Medizinische Aspekte der Schmerzerzeugung
Seite 2: Die Waffen
Wenn es keinen Schmerz gäbe, lebten wir noch in Höhlen. Der Schmerz ist der Stachel, der Antreiber unserer Entwicklung. Er peitscht die Menschheit von Entdeckung zu Entdeckung.
Günter Weisenborn, Memorial, 1977 (ca. 1941 in Gestapo-Haft geschrieben)
Das Dokument “Verbesserter TASER M26; weniger-tödliche Stromschockwaffe zur Unterbrechung der elektromuskularen Funktion. Medizinische Sicherheitsinformation, vorgelegt von Rick Smith, Präsident, Taser International” enthält Studien der Wirkung der Waffe auf Menschen. 579 Männer und Frauen, freiwillige Teilnehmer eines Versuchs zur Erhärtung der Effektivität und der medizinischen Unbedenklichkeit geben Auskunft. Das Dokument zirkuliert zwar frei zugänglich, ist aber in seiner Fußzeile als „Vertraulich. Nicht reproduzieren oder verteilen!” eingestuft.
Hier eine Collage der Aussagen von Polizisten, die sich einem Selbstversuch unterzogen haben:
Ergebnis schlagartiger Sturz ich war selbst bei gespanntem Abzug nicht in der Lage durchzuziehen Testwaffe fällt nach Treffer von M26 zu Boden ich fühl mich gut ein wenig verwirrt es gab keine Chance durchzulaufen das ist echt hart Mann schlagartiger Sturz ich spürte den Strom von meinem Schuh bis in die Hüfte rasen kompletter Schock Muskelspasma ein leichtes Brennen danach ich verlor komplett die Kontrolle meine Beine versteiften sich schlagartiger Sturz ich litt aber es blieb nichts zurück die Knie krümmten sich von allein völlig unmöglich stehen zu bleiben später ein leichtes Brennen in den Gelenken ich hatte schreckliche intensive Schmerzen und war völlig außerstande mich auf irgendetwas außer dem Schmerz zu konzentrieren
der TASER erzeugte definitiv ein komplettes Chaos in meinen Denkprozessen ich war durcheinander und desorientiert selbst einige Minuten nach dem Treffer als habe mir jemand mit dem Vorschlaghammer gegen die Brust gehauen es fühlt sich an wie ein Baseballschläger der einem in den Magen geschlagen wird allen fünfzehn Teilnehmern dieser Gruppe wurde ein Kasten Bier angeboten der nur drei Schritt von ihnen entfernt stand keiner erreichte sein Ziel schlagartiger Sturz es schien doppelt so lang zu dauern wie es wirklich war er ging schnell zu Boden und seither ist er auffallend viel ruhiger geworden kampfunfähig ausgeschaltet mir wurde schwarz vor Augen
großartige Wirkung gute Waffe der Schmerz ließ sofort nach als abgeschaltet wurde dieses Gerät kann ich nur wärmstens empfehlen sehr effektiv es fühlte sich an als ob mir jemand alle Nerven aus dem betreffenden Körperteil herauszieht mit einem Hammer das Bein zerschmettert ein heftiger Krampf mir war ein bisschen heiß ein scharfer alles behindernder Schmerz Benommenheit ich konnte nichts machen außer stürzen und ich war schnell soweit alles zu tun was der Versuchsleiter von mir verlangen würde damit es nur aufhört als würden mir zwei Schraubenzieher rechts und links vom Rückgrat eingeschlagen Gefühllosigkeit Starre meine Fähigkeit geistig zu fokussieren war weg und ich hatte keinerlei Kontrolle über nichts so wie bei wahnsinniger Angst als habe mich jemand mit dem Presslufthammer bearbeitet ich verlor unmittelbar jeden Willen zum Widerstand 100 Prozent still gestellt kein Gedanke an Gegenwehr es kam mir sehr viel länger vor und ich erinnere dass ich “MACH AUS MACH AUS” dachte meine Beine versteiften sich und es brannte an den Kontaktpunkten dann schlagartiger Sturz
die M26 hatte hart zugebissen es prickelte unangenehm und Wellen von Schock und Hitze durchfluteten mich der Schmerz war so gewaltig ich habe mich oft selbst getasert mit dem alten Tasertron aber dies hier war ohne Gleichen viel heftiger der Schmerz war im Vergleich außerhalb jeder Konkurrenz als habe jemand ein Bügeleisen gegen meine Füße gepresst einen Brennstab auf meine Schulter gesenkt der Effekt war augenblicklich da beide Beine gefühllos und die Füße als habe jemand 1000 Pfund Last darauf abgestellt es bohrte sich sogar durch die Stahlkappen meiner Schuhe keine Chance schlagartiger Sturz schlagartiger Sturz schlagartiger Sturz.
Ein anderer, etwas länger zurückliegender schlagartiger Sturz in Folge von TASER-Einsatz hatte 1991 einen „Riot” in den USA ausgelöst. Die von rassistisch motivierten Ausschreitungen (weiß gegen schwarz) ausgelösten und wesentlich von rassistisch motivierten Ausschreitungen (schwarz gegen gelb) geprägten L.A. Riots kann man aus dieser Perspektive als die Schmerzkatastrophe des Rodney King bezeichnen. George Holliday filmte am 3. März 1991 als zufälliger Zaungast, der gerade seinen neuen Camcorder ausprobierte, eine Konflikt-Szene zwischen der LAPD (Los Angeles Stadtpolizei) und dem Kleinkriminellen Rodney Glenn King. King war schon zuvor mehrfach aufgefallen und bereits vorbestraft, weil er seine Frau zusammengeschlagen und einen Laden überfallen hatte.
An besagtem Abend stellte ihn eine Streife der “California Highway Patrol”, weil er zu schnell gefahren war. Im Verlauf der Festnahme weigerte er sich, den Anordnungen zu folgen, zeigte einer Polizistin seinen Hintern und man ging davon aus, dass King auf “Angel Dust” (einer Partydroge, auch als PCP oder Phencyclidin bekannt) und nicht voll zurechnungsfähig sei. Die hinzu gerufene LAPD wendete ohne Erfolg den TASER an. Es ist nicht ganz klar, inwieweit die Fehlfunktion des TASER auf Tatsachen beruht oder nur als Schutzargument für die spätere Ausschreitung beigebracht wurde, in deren Verlauf die Polizisten King mit PR 24-Ausziehstöcken und Fußtritten derart brutal zusammenschlugen, dass er elf schwere innere und äußere Verletzungen und einen bleibenden Hirnschaden davon trug. In jedem Fall ist sachlich richtig, dass das damals zur Verfügung stehende Modell des TASER bei Personen unter Einfluss von PCP kaum oder schlechter wirkt, weil sein Effekt ausschließlich in der Auslösung von Schmerz bestand. Schmerz wird unter Einfluss bestimmter Drogen weniger stark gespürt.
Daraus haben die Hersteller gelernt und Profit geschlagen. Der “Advanced TASER M26” und sein Nachfolgemodell X26 nutzen eine Wellenmodulation des Stroms (“pulsed shape technology”), um die Muskulatur zu blockieren. Es schmerzt nach wie vor, die Verlässlichkeit der Wirkung basiert jedoch auf einem Lähmungs-, nicht auf einem Wahrnehmungseffekt. Steve Tuttle von Taser International formulierte schon 2004:
Wir haben ein Mantra in der Firma und das Mantra lautet: Sie passt an jeden Gürtel, sie passt an jeden Gürtel von jedem Polizisten auf der ganzen Welt. Das ist unser totaler Antrieb. Wir haben den richtigen Gang eingelegt, um ganz an die Spitze zu fahren und die X26 zur Standardausrüstung werden zu lassen. X26 ist keine Boutiquen-Waffe.”
Heute ist der TASER flächendeckend über ganz Europa verbreitet.
An der Rodney King Geschichte wird deutlich, dass nur absolut zuverlässige, 100 % sicher funktionierende nicht-tödliche Waffen auf Dauer eine Chance haben, in die Standard-Ausrüstung der Polizei überzugehen. Dafür sind jahrelange Tests und viel Erfahrung im Alltag nötig. Zwölf Jahre hat die Entwicklung von ADS (siehe Die politische Technologie der Pein) bislang schon gedauert. Trotzdem war bei Tests mit Dummies und mit Menschen im Jahr 2004 und 2005 noch ungelöst, wie man verhindern soll, dass Kontaktlinsen im Auge schmelzen, Brillen im Gesicht fest schmoren, und wie man bei Einsätzen im öffentlichen Raum damit umgeht, dass das aufgeheizte Kleingeld in den Taschen der Probanten weiter brennt, wenn der Strahl der modulierten Wellen schon längst versiegt. Soll man nur auf vollständig Mittellose schießen? Soll man sie bitten, Münzen, Schnallen und Metallreißverschlüsse vor Beginn der Schlacht aus den Hosen zu entfernen?
William Arkin von der Washington Post hat in einem Beitrag des italienischen Fernseh-Senders RAI News mit dem Titel “Der Sternenkrieg” im Sommer 2006 auf einen weiteren “Rückschlag”-Effekt der “geheimen Superwaffen” hingewiesen:
Seit Tausenden von Jahren töten Menschen Menschen mit Schwertern, Kugeln, Pfeilen, Bomben. Das ist Kinetik. Du tötest, indem du zuschlägst. Plötzlich, wie aus dem Nichts, taucht eine zweite Möglichkeit auf: ein neues physikalisches Prinzip. Die Leute wissen oft nicht einmal, dass man sie mit unsichtbaren Strahlen attackiert, wenn jemand sie mit hochenergetischen Mikrowellen (HPM) oder Laserlicht beschießt. Die Panik der Politiker und Sicherheitsfachleute vor IEDs (improvised explosive devices, selbstgebastelte Bomben) ist so groß, dass selbst halb fertige Produkte jetzt aus den Labors auf die Straße kommen.
Derzeit haben wir ein Budget von 50 Millionen US-Dollar jährlich, das für nicht-tödliche Waffen allgemein ausgegeben wird. Etwa 200 Millionen US-Dollar zusätzlich werden in diverse Programme wie HPM (high power microwave) oder ADS gesteckt. Man kann nur vermuten, dass 100 bis 200 Millionen US-Dollar darüber hinaus über “schwarze Kanäle” für andere Forschung an Laserwaffen umgewidmet wird. Und dann kommen die offiziellen Laserprogramme dazu, der taktische Laser, die hochenergetischen Laser der Luftwaffe, Zeus, der jeepgestützte Minenvernichter auf Laserbasis. Wenn man das alles zusammen rechnet, geben die USA rund eine halbe Milliarde US-Dollar für Direkte-Energie Waffen aus. Das ist keine ganz unbedeutende Summe. Sie entspricht dem allgemeinen Verteidigungsbudget mancher europäischer Staaten. Man kann bei den US Northern Command, die für die Heimatsicherheit zuständig sind, eine regelrechte Begeisterung für all diese Technologien wie LRAD, ADS und HPM bemerken. ... Und wir wissen genau, wenn erst einmal die USA diese Waffen im Innern zur Wahrung der Sicherheit einsetzt, dann sind Nato und Italien und andere nicht weit dahinter.
Im August 2006 stellte Edward Hammond vom Sunshine Project den Autoren zwei längere Papiere zur Verfügung, die inzwischen auch online zugänglich und unter dem Freedom of Information Act veröffentlicht sind. (http://www.sunshine-project.org/UFLpeoplezapper.pdf http://www.sunshine-project.org/ADShumantesting.pdf) Hammond kommentierte dazu: „Nothing classified was released to me, although some of it was stamped “FOUO” (“For Official Use Only”)”. Ein Blick in diese Dokumente lohnt.
Bewertung eingeschränkter militärischer Einsatzmöglichkeiten des Aktiven Vertreibungssystems ADS. Bewertung des Verhaltens von Personen nach Bestrahlung mit Millimeterwellen. Experiment 1 und 2 nebst Auswertungsfragebögen, Protokoll FWR 2003-03-31-H. Institut für Hochenergieforschung und Technologie, Gebäude 66071, Labor am Luftwaffenstützpunkt Kirtland NM 87117, Direktorat zur Erprobung der Effektivität bei Menschen, Bereich Radiofrequenzstrahlen.
Wenn Sie sich entschließen sollten, freiwillig an dieser Studie teilzunehmen, werden Sie mit Millimeterwellen bestrahlt, deren Energie die Sicherheitsschwelle für anwendbare Maximaldosen um das 20-fache überschreitet. Die Bestrahlung kann Ihre Haut auf bis zu 50 Grad Celsius aufheizen, falls Sie nicht rechtzeitig hinter einer der Barrieren im Testgelände Schutz suchen. Die Leistung und Dauer der Abstrahlung von Energie ist geräteseitig so begrenzt, dass eine Erhitzung von mehr als 55 Grad Celsius unmöglich ist. Die Schmerzschwelle wird zwischen 43 und 45 Grad überschritten. Das Schmerzerlebnis steigt in seiner Intensität, bis es zwischen 55 und 60 Grad sein Maximum erreicht. Höhere Erhitzung zerstört die Zellen, wird aber nicht als Steigerung des Schmerzes erfahren. In einigen Situationen werden Sie vollständig bekleidet sein. Labortests haben ergeben, dass Bekleidung wenig Einfluss auf die Wahrnehmung der Strahlen hat. Dennoch können Nähte, Knöpfe, Uhren, Schmuck, Gürtelschnallen oder Reißverschlüsse so genannte “hot spots” bilden, an denen sich die Energie der Strahlen bündelt. Solche “hot spots” verschwinden erfahrungsgemäß schnell, wenn Sie, Ihren normalen Reflexen folgend, aus dem Strahl treten oder blinzeln, für den Fall, dass Ihr Augeninneres betroffen ist.
Es wird von Ihnen erwartet, dass Sie mit beiden Füßen auf dem Boden und seitlich angelegten Händen solange stehen bleiben, bis Ihre persönliche Toleranzgrenze für Schmerz erreicht ist. Wenn Sie am Bewegungsversuch teilnehmen, heben Sie bitte an diesem Punkt die Hand und zählen bis 15. Wir geben Ihrer Haut in der dabei verstreichenden Zeit die Gelegenheit, ausreichend herunterzukühlen. Besondere Sicherheitsmaßnahmen für Frauen: Schwangere sollten nicht am Test teilnehmen. Die Gefahr, dass Sie beim Versuch, dem Strahl auszuweichen, stolpern und fallen, ist groß. Auch wenn bislang kein Anlass zu dem Verdacht besteht, dass Millimeterwellen den Fötus in seiner Entwicklung beeinträchtigen, bleibt ein Restrisiko der Verletzung des ungeborenen Lebens bestehen.
Bei der Frontalbestrahlung werden Sie einen Badeanzug oder Unterwäsche tragen, damit wir Ihre Hauterwärmung über Infrarotkameras aufzeichnen können. Frühere Studien haben bereits ergeben, dass die nötige Energie für eine starke Schmerzerfahrung von der Gesamt-Fläche abhängt, die gleichzeitig bestrahlt wird. Im Gegensatz zu einem Sonnenbrand, der wegen der Ultraviolettanteile des Lichtes ein Langzeitrisiko birgt, sind von Millimeterwellen keinerlei unerwünschte Nachwirkungen zu befürchten. Brillen oder Kontaktlinsen dürfen nicht getragen werden. Sind Sie ohne Sehhilfen in Ihrer Orientierung stark eingeschränkt, dann verzichten Sie besser auf die Teilnahme am Versuch. Sollten Sie unmittelbar im Zusammenhang mit dem Versuch verletzt werden, erhalten Sie kostenlose medizinische Versorgung. Sie erhalten keinerlei weitere Kompensationen, insbesondere keine Bezahlung. Ihr direkter Nutzen besteht in der persönlichen Erfahrung mit einem System, das in Kürze zum Inventar der nicht-tödlichen Wirkmittel zählen wird.
Attachment D, Fragebogen: Soziale und kulturelle Faktoren wie religiöse Werte, politische Ansichten, Geschlecht oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie könnten die Motivation feindlicher Ziele, der Wirkung von ADS zu widerstehen, beeinflussen. Denken Sie, dass diese Idee richtig ist? Wenn ja, können Sie eine Rangfolge angeben, aus der hervorgeht, welche der genannten Faktoren den größten Einfluss haben?
Das gesellschaftliche Gesundheitsmodell, das mit der Einführung von “Maximal-Schmerz-Waffen” einhergeht, nämlich das Modell einer “klinisch sauberen Operation”, eines quasi “chirurgischen Eingriffs”, ist untrennbar mit dem medizinischen Modell verbunden. Nur wenn ein Hersteller nachweisen kann, dass er über eine Anwendung verfügt, die gleichzeitig ausreichend effektiv ist, um absolut jedermann zu stoppen (incapacitation) und zugleich unschädlich für Kinder, Schwangere, kranke und ältere Leute, die sich im öffentlichen Raum mit einer zu behandelnden Gruppe von Randalierern mischen könnten, nur dann darf sich das Produkt “nicht-” oder “weniger-tödlich” nennen.
Dies scheint mit Waffen ideal möglich, die – anders als die klassischen Schagstöcke, Gummikugeln und Tränengase – rein gar keine Spur der Verletzung mehr auf dem Körper hinterlassen. Doch bei genauerer Analyse der medizinischen Befunde nach Anwendung von Schmerzerzeugern wie TASER und ADS stellt sich die Bezeichnung “nicht-tödlich” als Marketing-Begriff heraus.