Markt versus Sozialverträglichkeit?
Seite 2: Was kritisieren die Berliner Wohnungsbaugenossenschaften an der Gesetzesvorlage?
- Markt versus Sozialverträglichkeit?
- Was kritisieren die Berliner Wohnungsbaugenossenschaften an der Gesetzesvorlage?
- Genossenschaftliches Wohnen als eigene Zukunftsperspektive?
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Die starke Kritik der Berliner Wohnungsbaugenossenschaften am Entwurf zum Mietendeckel bezieht sich in einigen Punkten auf die eigenen Belange des genossenschaftlichen Wirtschaftens. Im weiteren wird mit Dynamiken des Markts allgemein und negativen Folgen auch für Nicht-Mitglieder argumentiert.
Die allgemeine Kritik betrifft die Erwartung, durch den Mietendeckel werde Investition in Wohnraum unrentabel, wodurch die Problemlage verstärkt werde. Arbeitsplätze in der Handwerks- und Baubranche und bei den Genossenschaften selbst seien gefährdet. Ein weiteres Problem wird darin gesehen, dass der Mietspiegel nach Ablauf der Gültigkeit des Gesetzes nicht mehr herangezogen werden könne, um Mieterhöhungen einzugrenzen. Der Mietspiegel "kann nämlich nur auf Grundlage von Mieten ohne staatliche Beeinflussung erstellt werden - und würde mit einem Mietendeckel deshalb ausgehebelt." Eine Verwaltungsüberlastung bei den Behörden durch zusätzliche Prüf- und Kontrollaufgaben wird vorhergesagt.
Für die eigenen Belange der Berliner Wohnungsbaugenossenschaften dreht sich die Kritik um die Gleichstellung ihrer gemeinnützigen Investitionsperspektive mit dem Profitstreben von Spekulant*innen. Bei steigenden Löhnen, Gehältern und Baupreisen werde verhindert, dass sie Rücklagen bilden und im Interesse ihrer Mitglieder investieren können. Es werde in die genossenschaftliche Substanz eingegriffen.
"Statt Genossenschaften, insbesondere junge, zu fördern, wie es die Parteien des Berliner Senats im Koalitionsvertrag verabredet haben, würden sie eben diese Unternehmensform signifikant schwächen." Rückwirkende Senkungen der Nutzungsentgelte seien ein Angriff auf die Rechtssicherheit, der bereits gewährte Kredite ins Wanken bringe. Das für Genossenschaften typische Niveau der Wohnungen und Wohnumfelder wäre nicht mehr haltbar. Ebenso das soziale Engagement der Genossenschaften: "Kooperation mit Kitas, Organisation von Freizeitaktivitäten, Schul- und Bildungsarbeit, Sponsoring und Kulturunterstützung."
Inwiefern unterscheiden sich die Wohnungsbaugenossenschaften aber von anderen Vermieter*innen im Wohnungsmarkt?
Ihre Besonderheit besteht darin, dass ihre Organisationsstruktur die Interessen der Mieter*innen und der Eigentümer*innen in ein- und derselben Personengruppe vereint. So wird Sozialverträglichkeit nach einer anderen Logik im Marktgeschehen verankert, als es ein Mietendeckel tun würde. Allerdings unter Begrenzung auf Mitglieder, was die Frage aufwirft, wie sich der Zugang hierzu für die Menschen gestaltet, die von der aktuellen Situation besonders belastet werden.
Für Wohnungsbaugenossenschaften ist die Förderung ihrer Mitglieder Dreh- und Angelpunkt ihres Handelns. Dabei sind sie mehr als ein Zusammenschluss von Wohnraumnutzer*innen zum kollektiven Eigentum. Die Mitglieder erschaffen sich nicht nur eigenen Wohnraum, sondern übernehmen auch Verantwortung für die Schaffung von Wohnraum für weitere Mitglieder. Darauf beruhen ihre Gemeinnützigkeit und ihre vergleichsweise erschwinglichen Mieten oder Nutzungsentgelte.
Die durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter liegt bei den Berliner Wohnungsbaugenossenschaften nach eigenen Angaben mehr als einen Euro unter dem Mietspiegeldurchschnitt der Hauptstadt - "Bei gleichzeitig gesetzlich verbriefter Mitbestimmung, lebenslangem Wohnrecht, starkem Quartiersengagement, lebendigen Nachbarschaften und überdurchschnittlichem Modernisierungsstand der Wohnungen." Was hat es zu bedeuten, dass eine derart etablierte und der Sozialverträglichkeit gewidmete Institution die Maßnahme der Mietendeckelung vehement ablehnt?
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