Mauerobsession und Machtkampf: Trump setzt sich über den Kongress hinweg
Mit der Mauer hat sich in den USA ein ähnliches, die Demokratie zersetzendes Schauspiel entfaltet wie in Großbritannien mit dem Brexit
Wie erwartet hat sich US-Präsident Donald Trump über den Kongress und seinen Kompromiss hinweggesetzt und den nationalen Notstand ausgerufen. Offenbar ist ihm die Mauer aus Beton oder Stahl, die er im Wahlkampf versprochen hatte, so wichtig, dass er darüber die Gräben noch tiefer aufreißt, wahrscheinlich auch viele republikanische Abgeordnete gegen sich aufbringt und einen Rechtsstreit riskiert. Der Kongress hatte 1,375 Milliarden US-Dollar für Grenzbefestigungen, aber nicht für eine Mauer gebilligt.
Trump kann mit der Ausrufung des Notstands 3,6 Milliarden US-Dollar aus dem Pentagon-Haushalt, 600 Millionen vom Finanzministerium und 2,5 Milliarden ausgerechnet aus dem Drogenbekämpfungsprogramm abzweigen, um damit zumindest einen Teil seiner Mauer zu bauen. So hat er nun 8 Milliarden zur Verfügung, ursprünglich forderte er 5,7 Milliarden.
Trump kann als Präsident den Notstand bei einer wirklichen Bedrohung der nationalen Sicherheit erklären, um schnell handeln zu können. Das haben Präsidenten auch vor ihm ausgenutzt, insbesondere George W. Bush, noch mehr aber Barack Obama, etwa um Finanzströme für somalische Piraten, Gaddafi oder transnational operierende Banden wie Camorra, Yakuzas oder Zetas zu unterbinden. Weitere hatten mit Jemen, Südsudan, Zentralafrika, China und Burundi zu tun. Das weist schon darauf hin, dass der Konflikt zwischen der Legislative und der Exekutive schon vor Trump begonnen hat.
Als Obama mit Präsidentenerlassen, excutive orders, beispielsweise die Abschiebung von Migranten gegen den Widerstand des mehrheitlich republikanischen Kongresses verhinderte, die als Minderjährige ins Land kamen, schrie Trump auf, das sei illegal und würde ein Impeachment notwendig machen.
They say walls don’t work. Walls work 100 percent.
Donald Trump
Was Trumps Erklärung des Notstands vor allem auszeichnet, ist die Aufblähung eines angeblichen Sicherheitsproblems an der Grenze zu Mexiko, das angeblich nur durch eine Mauer gelöst werden kann, zudem scheint die Mauer zum größten amerikanischen Problem geworden zu sein, obgleich die USA früher als Melting-Pot-Nation von Einwanderern, die angeblich Freiheit versprach und für Offenheit, freien Informations- und Warenfluss und dem Abbau von Mauern stehen wollte. Trump kehrt das Selbstbild der USA radikal um, ohne aber den globalen Machtanspruch zurückzufahren.
Bei der Mauer versinkt Trump aber auch noch vollständig in der Beschwörung von Gefahren und Untergangsvisionen. Amerika wieder groß zu machen, bedeutet dann, sich ängstlich in eine Festung einzuschließen. Die "Invasion von Drogen und Kriminellen", die Trump beschwört, ist ebenso weit übertrieben wie die Gefährlichkeit der "monströsen" Migrantenkarawanen.
So everyone knows that walls work. And there are better examples than El Paso, frankly. You just take a look. Almost everywhere. Take a look at Israel. They’re building another wall. Their wall is 99.9 percent effective, they told me — 99.9 percent. That’s what it would be with us, too.
Donald Trump
Wie auch immer, das Drama oder die Komödie, das oder die seit dem Präsidentschaftswahlkampf mit Trump begonnen hat, wird sich fortsetzen. Der Kongress hat Trumps Forderung abgewürgt, Trump setzt mit der Erklärung des Notstands dagegen, die Demokraten wollen nun mit einem Gesetz die Notstandserklärung außer Kraft setzen, was Trump mit einem Veto wieder aushebeln könnte. Oder sie könnten rechtlich gegen Trump vorgehen, weil er die Verfassung ausgehebelt, was dann letztlich vom Obersten Gericht entschieden werden müsste, das Trump allerdings durch Neuberufungen wahrscheinlich auf Linie bringen konnte.
Das unterhaltsame, mediengerechte Schauspiel erzeugt, ähnlich wie die verfahrene Brexit-Debatte in Großbritannien, keinen guten Eindruck von demokratischen Verfahren, weil es ganz offensichtlich nicht um die Sache und um Fakten geht, sondern nur noch um die - ganz ohne russischer Beteiligung - mit Lügen und Übertreibungen forcierte Durchsetzung von Positionen, letztlich auch um Selbstbehauptung von Personen und Parteien. Trump, der sich schon brüstet, wenn er bei einem Meinungsforschungsinstitut den Rückhalt von 50 Prozent der US-Bürger haben soll, schützt nicht die Demokratie, er sprengt sie weiter auf und führt sie auf einen Weg in ein autoritäres System, wie dies der türkische Präsident seit einiger Zeit vorführt.
Man darf sowieso vermuten, dass Trump zwar ein Populist ist, der die Menschen durch Inszenierungen mit sich ziehen will, aber so von sich überzeugt ist, dass er am liebsten alleine als eine Art Sultan oder Tyrann regieren würde, wenn er dies nur könnte. Das Gefährliche ist, dass die Bereitschaft der Menschen zu wachsen scheint, solche Führerfiguren attraktiv zu finden und auch zu wählen, die demokratische Strukturen von innen heraus zerstören. Dazu passt dann auch, wenn permanent gewarnt wird, dass angeblich die Demokratie durch böswillige Beeinflussung von außen gefährdet sei.