Markt versus Sozialverträglichkeit?

Seite 3: Genossenschaftliches Wohnen als eigene Zukunftsperspektive?

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Trauen die Berliner Wohnungsbaugenossenschaften stattdessen den Marktmechanismen zu, eine Verbesserung der Situation hervorzubringen? Eher kann ihre eigene Herangehensweise als weitere Alternative zu freihändigem Marktvertrauen oder Übernahme der Steuerung durch den Staat verstanden werden. Ihr Positionspapier erwähnt neben der Kritik am Mietendeckel auch zwei Ansätze zu Behebung des Problems.

Sie nennen die Verstärkung des Neubaus, die marktverträgliche Maßnahme schlechthin, die das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage beheben soll. Neubau besonders auch in genossenschaftlicher Hand: "Wenn sie bezahlbares Bauland bekommen, die Zusammenarbeit mit den Baubehörden funktioniert und sie wirtschaftlich handeln können, schätzen Berlins Genossenschaften ihre potenzielle Neubauleistung auf rund 2.000 neue Wohnungen - pro Jahr."

Zweitens sei das geltende Mietrecht in Deutschland eines der stärksten Europas. Notwendig sei nur eine wirkungsvolle Durchsetzung der bereits geltenden Rechte für Mieter*innen und der Schutz und die Einhaltung des Mietspiegels.

Auffällig ist, dass der Entwurf zum Mietendeckel zwar Ausnahmen vorsieht, aber nicht auf die besondere Situation der Wohnungsbaugenossenschaften eingeht. Deren Kritik wurde dem Gesetzesentwurf neben anderen Stellungnahmen erwähnend angehängt. Ist wirklich kein Dialog zwischen diesen beiden starken Ansätzen für sozialverträgliches Wohnen möglich?

Die Haltung der Berliner Wohnungsbaugenossenschaften ist deutlich: "Der Mietendeckel wäre ein bislang beispielloser, tiefgreifender Eingriff in die gesetzlich verbriefte genossenschaftliche Selbstverwaltung und auch in das Genossenschaftsgesetz. (…) Machen wir uns nichts vor: Das wäre der Einstieg in die staatliche Bevormundung und Vereinnahmung von Genossenschaften - zu Lasten der Eigentümer: der Mitglieder."

Könnte und müsste ein Mietendeckel nicht sensibel gestaltet werden für die Belange der Institution, die aus eigenem Antrieb und seit Langem eines der sozialverträglichsten Modelle hervorgebracht hat? Mit der Gemeinnützigkeit der Genossenschaften könnte argumentiert werden, warum sie zu den Ausnahmen zählen und ihre Nutzungsentgelte ungehindert selbst bestimmen sollten. Könnten nicht sogar die genossenschaftlichen Nutzungsentgelte und deren Erhöhungen als gesunder Maßstab in die Bemessung von Obergrenzen einfließen, wie sie in der Gesetzesvorlage zum Mietendeckel formuliert wurden? Was würde das für die Kritik der Wohnungsbaugenossenschaften bedeuten, die schließlich auch umfassend mit allgemeinen Dynamiken des Marktes argumentiert?

Diskussion in Bayern unter anderen Vorzeichen

Auch Bayern steht vor dieser Diskussion: Das Volksbegehren "6 Jahre Mietenstopp" gab vergangenen Donnerstag bekannt, die erste Hürde zur Behandlung des Anliegens im Landesparlament mit knapp 52 000 gesammelten Unterschriften überwunden zu haben. Die Initiator*innen argumentieren mit dem Bedarf an einer schnellen Veränderung der aktuellen Lage und einer "Atempause". Hierfür "sollen die Mieten in 162 Städten und Gemeinden sechs Jahre lang eingefroren werden." Im bayerischen Entwurf wird nicht mit zusätzlichen Höchstgrenzen für den Mietpreis gearbeitet.

Genossenschaftliche Wohnformen müssen besondere Beachtung finden. Sonst zerstört eine sozial gedachte Maßnahme nebenbei eine der wichtigsten Formen sozialverträglicher Wohnraumorganisation im bestehenden Markt und eine der greifbarsten Zukunftsperspektiven für dessen Verbesserung.

In den Eckpunkten des bayerischen Volksbegehrens werden sogenannte "Fairmieter" genannt, deren Belange beachtet werden sollen. Für diese Vermieter*innen sowie für Genossenschaften sei genügend Spielraum in einer Ausnahmeregelung vorgesehen.

Doch auch der Verband Bayerischer Wohnungsunternehmen, der zu einem großen Teil aus Wohnungsbaugenossenschaften besteht, äußerte sich kürzlich mit unnachgiebiger Kritik: "Wer wirklich Abhilfe schaffen will, muss für mehr Wohnungsneubau sorgen. Regulatorische Eingriffe bringen uns nicht weiter." Ungeachtet der angekündigten Ausnahmeregelung wird auch hier mit kalkulierbaren Einnahmen als Notwendigkeit für Investition und Neubau in den Händen gemeinnütziger Wohnungsunternehmen argumentiert.

Dieser Lösungsansatz hat einen Haken. In den Worten des VdW Bayern: "Vor allem in Städten mit Wohnungsengpässen und hohen Mieten gibt es lange Wartelisten für den Erwerb eines Genossenschaftsanteils."

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