Markt versus Sozialverträglichkeit?
Die Position der Wohnungsbaugenossenschaften im Streit um die Mietenregulierung
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat nach monatelangem Streit das "Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung" beschlossen. Der sogenannte Mietendeckel tritt am 23. Februar in Kraft.
Das Prinzip des Mietendeckels ist streitbar. Auf der einen Seite steht die Forderung nach Sozialverträglichkeit, die nicht auf einen Preismechanismus vertrauen will, der für viele Menschen keine tragbare Wohnungsversorgung hervorzubringen scheint. Dagegen hält die Denkweise des freien Markts, die im Falle eines Eingriffs in dessen Mechanismen eine Situation vorhersagt, in der alle noch schlechter gestellt werden.
Zu den kritischen Stimmen zählt auch die der Berliner Wohnungsbaugenossenschaften, die ihrerseits als etablierte Form sozialverträglicher Wohnraumorganisation eine besondere Rolle im Geschehen innehaben.
Die vorgelegte Version eines Mietendeckels würde die Nettokaltmieten für die nächsten fünf Jahre auf den Stand des jeweiligen Mietverhältnisses begrenzen, der am 18. Juni 2019 gültig war. Zusätzlich wurden Mietobergrenzen in Abhängigkeit von Alter und Ausstattung der Wohnungen formuliert. Mieter*innen bestehender Mietverhältnisse, die mehr als 20 Prozent über den Obergrenzen liegen, sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Mieten zu mindern.
Auf welche Problemlage in dieser kraftvollen Gesetzesvorlage reagiert wird, scheint offensichtlich. In der Diskussion um Wohnraum wird der Begriff "bezahlbar" oft verwendet. Ein Drittel des Nettoeinkommens für die Kaltmiete gilt als Höchstgrenze dessen, was sich Mieter*innen langfristig an Wohnraum leisten können. Das ist eine Regel, die bei hohen und steigenden Mietpreisen zumindest in Großstädten erst ab einem bestimmten Einkommen greifen kann.
In kritischer Haltung zur Anwendung von Durchschnittswerten und Städtevergleichen in der Diskussion um die Wohnungssituation wurde aus dem Forschungsprojekt "Sozialer Wohnversorgungsbedarf" der Humboldt-Universität zu Berlin und der Goethe-Universität Frankfurt a.M. 2017 ein Bericht veröffentlicht, der die Wohnverhältnisse in den deutschen Großstädten differenzierter sichtbar machen sollte. "Herausgekommen sind gravierende Unterschiede, nicht nur zwischen den Städten, sondern vor allem zwischen verschiedenen Einkommensgruppen".
So wird unter anderem der direkte Vergleich zwischen Haushalten unterhalb der Armutsgrenze und Haushalten mit besonders hohem Einkommen gezogen. Einer Mietbelastung von 40 Prozent der niedrigen Einkommen standen demnach 17 Prozent bei den besonders hohen gegenüber - trotz weitaus geringerer Wohnfläche. Etwa 1,3 Million Haushalte sollen nach der Mietzahlung über Resteinkommen unterhalb des Niveaus der Regelsätze der sozialen Transferleistungen verfügen.
Teil dieser Dynamik ist die Alternativlosigkeit im Bereich der niedrigsten Mieten. Liegen die Wohnkosten außerhalb des ‚bezahlbaren‘ Rahmens - zum Beispiel weil ein Finanzamt die Vermieter*innen für ‚zu niedrige‘ Mieten abgemahnt haben könnte - würde das einen Wohnungs- oder Wohnortwechsel bedeuten, vielleicht samt Jobsuche und Verlust des sozialen Umfelds.
In dem Bericht heißt es, um Obdachlosigkeit zu vermeiden werde stattdessen in anderen Lebensbereichen gespart. Einer der Gründe also, warum sich der Mietmarkt nicht vor der Nachfrageseite zu fürchten braucht. Die Preisfrage lautet: Kann dem freien Wohnungsmarkt unter diesen Umständen eine sozialverträgliche Lösung der Situation anvertraut werden?
Der Senat von Berlin sieht Interventionsbedarf und argumentiert mit einem stetigen Missverhältnis von Angebot und Nachfrage: "Die Hauptursache dieser Wohnungsmarktentwicklung ist die seit Jahren steigende Nachfrage nach Wohnraum im Land Berlin. Diese Nachfrage konnte bislang nicht durch eine entsprechende Angebotserweiterung - vor allem durch Wohnungsneubau - gedeckt werden."
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