Mehr Niedriglöhnerei, digital und gendermäßig aufgehübscht
Seite 2: Junge Menschen: Recht auf Praktikumsplatz
- Mehr Niedriglöhnerei, digital und gendermäßig aufgehübscht
- Junge Menschen: Recht auf Praktikumsplatz
- Null-Stunden-Arbeitsvertrag: jetzt zulässig
- Auf einer Seite lesen
Recht Nr. 4 hat die Überschrift "Aktive Unterstützung für Beschäftigung". Da heißt es zum Beispiel: "Junge Menschen haben das Recht auf einen Praktikumsplatz". Immerhin! Es muss ja kein richtiger Ausbildungs- oder Arbeitsplatz sein. Ob der gnädig bereitgestellte Praktikumsplatz bezahlt wird - dazu keine Angaben. Weiter heißt es: "Arbeitslose haben das Recht auf individuelle, fortlaufende und konsequente Unterstützung". Hartz IV erfüllt diese Kriterien doch gut: Die Unterstützung ist individuell und irgendwie auch konsequent, oder nicht? Wie hoch die Unterstützung ist - auch dazu keine Angaben.
Atypische Arbeitsverträge dürfen nicht "missbraucht" werden
Recht Nr. 5 heißt "Sichere und anpassungsfähige Beschäftigung". Dazu heißt es: "Der Übergang in eine unbefristete Beschäftigungsform wird gefördert": Mit der ESSR geht die EU also zunächst von befristeter Beschäftigung aus, und irgendwie wird dann die unbefristete Beschäftigung gefördert - die muss aber nicht kommen. Weiter heißt es: "Prekäre Arbeitsbedingungen werden unterbunden, unter anderem durch das Verbot des Missbrauchs atypischer Verträge". Atypische Verträge sind also zulässig und normal, sie dürfen nur nicht "missbraucht" werden. Weiter heißt es: "Probezeiten sollten eine angemessene Dauer nicht überschreiten." Angemessen. Sollten.
Private Streitbeilegung statt staatlicher Arbeitsgerichte
Im Recht Nr. 7 heißt es: "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht, am Beginn ihrer Beschäftigung schriftlich über ihre Rechte und Pflichten informiert zu werden." Donnerwetter! Das ist ja fast (fast) so viel wie in China! So geht es weiter: "Bei jeder Kündigung haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht, zuvor die Gründe zu erfahren." Also schon bevor man vor die Türe gesetzt ist! Von dieser Güte gibt es noch mehr Rechte: "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht auf Zugang zu wirkungsvoller und unparteiischer Streitbeilegung." Das erfüllt den langgehegten Wunsch der Unternehmer und wie es schon in den Arbeitsrechts-Kapiteln von Freihandelsabkommen wie Ceta steht: Weg von den staatlichen Arbeitsgerichten, lieber die betriebsinterne, private, nichtöffentliche Streitschlichtung!
"Lange Teilnahme am Arbeitsmarkt" - wie lange ist "lang"?
Im Recht Nr. 10 heißt es: "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht auf ein Arbeitsumfeld, das ihren beruflichen Bedürfnissen entspricht und ihnen eine lange Teilnahme am Arbeitsmarkt ermöglicht." Im Klartext heißt das: Arbeitsmigranten aus Rumänien und Flüchtlinge (die nicht ertrunken oder verhungert sind) werden in Deutschland und Frankreich von den Unternehmern und Vermittlern und Jobagenturen dort eingesetzt, wo ihre Ansprüche und vielleicht anerkannten Qualifikationen am besten hinpassen.
Und was bedeutet eine "lange" Teilnahme am Arbeitsmarkt? Wie lang ist "lang"? Lebenslang? Bis zur gesetzlichen Rente? Oder eben solange, bis die Arbeitskraft verschlissen ist wie in den Fleischfabriken?
Soziale Rechte müssen "angemessen" sein
Die Rechte Nr. 11 bis 20 stehen unter der Überschrift "Sozialschutz und soziale Inklusion". Sie betreffen Kinder, Arbeitslose, RentnerInnen, auch die Gesundheitsversorgung, Mindesteinkommen, Behinderung, Pflege, Wohnraum usw. Die Rechte sind auch hier nicht nur unverbindlich, sondern besonders unbestimmt: "angemessene Freistellungs- und flexible Arbeitszeitregelungen", "angemessene Kündigungsfrist", "angemessene Mindestlöhne", "angemessener Lebensstandard", "angemessener Sozialschutz", "angemessene Leistungen von angemessener Dauer" (für Arbeitslose), "angemessenes Ruhegehalt", "angemessene Unterkünfte und Dienste" (für Wohnungslose).
Keine Kollektivrechte
Die kollektiven Arbeits-, Tarif- und Gewerkschaftsrechte, die Mitbestimmung und Belegschaftsvertretung fehlen in der "Europäischen Säule" vollständig. Das setzt die bisherige Politik der Arbeitsrechte in der EU fort: Gefördert werden individuelle Rechte - die der privaten Unternehmer besonders. Allerdings darf zeitgeistgemäß der Begriff "soziale Inklusion" nicht fehlen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.