May: "Wir verlassen die EU - und umarmen die Welt"

Grafik: TP

Die britische Premierministerin kündigt in ihrem Zwölf-Punkte-Programm zum Brexit eine "hellere Zukunft" für ihr Land an

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Die britische Premierministerin Theresa May stellte heute Mittag im Lancaster House in Westminster ein Zwölf-Punkte-Programm vor, an dem sie sich während der Austrittsverhandlungen mit der EU orientieren will. Die teilweise sehr allgemein ("Sicherheit", "Klarheit", "Transparenz" etc.) und teilweise auch konkreter gehaltenen Grundsätze sollen die Presse offenbar darauf vorbereiten, dass sie während der Verhandlungen nur bedingt Informationen an die Öffentlichkeit geben will, weil es ihren Worten nach "nicht ihre Aufgabe ist, Zeitungsspalten zu füllen, sondern ein für Großbritannien optimales Verhandlungsergebnis zu erreichen".

Parlament und Regionalregierungen werden eingebunden

Zu den konkreteren Ankündigungen gehört, dass sowohl das Unter- als auch das Oberhaus über das Verhandlungsergebnis abstimmen sollen, wenn es vorliegt. Außerdem will May die Regionalregierungen von Schottland, Wales und Nordirland in den Prozess einbinden. Besonderer Bedeutung kommt Nordirland zu, weil es hier eine Landgrenze zur EU und besonders enge wirtschaftliche Verflechtungen gibt. Die in manchen deutschen Medien geäußerte Erwartung, damit könne der Brexit "gekippt" werden, dürfte eine rein theoretische Möglichkeit betreffen - immerhin stimmte das Parlament nach dem Volksentscheid mit überwältigender Mehrheit für die Aufnahme von Verhandlungen. Hinsichtlich der Regionen sprach die Premierministerin nur von einer Einbindung in den Prozess - nicht davon, dass sie darüber abstimmen dürfen.

Außerdem kündigte May an, vollständig aus der EU auszusteigen und dafür ein neues Freihandelsabkommen mit Brüssel zu schließen, mit dem man "so viele Handelsschranken wie möglich abbaut", aber die Hoheit über Zölle behält. Solche Abkommen soll es ihren Worten nach nicht nur mit der EU, sondern mit den ehemaligen Teilen des britischen Empire, China und der ganzen Welt geben, der man sich mit dem Brexit zuwende und die man nun "umarme".

Der Ausstieg und die Neuordnung der Beziehung über ein Freihandelsabkommen bedeutet ihren Worten nach unter anderem, dass man keine Urteile des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg mehr anerkennt und nur noch eine kontrollierte Einwanderung von "Talenten" zulässt, die Großbritannien nutzt. Die britischen Geheimdienste - nach Mays Ansicht "die besten der Welt" - sollen dagegen im Interesse der Sicherheit auch nach dem Brexit so eng mit denen anderer europäischer Länder zusammenarbeiten wie bisher.

Statuiertes Exempel zur Abschreckung anderer Länder würde Landwirten und Arbeitern schaden

In einem indirekten Seitenhieb auf den designierten deutschen Außenminister Martin Schulz meinte sie, es sei ihr bewusst, dass es in Europa Politiker gibt, die Großbritannien wirtschaftlich "bestrafen" und damit ein abschreckendes Exempel für andere ausstiegswillige Länder statuieren wollen. Solche Strafen würden ihren Worten nach aber auch anderen EU-Ländern schaden, die dann weniger Autos oder landwirtschaftliche Produkte in das Vereinigte Königreich exportieren könnten, weshalb diese Politiker den Landwirten und Arbeitern dort erklären müssten, warum es ihnen schlechter gehen soll.

Vorher hatte der britische Finanzministers Philip Hammond öffentlich die Möglichkeit ins Spiel gebracht, dass Großbritannien für den Fall, dass europäische Unterhändler unbedingt ein abschreckendes Beispiel aufbauen wollen, Steuersätze für Unternehmen entsprechend senken und damit Unternehmen weg vom Kontinent und auf die Inseln locken könnte. London hätte hier den Vorteil, dass es aufgrund der kürzeren und einfacheren Wege wesentlich schneller und flexibler entscheiden und reagieren könnte als Brüssel.

"Zusammenhalten, bis alles zusammenbricht"

Die EU leidet Mays Meinung nach daran, dass sie ihre Vielfalt nicht als Schlüssel zum Erfolg akzeptiert, sondern stattdessen "Uniformität" herstellen und "alles zusammenhalten" will, bis "alles zusammenbricht". Außerdem fehle eine "Kultur der Rechenschaft", mit der Wähler einer Politik, die sie nicht oder nicht mehr wollen, tatsächlich ein Ende setzen können.

Journalistenfragen, warum sie den Brexit jetzt als "Chance auf eine hellere Zukunft" sehe, wenn sie im letzten Jahr dagegen war, konterte die erste britische Premierministerin auf dem Cover der Modezeitschrift Vogue mit dem Hinweis auf eine für sie unerwartet positive wirtschaftliche Entwicklung nach dem Volksentscheid am 23. Juni, die Großbritannien zum höchsten Wirtschaftswachstum unter den alten Industrieländern und zu einer so niedrigen Arbeitslosigkeit wie seit elf Jahren nicht mehr verhalf. Auch Ökonomen mussten mittlerweile zugeben, dass sie mit ihren Warnungen vor negativen wirtschaftlichen Folgen falsch lagen (vgl. Großbritannien: Wirtschaftsboom und eine "Soziale Wende").

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte gestern beim Neujahresempfang der Industrie- und Handelskammer in Köln bereits vor Mays Rede (die in Teilen vorab an die Presse gegangen war) von den deutschen Wirtschaftskapitänen ein "gemeinsames Handeln" mit der deutschen Regierung, damit verhindert wird, dass sich "jedes [EU-]Land seine Rosinen herauspickt". Dem designierten US-Präsidenten Donald Trump, der sich am Wochenende erneut für Zölle zum Schutz von Industriearbeitsplätzen aussprach, entgegnete sie indirekt, sie sei "sehr entschieden" für Freihandel.

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