Maschine ohne Gewissen

Seite 2: Philosophie auf Abwegen: Cyborg im Hegel-Seminar

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Dirk Baecker irrt, wenn er schreibt: "Je genauer man versteht, worum es sich bei künstlicher Intelligenz handelt und nicht handelt, desto unklarer wird der vermeintliche Gegenbegriff." Denn eigentlich bleibt nur die Frage: Ist menschliche Intelligenz Künstliche Intelligenz plus Emotionen? Oder minus Emotion? Ist Emotion ein Defizit oder ein Evolutionsvorteil? Ist Emotion der Hort der Freiheit? Wenn perfekte Intelligenz dazu führt, dass man - durch Fehlerfreiheit - Muster perfekt erkennen und Voraussagen perfekt treffen kann, ist Emotion dann Schutz davor?

Und wie intelligent ist die emotionale Intelligenz? Wie intelligent ist Intuition? Die mentale, kognitive, "bewusste" Intelligenz besteht doch eher darin, zögern zu können, den Sinn offen halten zu können, und das Gegebene nicht nur hinzunehmen, sondern zwischen "sinnvoll" und "sinnlos" unterscheiden zu können.

Hegel und Habermas setzen auf die Einheit der Vernunft, jenseits der neurowissenschaftlichen Limitierungen, jenseits der chemischen Abgründe der Psyche, jenseits der Soziologie der Gesellschaft und der Rechenoperationen der Informatik.

Aber der neueste Terminator ist genau der Triumph der letzteren. Die Maschine ohne Gewissen ist das Gelingen der Absicht, jede kognitive Leistung operativ nachbauen zu können.

© 20th Century Fox

Was für eine Vorstellung: Ein Roboter wird eingesetzt, um das Menschliche zu schützen, um das Fortbestehen der Menschheit zu sichern. Er ist eine Art übermenschlicher Sklave, der viel stärker ist, viel mehr Fähigkeiten hat als jeder Mensch, der aber gleichzeitig gerade deswegen der perfekte Sklave und Diener ist.

Nostalgie gegenüber der Zukunft

In manchen der bisher fünf "Terminator"-Filme, die Fernsehserie nicht mitgerechnet, wird man wie der Bewohner einer Flipperkugel zwischen den Zeitebenen und den Jahren 1984, 2017 und 2027 hin und her geschossen. Und man entwickelt so ein paradoxes Gefühl wie Nostalgie gegenüber der Zukunft.

Diesmal entdecken Maschinen die Sensibilität - und wir Menschen Empathie für die Maschinen. Da trifft sich "Terminator" mit vielen Figuren der Kulturgeschichte der Roboter. Derzeit läuft im Essener Folkwang-Museum die Ausstellung "I was a Robot", die dieser Kulturgeschichte in einem sehr umfangreichen Programm anschaulich nachgeht. Es geht auch viel um die Kinogeschichte der Roboter.

Dazu gehört etwa die Maschine in "A.I. - Artificial Intelligence", dem von Steven Spielberg verfilmten Drehbuch von Stanley Kubrick. Hier geht es auch vor allem um ein Kind; dieses Kind allerdings ist selbst die Maschine. Plötzlich ist es eine Maschine, die unschuldig und verletzlich ist, die unter anderem vor Menschen geschützt werden muss. Und die auch sieht, wie brutal die Menschen mit Maschinen umgehen.

Aber die Fans von "Terminator" müssen sich keine Sorgen machen: "Terminator 6 Dark Fate" bleibt vor allem rasantes Action-Kino. Der Film bietet viele spannende Momente und geht doch über eine Menge Lärm und Geballer weit hinaus. Darum hält er das Niveau seiner Vorgängerfilme und lohnt den Kinobesuch unbedingt.

Dirk Baecker: "Intelligenz, künstlich und komplex" Merve Verlag, Berlin 2019

"I was a Robot. Science Fiction und Pokultur"; (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum Folkwang; Edition Folkwang, Steidl Vlg; Göttingen 2019)