Mehr als 90 Prozent für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien
Seite 2: Negative Reaktionen aus dem Ausland
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"Ist das normal, dass die Polizei Menschen verprügelt, die ihr Wahlrecht ausüben", fragt man sich auch in Frankreich angesichts der brutalen Aufnahmen, die immer nur einen Aggressor zeigen. So spricht auch die französische Zeitung Liberation im Titelaufmacher von einem "Gewaltschlag" gegen Katalonien und zeigt ein Bild, das Bände spricht. Auch in Madrid muss man sich eingestehen, dass die Bereitschaft, die Urnen und mit ihnen die demokratischen Grundrechte gegen die spanischen Sicherheitskräfte zu verteidigen, über den Sonntag weiter wuchs.
Dass massiv aus verschiedenen Ländern interveniert wurde, um weitere Gewalt zu stoppen, ist inzwischen klar. Nun hat auch die EU-Kommission Stellung bezogen und Madrid deutlich gemacht, dass "Gewalt kein Instrument der Politik sein kann", sagte die Sprecherin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Margaritis Schinas rief alle zum Dialog auf, den Madrid aber seit mindestens sieben Jahren ablehnt und verweigert.
Fast 850 Verletzte
"Hem votat, hem votat", wir haben gewählt, wurde dann immer wieder Sprechchöre angestimmt, während zahllose Menschen die Wahllokale während der Stimmauszählung geschützt haben. Die Stimmung wurde dabei am Abend immer gelöster und feierlicher. Unter den Verteidigern und Feiernden war auch Jordi (Name geändert), der ebenfalls nach dem Dienst gekommen war, um als menschliches Schutzschild zu dienen. Er stand Seite an Seite eingehakt mit Linksradikalen, Anarchisten, Christdemokraten, Omis, Opis ... als plötzlich Mossos an einem Wahllokal in der Altstadt Barcelonas aufzogen und befürchtet wurde, sie könnten doch noch versuchen, die Urnen zu beschlagnahmen. "Sie werden es nicht tun", erklärte Jordi, "aber sie müssen ihre Pflicht tun", erklärte er Telepolis.
Jordi kennt sich aus, denn er ist einer der Mossos d'Esquadra, die sich auch schützend vor die Wähler gestellt und sich zum Teil mit Feuerwehrleuten, der Guardia Civil und der Nationalpolizei angelegt haben, um die Unversehrtheit der Bürger zu garantieren. "Versteh mich", erklärte er seine Ablehnung einer Interviewanfrage. Für ihn ist klar, dass es schwierig werden wird und die Sache längst nicht ausgestanden ist, weshalb er sich nicht noch mehr exponieren will.
Während die Stimmen an den zentralen Wahlrat übermittelt wurden, wird langsam das gesamte Ausmaß der Gewalt deutlich. Fast 850 Menschen wurden verletzt, zum Teil schwer - durch Gummigeschosse und Knüppel. Die internationalen Beobachter haben allseits die brutalen Übergriffe scharf verurteilt. Der Sprecher der Delegation, der ehemalige slowenische Außenminister Dimitrij Rupel, kritisiert die "Gewalt" und die "elektronische Sabotage" genauso wie die "Beschlagnahmung von Wahlurnen". Er hob das friedliche Verhalten und die "Integrität" der Referendumsteilnehmer bei der Verteidigung ihres Wahlrechts hervor.
"Kein Zeugnis eines modernen Rechtsstaats
Zur Beobachtung der Vorgänge befand sich auch der europapolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag in Katalonien. "Das Ausmaß der Gewalt gegen Wahlwillige in Katalonien ist völlig inakzeptabel", erklärte er gegenüber Telepolis und er verurteilt "sehr deutlich" die Gewalt gegen die Referendumsteilnehmer. Er selbst wurde Zeuge einer gewaltsamen Erstürmung einer Schule. "Kurz darauf konnte ich den Einsatz von in Katalonien verbotenen Gummigeschossen gegen Demonstranten beobachten", fügte er an.
"Unabhängig davon, wie man zu den Unabhängigkeitsbestrebungen und zum heutigen Referendum steht: Demolierte Schulen, brutal erkämpfte Wahlurnen und insbesondere blutüberströmte Wähler und Wählerinnen können kein Zeugnis eines modernen Rechtsstaats sein." Das Vorgehen der Regierung Rajoy sei das "direkte Gegenteil" davon. "Ich erwarte von der Bundesregierung, insbesondere von Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel, sowie von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine unzweideutige Verurteilung des Vorgehens."