Marx und die Roboter
Seite 3: Digitalinstitute - trojanische Pferde von Industrie und Digitalwirtschaft?
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- Die Maschine, die keine Spezialmaschine ist
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Es ist keine Frage, dass dies auf einer so abstrakten Ebene leicht gesagt ist und die Schwierigkeiten mit zunehmender Annäherung an die Ebene der Konkretion gewaltig zunehmen würden. Darum würde man denken, es wäre ein gute Idee, einer solchen Zielsetzung Forschungsaufwand zu widmen. Nun sind ja in jüngerer Zeit Forschungsinstitute wie etwa das Einstein Center Digital Future oder das Weizenbaum-Institut in Berlin gegründet worden. Eine wie hier skizzierte transformative Tendenz ist in den bisher realisierten Forschungsvorhaben dieser Institute aber bislang völlig ausgeblendet.
Die Industrie selbst wird ihr Interesse an der Fortentwicklung der digitalen Technologien in diesem Sinne natürlich irgendwann verlieren, und es näherte sich darum just der Moment, von dem Marx sprach: Die Geburt des Neuen müsste nun eingeleitet und die Geburtswehen nach Möglichkeit abgekürzt werden. Statt der Industrie, die an Gewinnen interessiert ist, müsste die aufgeklärte Gesellschaft selbst investiv tätig werden, geleitet vom Motiv der Schaffung einer - wirtschaftlich ebenso sehr wie biologisch bzw. ökologisch - lebensfähigen Welt für ihre Kinder und Kindeskinder, statt vom Interesse an Wachstum und Gewinnen. Dabei sollte man eigentlich hoffen dürfen, dass die Vertreter der Industrie und des Großkapitals, die ja selbst wie auch deren Kinder in keiner anderen Welt als auf diesem unserem Heimatplaneten leben können, an der Mitwirkung an einer alle Interessen vereinigenden nachhaltigen Lösung früher oder später selber Interesse finden.
Noch hat es aber eher den umgekehrten Anschein. Ein Beispiel: Wissenschaftlich kann man diesen systemtranszendierenden Trend der Digitalisierung im Kontext des überreifen Spätkapitalismus einfach radikal umdefinieren - und behaupten, das Digitale ersetze nun das Kapital, und aus dem Marxschen Kapital werde das (Mayer-Schönbergersche) Digital. Aus dem Marxschen Warenkapitalismus werde so ein ganz neuartiger Datenkapitalismus, und der könne nun, allen Marxschen Analysen zum Trotz, in Ewigkeit weiterleben. Diese Botschaft wurde in interessierten Kreisen natürlich mit Freude vernommen.
Es hat lange gedauert, bis sich mit Evgeny Morozow ein namhafter Intellektueller dieser kuriosen Idee eines Datenkapitalismus angenommen und sie in seine substanzlosen Bestandteile zerlegt hat. Wenn man nun sieht, dass jemand wie Viktor Mayer-Schönberger als eine Art Mastermind hinter dem 2017 gegründeten Weizenbaum-Institut steht und es personell und programmatisch mitgestaltet, darf man erahnen, dass das leitende Erkenntnisinteresse dieses Institutes eher in Richtung Datenkapitalismus gehen wird als in Richtung Transzendierung des Kapitalismus.
Die Öffentlichkeit lässt sich hoffentlich nicht täuschen. Marx würde wissen, dass die Roboter und das Digitale Revolutionäre sind. In seiner Rede auf der Jahresfeier des "People's Paper" sagte er 1858: "Dampf, Elektrizität und Spinnmaschine waren Revolutionäre von viel gefährlicherem Charakter als selbst die Bürger Barbès, Raspail und Blanqui." Um wie viel mehr würde er das von den uns heute verfügbaren viel mächtigeren intelligenten Maschinen wissen.
Natürlich bedeutet das nicht, dass Technik und Maschinerie gesellschaftliche Veränderungen selbst und automatisch herbeiführen - was nie jemand behauptet hat. Aber ohne diese materiellen Mittel ist jeder Impuls zur Veränderung macht- und hilflos. Lassen wir uns also nicht einreden, die Welt des Kapitals und der Industriebetriebe müsse ewig bleiben wie sie war - nur damit das Kapital in Ewigkeit risikolose Renten eintreiben kann. Vielleicht kommt uns heute ein Revolutionär zur Hilfe, mit dem Marx noch nicht rechnen konnte: nämlich die die Welt und das Leben auf ihr bedrohende Klimakatastrophe und die gegen sie und für ihre Zukunft kämpfenden jungen Menschen - vielleicht Revolutionäre von noch gefährlicherem Charakter als selbst die Bürger Barbès, Raspail und Blanqui.
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