"Mein Papa ist eine Maschine"

Foto: Paramount Pictures

Zwischen Familienwerten und Zerstörungslust: "Terminator Genisys"

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Im Jahr 2029 haben Roboter die Menschheit unterworfen und herrschen über die Welt. Die Menschen proben unter der Führung des charismatischen John Connor den Aufstand. Der Kampf der Menschen gegen die Maschinen hat begonnen. Die Roboter wiederum haben eine Killer-Maschine - den Terminator - in die Vergangenheit geschickt, um zu verhindern, dass Connor überhaupt geboren wird. Umgekehrt reist der junge Kämpfer Kyle zurück ins Jahr 1984, um die Mutter Johns, Sarah Connor erstmal zu retten und dann zu schwängern. Alles schon einmal gesehen?

Stimmt, wirklich neu ist hier nichts, sondern "Terminator Genisys" ist der Gipfel des dummdreisten Selbst-Nachäffungswahns, der Hollywood infiziert hat. Der ständigen öden Wiederkehr des Immergleichen kann man nur durch einen Aufstand der Zuschauer gegen die Drehbuchmaschinen Einhalt gebieten.

"Die Zukunft hat sich geändert!", wirbt der Film, und man ahnt schon, dass dies keine gute Nachricht ist. Gut für Fans ist aber erstmal, dass Arnold Schwarzenegger zum dritten Mal sein Versprechen "I'll be back" einlöst: Der "Terminator", die wohl berühmteste Kultfigur des modernen Actionkinos, ist zurück; unkaputtbar, maschinell und doch menschlich - weder sein Ausflug in die US-Politik als "Gobernator" noch sein inzwischen fortgeschrittenes Altern tun dem Leinwandeindruck großen Abbruch.

"Terminator Genisys", bei dem diesmal der völlig unbekannte Fernsehveteran ("Thor - The Dark Kingdom", "Game of Thrones", "Boardwalk Empire") Alan Taylor Regie führte, beschwört zwar im Titel die biblische Schöpfungsgeschichte, doch dreht sich die Handlung eher um die Hölle eines alternativen Universums: Noch einmal, wie schon im ersten "Terminator", landet der stählerne "Cyberorganismus" im Los Angeles des Jahres 1984.

Foto: Paramount Pictures

Die Muskeln sind durch digitale Schönheitsoperationen geglättet wie auch das Antlitz des Kinohelden. Wie in Plastilin konserviert und nach drei Jahrzehnten wieder aus der Konservendose geholt, wirkt der ganze Film: Allemal ist der Kontrast irritierend, der sich zwischen dem Schwarzenegger der Vergangenheit und dem der Gegenwart auftut, dem wir in der späteren Hälfte des Films begegnen. Alter und Schönheitschirurgie wirken sich auf Schwarzeneggers limitierte Schauspielkunst nicht positiv aus.

Aber es gibt großartige Augenblicke voller Selbstironie, Nostalgie und - ja! - Weisheit, in denen man diesen sonderbaren Menschen erlebt, der vom Bodybuilder zum Schauspieler mutierte und paradoxer- aber eben auch passenderweise ausgerechnet im Auftritt als Maschine die Rolle seines Lebens fand. Er ist in der Filmhandlung, die von 1984 bis 2017 reicht, über 30 Jahre unter den Menschen: Eine altgewordene Maschine, die sich in den neuen hypermodernen Zeiten zwischen all der neuen Technik nicht mehr wirklich gut zurecht findet. Und die Sprüche sagt, wie heute jeder zweite "Silver Surfer": "I'm old, not obsolete."

Ein Überbleibsel aus dem 20.Jahrhundert, ein Angehöriger der Arbeiterklasse, bei der es auf Muskelkraft ankommt nicht auf die Schnelligkeit am Touchscreen, einer, der es stoisch aushält, dass die Zeit über ihn hinwegging, und das Ende aller Tage immer näher rückt.

Philosophie des Stattdessen

Die Handlung von "Terminator Genisys" ist kompliziert, schwer nachzuerzählen, und wer zufällig Einsteins Relativitätstheorie im Kopf hat oder sich mit Zeitreisen und Parallelwelten beschäftigt, ist fraglos erheblich im Vorteil. Denn alles ist relativ in diesem Film, Sarah Connor wird von zwei Darstellerinnen gespielt, Kyle Reese von dreien, Sarahs Sohn John Connor von vieren.

Foto: Paramount Pictures

Auch Schwarzenegger ist nur als Nichtdarsteller konsistent. Und manchmal fragt man sich nicht so sehr, in welchem "Terminator"-Film man sich gerade befindet, sondern, ob man nicht aus Versehen in eine Vorführung von "Last Action Hero" gestolpert ist, sich in "Total Recall" verirrt hat oder - Gott behüte! - in die "Expendables".

Wie ein Bewohner einer Flipperkugel wird man zwischen den Jahren 1984, 2017 und 2027 hin und her geschossen und entwickelt auch als Zuschauer solch ein paradoxes Gefühl wie Nostalgie gegenüber der Zukunft. Wieder einmal ist es John Connor (Jason Clarke), der im nach wie vor unüberbotenen "Terminator II" ein kleiner Junge war, der aus einer fernen Zukunft eine Kampfmaschine in die Vergangenheit sendet, um die eigene Zukunft zu sichern. Es gibt über den ganzen Film verteilt glänzend inszenierte Action-Sequenzen.

Foto: Paramount Pictures

Und wie im zweiten Teil muss auch hier Johns Mutter Sarah gerettet werden - der Filmcharakter, der einst Linda Hamilton berühmt machte, den aber jetzt die dynamische, charismatische Britin Emilia Clarke ("Game of Thrones") spielt. Wieder kommen Killer-Maschinen, doch diesmal wurde am Zeitstrang herummanipuliert mit dem Ergebnis, dass Sarah weiß, worum es geht, sie nicht mehr viel fragen muss, sondern gleich losballern kann.

Sie wurde auch bereits früh von der Schwarzenegger-Figur aufgezogen und nennt die Maschine "Papa". Der Rest ist Action: Explosionen, digitale Selbstreparaturen, Bedrohungen, die in letzter Sekunde abgeschmettert werden.

Um die Zielgruppe zu erweitern und eine niedrigere Altersfreigabe zu erreichen, hat man alles Interessante, hat man Gewalt, Antihumanismus, Amoral und drastische Bilder aus dem Film herausgenommen. Ob das klappt? Wünschen will man das unserem Kino nicht.

Giftige Mythen

Bei der US-amerikanischen Kritik fällt der Film bislang durch. Das muss das nichts bedeuten, denn die Fans wollen es einfach mit eigenen Augen sehen, unabhängig vom Gemäkel an Details. Das Urteil ist aber auch für sich genommen etwas harsch: Denn dieser "Terminator" ist schön anzusehen, nur hat der Charakter einfach eine Menge hinter sich. Und die Narben verheilen bei Maschinen langsamer.

Foto: Paramount Pictures

Am Ende ist die Antwort auf die Frage, was wir von so einer Figur eigentlich wollen, einfach zu beantworten: Künstliche Menschen, von Frankensteins Monster bis heute, sind immer nur Spiegel unseres eigenen heimlichen Begehrens.

Dass die heroische Maschine einerseits Familienwerte predigt, andererseits viel kaputt schlägt, erzählt schon viel. Dass sich viele Zuschauer seit 30 Jahren eher mit einer Maschine identifizieren, als mit ihresgleichen, verrät noch mehr. In beidem stecken wie in dem ganzen neuen "Terminator"-Film die Selbstzweifel und die (Selbst-)Zerstörungslust unseres Zeitalters.