"Materielle Not bis hin zur Todesangst"

Interview mit Claudia Daseking und Solveig Koitz über die rechtswidrige Hartz IV-Sanktionspraxis. Teil 2

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Gründe für Sanktionierung nicht einsichtlich

Sie haben ja sanktionierte Hartz-IV-Bezieher befragt. Was ist Ihrer Einschätzung nach das größte Problem für die Betroffenen?

Solveig Koitz: Das hängt zum einen davon ab, wie hoch die Sanktion ist und ob jemand noch Geld auf dem Konto oder dem Sparbuch hat. Es macht schon einen Unterschied, ob einem zehn Prozent vom Regelsatz gekürzt werden, oder ob das Alg II ganz gestrichen wird. Wie jemand eine Sanktion verkraftet, hängt auch davon ab, wie die persönliche Situation und die psychische Verfassung ist, d.h. wie belastet jemand durch Hartz IV schon vor der Sanktion war und welche Probleme jemand außerdem noch hat.

Claudia Daseking:: Wer sanktioniert wird, ist meist wie vor den Kopf geschlagen. Viele verstehen nicht, warum sie überhaupt sanktioniert wurden. Deutlich wurde auch, dass Sanktionen in gravierender Weise den Alltag und die Lebensmöglichkeiten der Betroffenen und ihrer Familien beeinträchtigen. Als besonders belastend wurden von den Befragten auch Ohnmachtsgefühle genannt: Das Gefühl, dieser Behörde ausgeliefert zu sein, von ihr in Not gebracht zu werden und daran selbst nichts ändern zu können. Verbreitet ist die starke Empfindung, ungerecht behandelt zu werden. Ein Sanktionierter hat angegeben, für ihn sei das Schlimmste das genaue Wissen gewesen, dass mit ihm rechtswidrig verfahren wird. Unsere Umfrageergebnisse zeugen davon, dass zum Teil große materielle Not entsteht, die bis hin zu Todesangst führt, weil der Zugang zu Nahrung und Medikamenten versperrt ist.

"Wer nicht betteln will, muss hungern"

Hunger, fehlende Versorgung mit Medikamenten und Todesangst, das klingt ungeheuerlich. Schließlich reden wir hier über Deutschland, nicht über die dritte Welt...

Claudia Daseking: Das mag unglaublich klingen, aber dazu muss man wissen, dass selbst Sachleistungen gegen Hunger und Verwahrlosung laut Sozialgesetzbuch II nur in bestimmten Fällen gewährt werden sollen. Sogar dann teilt das JobCenter die Lebensmittelgutscheine nicht immer von sich aus zu, sondern dies muss gegebenenfalls erst beantragt werden. Wer es nicht fertig bringt zu betteln - sei es im JobCenter, auf der Straße oder bei der Familie -, muss eben hungern. Die Tafeln fangen hier einiges ab, aber ein vertretbarer Ersatz für einen die Würde gewährleistenden Sozialstaat sind sie nicht. Auch der Krankenversicherungsschutz ist unter Umständen stark eingeschränkt. Hier gelten komplizierte Regelungen, und über ihren Anspruch zumindest auf eine Notfallversorgung werden die Betroffenen, denen das Alg II komplett gestrichen wurde, nicht aufgeklärt. Infolgedessen werden sie medizinische Behandlungen wenn irgend möglich vermeiden, um etwaigen Schulden wegen Arzt- oder Krankenhausrechnungen zu entgehen - mit unter Umständen dramatischen Folgen. Einer unserer Fragebögen wurde von einem Diabetiker ausgefüllt, der infolge seiner Sanktion kein Insulin und keine Nahrung hatte. Er hatte Angst um sein Leben.

"Systemumbruch ist politisch gewollt"

Sie sagten eingangs, die in Ihrer Broschüre beschriebenen Fälle wären ein Querschnitt der Sanktionsrealität. Zugleich schreiben Sie, dass Sie keine repräsentative Untersuchung durchgeführt haben. Liegen denn inzwischen größere Studien und repräsentative Ergebnisse vor?

Claudia Daseking: Zum Zeitpunkt unserer Untersuchung, die wir vor etwa einem Jahr abgeschlossen haben, gab es noch keine nennenswerte evaluierende Forschung zu den Hartz-IV-Sanktionen, was sehr verwunderlich ist, weil hier massiv in das Leben der Menschen eingegriffen wird. Wir wissen, dass inzwischen zum Beispiel die Sozialwissenschaftlerin Anne Ames und auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit an größeren Studien arbeiten, die Ergebnisse sind aber noch nicht veröffentlicht. Daher ist denen, die keinen unmittelbaren Kontakt zu Sanktionsbetroffenen haben, das tatsächliche Ausmaß der Probleme nicht bekannt.

Das mag ein Grund dafür sein, dass die politisch Verantwortlichen bislang untätig bleiben konnten. Die Regierung hat wiederholt behauptet, die bestehenden gesetzlichen Regelungen würden sicherstellen, dass hilfebedürftige Personen immer ein Mindestmaß an Hilfe erhalten. Diese Haltung hat ihren tieferen Grund darin, dass der Systemumbruch weg von einem Sozialstaat, der diesen Namen verdient, von den Regierungsparteien unbedingt gewollt ist, und dass man die Schwierigkeiten einfach aussitzen möchte.

Solveig Koitz: Etlichen Bundestagsabgeordneten gingen ja die Sanktionsregelungen, die mit Inkrafttreten von Hartz IV eingeführt wurden, noch nicht weit genug. Deren Forderung nach noch mehr Druck auf Alg-II-Beziehende hatte eine erhebliche Verschärfung des Sanktionsparagrafen zur Folge. Bei der Abstimmung darüber im Bundestag wussten Abgeordnete, die die Gesetzesverschärfung veranlasst bzw. mitgetragen haben, offenkundig nicht, was sie da eigentlich beschließen. In der Debatte wurde geleugnet, dass zum Beispiel einem verheirateten Erwerbslosen mit zwei Kindern das Arbeitslosengeld II komplett gestrichen werden kann, einschließlich der Wohnkosten, obwohl genau dies im verabschiedeten Gesetzentwurf vorgesehen war. Wer das genauer wissen möchte: Der Auszug aus dem entsprechenden Bundestagsprotokoll ist im Anhang unserer Broschüre zu finden.

Klagen erfolgreich

Sie haben schon mehrfach im Interview anklingen lassen, dass die Sanktionen zum Teil rechtswidrig erfolgen. Können Sie einschätzen, in welchem Umfang dies geschieht?

Solveig Koitz: Ein Indiz dafür ist die Erfolgsquote von Widersprüchen und Klagen gegen Sanktionen. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei DIE LINKE hat die Bundesregierung dazu kürzlich Zahlen veröffentlicht. Im Jahr 2008 wurde 41 Prozent der Widersprüche gegen Sanktionen zumindest teilweise stattgegeben. Von den im Jahr 2008 abschließend erledigten Klagen gegen Sanktionen waren 65 Prozent zumindest teilweise erfolgreich. Es ist ja bekannt, dass von den Klagen im Bereich Hartz IV etwa die Hälfte für die Klagenden zum Erfolg führt. Diese verhältnismäßig hohe Erfolgsquote wird im Bereich der Sanktionen noch übertroffen.

"JobCenter setzen Gerichtsurteile nicht in die Tat um"

Werden Hartz-IV-Bezieher, bei denen anerkanntermaßen die Bezüge widerrechtlich gestutzt worden sind, in angemessener Weise entschädigt?

Claudia Daseking: Wenn der Widerspruch oder die Klage erfolgreich war, bekommt man den gekürzten Betrag erstattet. Man bekommt eine einfache Nachzahlung, aber keine Entschuldigung und schon gar keine Entschädigung. Nur einen Anspruch auf Verzinsung gibt es. Man muss wissen, dass Widersprüche und Klagen gegen Sanktionen keine aufschiebende Wirkung haben. Die Sanktion wird sofort vollzogen, egal ob es Zweifel an der Rechtmäßigkeit gibt oder nicht.

Widerspruch und Klage haben bei den Sanktionen keine aufschiebende Wirkung? Wie das?

Solveig Koitz: Jemand hat dazu festgestellt, wenn die Abwägung des Interesses der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug gegenüber dem Rechtsschutzinteresse der Alg-II-Beziehenden zu dem Ergebnis führt, dass ersterem ein stärkeres Gewicht beizumessen ist, dann müsse dem zwangsläufig die Annahme zugrunde liegen, Hartz-IV-Beziehende wären mehrheitlich Sozialschmarotzer.

Das Fehlen der aufschiebenden Wirkung hat zur Folge, dass vor allem diejenigen, die nicht den gerichtlichen Eilrechtsschutz nutzen oder nutzen können, über Monate mit den Kürzungen leben müssen. Denn bis über Widerspruch und Klage entschieden ist, kann wegen der Überlastung der Sozialgerichte und der Widerspruchsstellen in den JobCentern viel Zeit ins Land gehen. Wenn dann eine Nachzahlung erstritten wurde, macht dies die Lebenseinschränkungen in der Sanktionszeit nicht rückgängig.

Claudia Daseking: Hinzu kommt noch Folgendes: Ein Leser unserer Broschüre hat berichtet, dass er wegen zweimaliger hundertprozentiger Kürzung seiner Leistungen vor das Sozialgericht gezogen ist und gewonnen hat. Nun weigert sich aber das JobCenter zu zahlen, so dass er wiederum klagen muss, damit das JobCenter dem Urteil nachkommt. Und dies ist kein Einzelfall. Tatsache ist, dass kürzlich eine Richterin vom Bundessozialgericht in der Berliner Morgenpost beklagt hat, dass die JobCenter die Gerichtsurteile oftmals nicht in die Tat umsetzen.

"Lange Zitate aus unverständlichen Gesetzestexten"

Wann sind denn Sanktionen rechtswidrig? Können Sie Beispiele dafür nennen?

Solveig Koitz: Eine Sanktion ist zum Beispiel rechtswidrig, wenn die Pflicht, die der Sanktion zugrunde gelegt wird, gar nicht rechtmäßig ist. Das betrifft zum Beispiel ein Arbeitsangebot mit Wucherlohn. Oder den Abbruch einer unpassenden oder unsinnigen Maßnahme wie zum Beispiel das xte Bewerbungstraining oder den Computergrundkurs für eine IT-Expertin. So etwas dürfte bei korrekter Gesetzesanwendung nicht sanktioniert werden. Ein unbezahltes Praktikum, das die Chancen auf eine bezahlte Arbeit nicht verbessert, braucht ebenfalls nicht angetreten werden. Das JobCenter darf auch nicht verlangen, die bisherige Teilzeitstelle aufzugeben, die sich mit der Kinderbetreuung vereinbaren lässt, um eine zugewiesene schlecht bezahlte Vollzeitstelle anzunehmen.

Außerdem darf keine Sanktion erfolgen, wenn es einen wichtigen Grund für die Pflichtverletzung gab, zum Beispiel wenn ein Termin versäumt wurde, weil das kranke Kind zum Arzt gebracht werden musste. Damit sichergestellt ist, dass so ein wichtiger Grund bei der Sanktionsentscheidung beachtet wird, muss vor der Verhängung der Sanktion eine Anhörung stattfinden, während der sich ein Alg-II-Beziehender, dem eine Pflichtverletzung vorgeworfen wird, zu diesem Vorwurf äußern kann. Den Begriff "Anhörung" sollte man dabei nicht wörtlich nehmen, eine Anhörung darf auch schriftlich erfolgen.

Für die meisten Sanktionsgründe gilt, dass über die zugrunde liegende Pflicht vorher eine eindeutige und verständliche Aufklärung stattgefunden haben muss, also zum Beispiel bei der Zuweisung einer Maßnahme. Lange Zitate aus einem unverständlichen Gesetzestext, wie sie zum Beispiel in Eingliederungsvereinbarungen immer wieder anzutreffen sind, reichen dafür nicht. Außerdem dürfen nur Pflichtverletzungen sanktioniert werden, die tatsächlich begangen wurden - das klingt selbstverständlich, aber hierzu zählen zum Beispiel Sanktionen wegen angeblich unterlassener Bewerbungen oder wegen unterstellten Fehlverhaltens gegenüber einem Maßnahmeträger. Rechtswidrig sind auch Sanktionen, wenn mehr gekürzt wird, als im Gesetz vorgeschrieben ist. So einen Fall hatte ich erst neulich in der Beratung.

Rolle der "Träger"

Wenn nur die Verletzung von rechtmäßigen Pflichten sanktioniert werden darf, dann fallen einem sofort die problematischen Arbeitsgelegenheiten ein, die Ein-Euro-Jobs ...

Solveig Koitz: In der Tat, der Nichtantritt oder der Abbruch von Ein-Euro-"Jobs" dürfte laut Gesetz nur sanktioniert werden, wenn die Maßnahme den gesetzlichen Vorgaben entspricht, d.h. wenn der Ein-Euro-"Job" die Chancen erhöht, eine bezahlte Arbeit zu bekommen, und wenn er tatsächlich zusätzlich und im öffentlichen Interesse ist. Diese Voraussetzungen werden von den meisten Ein-Euro-"Jobs" bekanntermaßen nicht erfüllt, das haben sowohl der Bundesrechnungshof als auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit festgestellt. Zu den Pflichten der JobCenter gehört nicht nur, für die Rechtmäßigkeit der vermittelten Ein-Euro-"Jobs" zu sorgen, sondern auch, zumindest darüber aufzuklären, dass nur rechtmäßige Arbeitsgelegenheiten angetreten werden brauchen. Stattdessen wird in den Schreiben der Jobcenter, mit denen Ein-Euro-"Jobs" vorschlagen werden, die oftmals rechtswidrig sind, von vornherein mit Sanktionen gedroht, die dann häufig auch umstandslos verhängt werden.

Kommunikationsprobleme

Welche Rolle spielen bei der Sanktionierungspraxis der JobCenter die "Träger"?

Claudia Daseking: Viele Alg II-Bezieher hatten schon mit Trägern zu tun. Die Träger gab es bereits vor den Hartz IV-Reformen, aber inzwischen ist daraus eine richtige Industrie geworden. Die Träger bekommen vom JobCenter Gelder, vor allem in Form von Kopfpauschalen, nicht etwa nur für die Weiterbildung von Erwerbslosen, wie es früher war, sondern um Alg-II-Beziehende anstelle der JobCenter zu betreuen, um ihre Arbeitsbereitschaft zu überprüfen oder in Ein-Euro-"Jobs" zu vermitteln. Letzteres stellt praktisch ihre Hauptaufgabe dar. Diese Träger haben ein wesentliches Interesse daran, dass ihre "Fälle" mit möglichst wenig Aufwand abgewickelt werden, nur dann ist es für sie einträglich. Das ist mithin ein Massengeschäft, bei dem der Alg-II-Bezieher sehr gut aufpassen muss, dass er nicht unter die Räder kommt. Die Gefahr ist wirklich groß. Es mag sein, dass es Mitarbeiter bei Trägern gibt, die sich im Sinne der Alg II-Beziehenden bemühen, aber letztendlich ist alles sehr stark vom Gewinninteresse der Träger geprägt.

Dazu kommt ein Kommunikationsproblem, weil die Abstimmung zwischen Träger, Job-Center und Alg-II-Beziehenden nicht klar geregelt ist und es für Letzteren schwer ist, diese unklaren Strukturen zu durchblicken. Wenn zum Beispiel der Ein-Euro-"Job" nicht beim Maßnahmeträger selbst erfolgt, sondern der Träger in eine andere Einsatzstelle vermittelt, sieht sich der Ein-Euro-Jobber drei verschieden "Arbeitgebern" gegenüber: Dem Maßnahmeträger, der Einsatzstelle und dem JobCenter. Welche Pflichten bestehen gegenüber wem? Wer ist der wichtigste? Wer ist zum Beispiel im Krankheitsfall derjenige, der die Krankmeldung bekommt? Das ist ja essentiell, um einer Sanktionierung vorzubeugen.

Sehr viele Alg-II-Bezieher wissen also nicht, wer welche Pflichten und Rechte hat und wem sie welche Information übermitteln müssten. Dies wäre aber von zentraler Bedeutung, denn wenn bestimmte Informationen übermittelt oder auch nicht übermittelt werden, kann das ziemlich leicht zu Sanktionen gegen jemanden führen, dem unterstellt wird, sich falsch verhalten zu haben. Vielleicht hat aber dieser jemand gute Gründe, die Maßnahme bei einem Träger abzulehnen - sei es, dass die Maßnahme für ihn nicht passend ist oder dass er Zweifel an der Seriosität des Trägers hat. Wenn an dieser Stelle nur den Behauptungen vom Träger geglaubt oder eine Annahme zugunsten des Trägers konstruiert wird - wie es einem der in unserer Broschüre Porträtierten passiert ist -, dann ist das sehr nachteilig für die Alg-II-Bezieher.

"Gute Arbeit Konkurrenznachteil"

Solveig Koitz: Hier kommt auch der Umstand negativ zum Tragen, dass das primäre Interesse der Träger nicht darin besteht, Alg II-Beziehende zu unterstützen, sondern ohne viel Aufwand an ihre Gelder heranzukommen. Dabei konkurrieren die Träger um die Gelder der JobCenter. Einige Träger sagen selber - das haben wir auf Veranstaltungen erlebt - das Geschäft wäre ein Haifischbecken und Leute, die versuchen, qualitativ gute Arbeit zu leisten, haben einen schweren Stand.

Wenn Träger gute Sozialarbeit machen, ist das aus zwei Gründen ein Konkurrenznachteil. Zum einen, weil so etwas mit höheren Kosten verbunden ist - dann bleibt zum Beispiel weniger für den Gewinn bzw. das Geschäftsführergehalt übrig. Zum anderen, weil es ein Kriterium für Folgeaufträge ist, dass möglichst viele der Maßnahmeteilnehmer irgendwie aus dem Alg-II-Bezug kommen. Dann macht es sich für Träger bezahlt, wenn sie nicht so genau hinschauen, wohin sie die Leute eigentlich vermitteln und wenn sie teilweise einen Druck auf die Betreuten ausüben, der schlimmer ist, als der der JobCenter.

Im vergangenen Jahr hatte ich zum Beispiel mehrere Male eine Alg-II-Bezieherin in der Beratung, die in der Intensivbetreuungsmaßnahme bei einem Träger war und dort dermaßen in die Enge getrieben wurde, dass sie nicht mehr ein noch aus wusste. Dabei stand die Frau noch unter dem Eindruck der Mobbingerfahrungen, die sie vor ihrer Kündingung erlebt und noch nicht aufgearbeitet hatte. Aber statt dass diese Frau bei dem Träger Unterstützung bekommen hätte, wurde sie praktisch retraumatisiert.

Natürlich gibt es auch andere Fälle. Ein anderer Klient, dem es nicht gelungen war, die Zuweisung in eine Maßnahme des selben Typs abzuwehren, hatte das Glück, dass seine Betreuerin die eigene Rolle durchaus kritisch sah. Die beiden haben sich dann eher gegenseitig bei der Suche nach einer guten Arbeit unterstützt - der Klient war selbst Erwachsenenpädagoge.

Claudia Daseking: Man hat gehört, dass Träger teilweise schon anstelle des JobCenters sanktionieren, obwohl das JobCenter diese Aufgabe nicht aus der Hand geben darf. Manche Träger schicken Berichte über die einzelnen Ein-Euro-Jobber an die JobCenter wie weiland Erziehungsanstalten an die Eltern - so formulierte es unsere Bündnismitstreiterin, die Sozialrechtsprofessorin Helga Spindler, im Ergebnis ihrer Recherchen. Niemand kontrolliert, wie die Träger die ihnen zugewiesenen Menschen behandeln.

Morgen in Teil 3: Sparen statt fördern