Mallorca im Sturmtief: Worauf sich Spätsommer-Touristen einstellen sollten
Unwetter über den Balearen werden häufiger. Ursache: extreme Temperaturunterschiede zwischen Wasser und Luft. Dies könnte ein Vorgeschmack auf kommende Wetterlagen sein.
Abgesagte oder umgeleitete Flüge, Turbulenzen, umgestürzte Bäume, überflutete Straßen, Badeverbote - die spanische Urlaubsinsel versank am Sonntag im Sturmchaos: Heftige Böen mit 80 bis 100 Kilometer fegten über Mallorca. Auf den Balearen herrschte die Alarmstufe Orange, das bedeutet: hohes Risiko.
Mit am stärksten betroffen war die Gemeinde Palma, aber auch die Gemeinde Calviá im Südwesten Mallorcas. Mehr als dreißig Straßen sollen aufgrund von umgestürzten Bäumen oder anderen Hindernissen gesperrt worden sein.
Laut Angaben der Hafenbehörde der Balearen hatte sich wegen der starken Winde ein Kreuzfahrtschiff losgerissen, das mit einem festgemachten Öltanker kollidierte. Zwei deutsche Segler, die am Sonntag an der Südküste von Mallorca unterwegs waren, werden immer noch vermisst
Mit knapp 30 Grad ist das Meer um Mallorca in diesem Jahr extrem warm. Daher falle der so genannte Kaltlufttropfen in diesem Jahr besonders heftig aus, wie es hieß. Kalte Luftmassen aus dem Norden erreichen Mallorca und treffen dort auf das warme Mittelmeer. Wegen der hohen Temperaturen verdampft mehr Wasser. Je mehr Wasserdampf in der Luft angereichert ist, desto mehr Energie steht Stürmen und Gewittern zur Verfügung, umso heftiger können diese ausfallen.
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Im Herbst müsse man mit so genannten Medicanen rechnen, einer Art Hurrikan im Mittelmeer. Damit dieser entsteht, braucht es einen Temperaturunterschied zwischen kalter Luft in der Höhe und hohen Wassertemperaturen, so wie sie derzeit im Meer vorherrschen. Die Regenmengen bei derartigen Stürmen seien enorm, warnen Wetterexperten. Da können schon mal bis zu 400 Liter auf den Quadratmeter niedergehen.
Medicane sind ähnlich wie tropische Wirbelstürme, aber kleiner und weniger starke Windböen von 100 bis 120 Stundenkilometer. Treffen diese Stürme, begleitet von Regen, aufs Land, machen sie sich allerdings stärker bemerkbar als auf hoher See, weiß Agustín Jansà, pensionierter Meteorologe und Mitarbeiter der Balearen-Universität.
Auf Mallorca hat es bereits drei oder vier solcher Unwetter gegeben, etwa jenes vom 2. Oktober 1986, das erhebliche Schäden bei der Nautikmesse anrichtete, die seinerzeit in Palma stattfand. Dabei wurden einige Boote beschädigt. Bei anderen Gelegenheiten traten diese Sturmtiefs auch im Winter auf, aber verblieben auf dem offenen Meer
Mit steigenden Temperaturen häufen sich die Stürme
Karibische Temperaturen erreichte das Mittelmeer rund um die Balearen auch im letzten Jahr. Vielerorts war es insgesamt drei bis sechs Grad zu warm. Damit steige die Gefahr für schwere Stürme und Gewitter, einhergehend mit Überschwemmungen, Schlammlawinen und umstürzenden Bäumen, warnte Silke Hansen vom ARD-Wetterkompetenzzentrum. Unwetter wurden im gesamten Mittelmeerraum angekündigt. Das Unwetter sei ein Vorgeschmack auf den Herbst. Mit anderen Worten: Mallorca-Urlauber müssen sich bis zum Ende der Saison auf weitere Stürme gefasst machen.
Bereits Ende Februar/Anfang März hatte ein Sturmtief auf den Balearen für Chaos gesorgt: Kälte, Schnee, Regen und Sturm verursachten Stromausfälle, etliche Straßen wurden gesperrt. Während in höheren Lagen bis zu einem Meter Neuschnee fiel, regnete es in niedrigeren Lagen heftig. Kleine Bäche wurden zu reißenden Flüssen und traten über die Ufer.
Der Asphalt hielt den Wassermassen nicht mehr stand, so dass Straßendecken einstürzten. Aufgrund des Windes und der bis zu zehn Meter hohen Wellen herrschte an den Küsten im Osten und Süden Mallorcas Warnstufe Orange.
Mittelmeerraum: Hotspot des Klimawandels
Weil die Wassertemperaturen steigen, ändert sich auch das Leben im Meer, weiß Inna Sokolova von der Universität Rostock. Arten, die an niedrigere Wassertemperaturen gewöhnt sind, sterben aus oder werden verdrängt, so die Meeresbiologin. Ist die Wassertemperatur um sechs Grad höher als gewöhnlich, wirkt sich dies auf die Zusammensetzung der im Meer lebenden Arten aus und damit auch auf die komplexen Nahrungsketten. So werden Teile der Ägäis gerade von Seeigeln erobert, die aus dem Roten Meer oder dem Indischen Ozean stammen. Auch tropische Meerestiere wie die riesige Nomaden-Qualle breiten sich seit Jahrzehnten verstärkt im Mittelmeer aus,
Die Vereinten Nationen und der Weltklimarat (IPCC) bezeichnen den Mittelmeerraum - Heimat von mehr als 510 Millionen Menschen - nicht umsonst als Hotspot des Klimawandels: Der Mittelmeerraum erwärmt sich um 20 Prozent schneller als der globale Durchschnitt. An den Küstengebieten sind häufiger Überschwemmungen zu erwarten, einhergehend mit Erosion und Versalzung von Flussdeltas und Grundwasser. Das gefährdet die Ernährungssicherheit und Lebensunterhalt von Millionen Menschen.
Der Wasserbedarf wird sich bis 2050 voraussichtlich verdoppeln oder sogar verdreifachen. Gleichzeitig werden bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad Celsius die Niederschläge um 10 bis 15 Prozent zurückgehen. Ein Anstieg von zwei auf vier Grad Celsius würde die Niederschläge in Südeuropa um bis zu 30 Prozent verringern. Die Wissenschaftler rechnen damit, dass die Wassertemperatur bis zum Jahr 2100 um 1,8 bis 3,5 Grad ansteigt, mit Hotspots in Spanien und im östlichen Mittelmeerraum.
Damit werden die bereits strapazierten Ökosysteme zusätzlich unter Stress gesetzt. Zudem werden Volkswirtschaften und Gesellschaften immer anfälliger. Im Rahmen des regionalen Aktionsplanes des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP/MAP) zum Schutz der Meeresumwelt und der Küstenregionen des Mittelmeers haben sich 21 Länder und die Europäische Union zusammengetan, um den Schaden zu begrenzen.
Bissige Fische zwicken Badegäste
Auf Mallorca klagen Touristen immer häufiger über Bisswunden durch Fische, genauer gesagt durch Geiss- und Brandbrassen. In der Regel handelt es sich um erst wenige Tagen oder Wochen alte Jungtiere, die oft klein und transparent sind, erklärt Silvia García von der Umweltschutzorganisation Ozeana.
Ausgewachsene Exemplare halten sich vom Menschen fern, Wegen der höheren Wassertemperaturen fänden die Fische nicht genug Nahrung und knabbern alles an, was essbar aussieht – dazu gehört menschliche Hornhaut und Hautabschürfungen an Füßen und Beinen. Durch den Klimawandel werde die Situation weiter verschärft, vermutet die Meeresbiologin.
Die Wassertemperatur habe einen großen Einfluss auf die ektothermen Tiere, glaubt auch Pablo Arechavala vom Meeresforschungsinstitut Imedea. Ihre Körpertemperatur wird durch die Außentemperatur proportional gesteuert. Die steigenden Temperaturen treiben ihren Stoffwechsel an und erhöhen somit ihren Nahrungsbedarf. In Zeiten von zunehmendem Tourismus gewöhnen sich in Ufernähe lebende Fischpopulationen mehr und mehr an badende Urlauber.
Häufig würden Fische sogar gefüttert. Daher bringen die Tiere die Urlauber wahrscheinlich mit Nahrung in Verbindung, so der Meeresbiologe. Infolge dessen hätten die Fische keine Angst mehr vor Menschen und würden verschiedene Fressstrategien ausprobieren.
Bereits in der Vergangenheit stellten Meeresbiologen die These auf, dass bei steigenden Wassertemperaturen die zwickenden Fische häufiger in flachen Gewässern mit sandigem Untergrund auf Nahrungssuche gingen als früher. Zudem pflanzen sich einzelne Arten im Sommer fort und könnten daher phasenweise aggressiv werden.