Medien: Lästige Korrekturen bei Falschaussagen?
Seite 2: Der deutsche Journalismus und seine Polizeihörigkeit
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Querbeet durch die Medienlandschaft blamierten sich Journalisten zu Pfingsten 2018. Ausgehend von einer Pressemitteilung der Polizeiinspektion Lüneburg meldeten Zeitungen, Radio und Fernsehen, im niedersächsischen Hitzacker (Landkreis Lüchow-Dannenberg) habe eine Horde Linksautonomer das Wohnhaus eines Polizisten angegriffen.
Die Berichterstattung zog sich über mehrere Tage hin, vor allem Politiker, Polizeigewerkschafter und natürlich Journalisten echauffierten sich und übernahmen das Narrativ von der "neuen Qualität der Gewalt gegenüber der Polizei", das die Polizei in ihrer ersten Mitteilung in die Welt gesetzt hatte.
An der Geschichte war nichts dran. Auch hier war vom ersten Moment an klar, dass es zumindest nicht so gewesen sein konnte, wie die Behörde es darstellte. Dass die Polizei in diesem Fall ganz explizit Partei der Auseinandersetzung war und nicht neutrale Beobachterin, stand ebenfalls von Anfang an fest.
"Juristisch blieb gar nichts"
Korrigiert wurde die falsche Berichterstattung nur in einigen Medien, insbesondere bei Print und Rundfunk versandete das Thema einfach, online wurden einige Artikel im Nachhinein bearbeitet, meist ohne transparenten Hinweis.
Dass am Ende alle rund 60 Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden, juristisch also gar nichts blieb, wurde unter keinem Artikel ergänzt.
Exemplarisch hatte der Autor damals gegen zwei Beiträge der Welt Beschwerde beim Presserat eingereicht, beide wurden als begründet beschieden. Im einen Fall hatte die Zeitung online geschrieben, Grundstück und Wohnhaus eines Polizisten seien "gestürmt" worden.
Der Chefredakteur von Welt Digital rechtfertigte sich gegenüber dem Presserat, man habe, wie viele andere Medien, den unnachrichtlichen Begriff "heimgesucht" bei der Redigatur als "gestürmt" interpretiert. Heimsuchen bedeute, etwas zu betreten, wie man wisse.
Im Übrigen fragte er laut Presserat: "Wem soll man in der aktuellen Berichterstattung als Quelle glauben, wenn nicht der Polizei?" Antwort: Der eigenen Recherche.
Im anderen Fall hatte die Zeitung online zur Illustration ein Foto verwendet, das nicht im Mindesten etwas mit der realen Situation zu tun hatte und das noch nicht einmal als Symbolbild gekennzeichnet war.
Desinteressiert an der Wahrheit
Der Presserat folgte der Kritik und sprach eine Missbilligung wegen Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht aus. Ähnliche "Symbolbilder" sind aber weiterhin bei der alten, mindestens verzerrten Berichterstattung zum "Fall Hitzacker" in vielen Medien zu finden, etwa bei Focus.
Während die drei vorangegangenen Fälle jeweils das Sträuben gegen die Richtigkeit einer einzelnen Redaktion zeigen, hat sich im letzten Fall die gesamte Branche als desinteressiert an der Wahrheit gezeigt.
Als dann irgendwann unübersehbar war, dass der Medientross selbst erst ein Ereignis inszeniert hatte, verzichteten die meisten auf Korrekturen und Selbstkritik, bei ihren Kunden blieb daher die Botschaft von der Gewalt gegen eine unbescholtene Familie.