, Vizepräsident Rothschild Europa, Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, James D. Wolfenson, Präsident der Weltbank, Donald Graham, Chef der Washington Post Company, Indra K. Nooyi, Chef von PepsiCo, George A. David, Chef der Coca-Cola Hellenic Bottling Company, der türkische Wirtschaftsminister Ali Babacan, aber auch Leute wie Daniel Borel, Vorsitzender von Logitech International und Gates-Ehefrau Melinda. Wie immer mit dabei: David Rockefeller und Henry Kissinger.
Wenig verwunderlich ist es, dass in diesem Jahr der kanadische Bilderberg-Koordinator und Medienunternehmer Conrad Black nicht teilnimmt - ein im vergangenen Jahr ans Tageslicht gelangter Skandal um Täuschung der Aktionäre und Vorteilnahme (Bilderberger stolpert: Selbstbereicherung und Täuschung der Aktionäre) hat ungeahnte Proportionen angenommen. Die von Black aufgebaute internationale Mediengruppe Hollinger International hat ihren ehemaligen Chef inzwischen auf Zahlung von 1,25 Milliarden US-Dollar verklagt.
Gerüchten zufolge könnte US-Präsident Bush, der sich zur 60-Jahr-Feier von "D-Day" in Italien aufhält, kurz bei der Konferenz auftauchen, um für eine Unterstützung seiner Irak-Politik zu werben. "Als ich das erste mal von dem Vorhaben eines US-Angriffs auf den Irak gehört habe, ist diese Information aus dem Bilderberg Meeting 2002 durchgesickert", zitiert Jonathan Duffy von der BBC etwa den Bilderberg-Kritiker Tony Gosling.
Aus Deutschland sollen nach Teilnehmerliste unter anderem der Vorstandsvorsitzende von DaimlerChryler, Jürgen Schrempp, Bundesinnenminister Otto Schily, Post-Chef Klaus Zumwinkel und der Vorstandschef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, dabei sein. Nach den Turbulenzen der letzten Wochen könnten sich Zumwinkel und Ackermann im Grand Hotel des Iles Borromees im italienischen Stresa ganz ungezwungen noch einmal über den Börsengang der Postbank unterhalten. Die Preisspanne der Postbank-Aktien soll nach einem ARD-Bericht am kommenden Wochenende veröffentlicht werden. Allerdings sagte ein Sprecher der Deutschen Post gegenüber Telepolis, dass Zumwinkel in diesen Tagen definitiv nicht an einer Konferenz in Italien teilnehme. Über die Bilderberg-Konferenz und eine Teilnahme von Ackermann gab es von einem Sprecher der Deutschen Bank auf Anfrage von Telepolis keinen Kommentar. Keinen Kommentar gab es auch von DaimlerChrysler und vom Bundesinnenministerium. Ob und welche Rückschlüsse daraus zu ziehen sind, bleibt offen.
Während Veranstaltungen und Konferenzen etwa des Weltwirtschaftsforums (WEF) oder der Welthandelsorganisation (WTO) regelmäßig von Demonstrationen und Protesten begleitet werden, nimmt die kritische Öffentlichkeit auch in diesem Jahr so gut wie keine Notiz von der Bilderberg-Konferenz. Die mangelhafte Informationspolitik und der Kreis der Teilnehmer wären Grund genug.