May übersteht Misstrauensabstimmung ihrer Partei
Die Premierministerin stellte in Aussicht, bei der nächsten regulären Parlamentswahl nicht mehr zu kandidieren
Heute Abend musste sich die britische Premierministerin Theresa May einem Misstrauensvotum stellen. Keinem Misstrauensvotum des ganzen Parlaments, sondern nur einem der Abgeordneten ihrer Partei, die die dafür nötigen mindestens 48 Unterschriften heute früh einreichten. Diese Abstimmung hat sie mit 200 zu 117 Stimmen gewonnen. Nun müssen die Tory-Abgeordneten zwölf Monate warten, bis sie wieder so einen Antrag stellen können. Ein Misstrauensantrag des ganzen Parlaments, der nicht ihre Position als Parteivorsitzende, sondern als Premierministerin beträfe, wäre nicht an so eine Frist gebunden.
Warnung vor Rücknahme des Ausstiegsantrags
May hatte nach dem Bekanntwerden der Misstrauensabstimmung gemeint, sie werde sich ihrer Abwahl "mit allem, was [sie hat], entgegenstellen". Ihren Worten nach gefährdet ein Führungswechsel den geplanten Ausstieg aus der EU zum 29. März 2019 und sorge zu einem Zeitpunkt für Unsicherheit, an dem Großbritannien diese "am wenigsten brauchen" könne. Deshalb stellte die Premierministerin vor der Abstimmung in Aussicht, bei der nächsten regulären Parlamentswahl nicht mehr zu kandidieren, wenn sie jetzt noch ihren Brexit-Deal durchsetzen kann.
Ein Sofortnachfolger hätte ihrer Ansicht nach keine Wahl gehabt, als den Ausstiegsantrag nach Artikel 50 "vorläufig oder sogar dauerhaft zurückzuziehen", weil auch er die Mehrheitsverhältnisse im britischen Unterhaus nicht ändern könne. Damit appellierte sie an die Brexit-Befürworter in ihrer Partei, von denen anscheinend nur eine Minderheit der Auffassung war, dass ein so genannter "harter" Brexit ohne Ausstiegsvertrag und zu den Konditionen der Welthandelsorganisation WTO eine gangbare Alternative zu dem von der Premierministerin geschilderten Szenario wäre.
Unterschiedliche Angaben von May und Tusk
Am Montag hatte May eine Abstimmung über ihren fast 600-seitigen Brexit-Deal im Unterhaus abgesagt, nachdem sich abzeichnete, dass sie dafür keine Mehrheit bekommen würde (vgl. May drängt Merkel zu Brexit-Deal-Änderungsbereitschaft). Danach traf sie sich mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, dem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk.
Während May danach meinte, es habe bei diesen Gesprächen "Fortschritte" gegeben, schlossen Tusk und Juncker ein Nachbessern ihres Deals kategorisch aus. Man könne, so Tusk, höchstens darüber "diskutieren, wie die Ratifizierung durch das Vereinigte Königreich erleichtert werden kann".
Methode Merkel?
Bestimmt May selbst den Zeitpunkt, an dem sie abtritt, kann sie auch größeren Einfluss darauf nehmen, wer ihr Nachfolger wird. Jacob Rees-Mogg (vgl. Theresa May vs. Boris Johnson vs. Ruth Davidson vs. Jacob Rees-Mogg), der als Initiator des Misstrauensvotums gilt, und den wegen Mays Brexit-Politik im Sommer zurückgetretenen ehemaligen Außenminister Boris Johnson (vgl. Machtkampf im UK: Johnson legt nach Sex-Dossier "tote Katze auf den Tisch") dürfte sie dabei nicht im Auge haben - eher schon Innenminister Sajid Javid, Außenminister Jeremy Hunt, Umweltminister Michael Gove oder Arbeitsministerin Amber Rudd, auf die man in britischen Wettbüros ebenfalls als mögliche Ablöser wetten konnte.
Risiko Neuwahlen
Dass es Neuwahlen gegeben hätte, wenn das Votum heute anders ausgegangen wäre, ist insofern unwahrscheinlich, als den Tories in diesem Fall der Verlust der Macht droht. Channel 4, der Observer und der Sunday Express sehen in ihren Umfragen nämlich die Labour-Partei mit 39 oder 40 Prozent vorne. Kantar und Ipsos messen Labour und die Tories mit jeweils 38 Prozent gleichauf. Nur bei YouGov führt die Regierungspartei noch knapp: mit 38 zu 37 Prozent. Die Liberaldemokraten, die bei neun bis zehn Prozent liegen, und die bei landesweit fünf Prozent gemessenen schottischen Separatisten, sind zudem als Brexit-Gegner und dürften kaum eine Tory-Regierung stützen, in der ein Premierminister wie Boris Johnson oder Jacob Rees-Mogg den Ausstieg entschiedener als May vorantreibt.
Anderes gilt für die nordirischen Protestanten von der DUP, die die Tory-Regierung jetzt stützen, aber wegen des von ihnen abgelehnten Brexit-Backstops drohen, diese Duldung aufzukündigen (vgl. May unter Druck der DUP, DUP unter Druck nordirischer Unternehmer). Ob sie das tatsächlich machen, ist eine andere Frage, weil auch sie im Falle von Neuwahlen um einen Verlust ihres Anteils an der Macht fürchten müssten.
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