"Meinen ganzen Roman baue ich auf dem Green Deal der EU auf"
Der Klimwandel ist real. Doch wie bekämpft man ihn ohne soziale Verwerfungen - und will das die politische Klasse überhaupt? Ein Gespräch mit Uwe Laub über seinen Roman "Dürre"
Der Autor Uwe Laub veröffentlichte vor kurzem seinen neuen Roman "Dürre". Laub entwirft faktenbasiert ein Szenario in naher Zukunft, in dem Europa von einer Dürre heimgesucht wird. Er stellt zudem die Frage, wie unser CO2-Ausstoß damit zusammenhängt. Der UN-Klimaweltgipfel hat erneut gezeigt, wie schwer sich die Politik mit Maßnahmen gegen den Raubbau an der Natur tut. In Uwe Laubs Buch findet ein energisches Umschwenken statt. Doch auf wessen Kosten und mit welchen Folgen für die Gesellschaft?
Das Szenario in Ihrem aktuellen Roman "Dürre" - wie realistisch ist es?
Uwe Laub: Das Szenario, das ich in "Dürre" entwerfe, ist ein fiktives Szenario, das aber auf reelle Prognosen, Zahlen, Daten, Fakten von verschiedenen Instituten beziehungsweise Wissenschaftlern zurückgreift. Wir stellen fest, dass sich der Klimawandel immer mehr beschleunigt, und dass sich auch bei uns in Mitteleuropa Dürrephasen häufen. Sie wechseln sich immer stärker mit Extremwetterereignissen ab. Dazu gehören Starkregen und Hagel.
Diesen Sommer war ein fürchterliches Beispiel für Starkregen im Ahrtal. Auch das hängt natürlich mit dem Klimawandel zusammen. Das Szenario, das ich in "Dürre" entwerfe, ist in manchen Teilen natürlich etwas überspitzt beziehungsweise der Zeitraum, in dem das geschieht, ist vielleicht etwas verkürzt dargestellt. Das ist einfach dem Genre Thriller geschuldet. Da darf man auch gerne mal etwas gestalterische Freiheiten haben.
Im Großen und Ganzen aber ist "Dürre" ein Szenario, das ich für nicht unrealistisch halte. Vielleicht nicht in den nächsten vier bis fünf Jahren, aber wenn wir nicht entsprechend dem menschengemachten Klimawandel gegensteuern, dann kann das bereits in einigen Jahren der Fall sein.
In Ihrem Roman teilt sich das auf: Es gibt die landschaftlich-klimatischen und die gesellschaftlichen Veränderungen.
Uwe Laub: Ich würde den Roman auch auf die zwei genannten Aspekte aufteilen wollen: Das eine ist das Klimatische, das Szenario in der Umwelt. Das andere Thema sind tatsächlich gesellschaftliche Veränderungen. Das zeigt sich in einer weit höheren CO2-Bepreisung, als wir sie momentan haben. Ich glaube nicht, dass das, was wir momentan sehen, das Ende der Fahnenstange ist.
Wir werden eine CO2-Bepreisung nicht nur in der Energie und Mobilität bekommen, sondern das wird sich in einigen Jahren noch auf andere Branchen ausweiten. Auch international. Ich könnte mir da auch sehr gut die Lebensmittel-, Textil- und Transportindustrie vorstellen, die mit einer Form von Strafzöllen belegt werden, wie man heute sagen würde. Das könnte mit dem CO2-Fußabdruck gekoppelt werden. Wenn das verpflichtend eingeführt wird oder auf verschiedene Ebenen ausgeweitet, kann das sehr schnell zu sozialen Ungerechtigkeiten führen und zur Spaltung der Gesellschaft.
Es gibt auch eine Polizeibehörde namens ACON, die darauf achtet, dass der CO2-Verbrauch nicht zu hoch wird. Dazu nutzen sie eine Art Super-App, ein digitales Programm, das die Überwachung unterstützt. Technologisch wäre eine solche ACON-Behörde doch schon umsetzbar?
Uwe Laub: Eine Behörde wie die "Agentur für CO2-Neutralität", wie ich sie nenne, ist durchaus denkbar. Wir reden in Deutschland bereits über ein Klimaministerium. Das wird auch in einer Form kommen, die noch nicht genau festgeschrieben ist, aber es gibt dafür durchaus schon Ideen. So soll zum Beispiel das eben erwähnte Klimaministerium bei wirtschaftlichen Entscheidungen ein Vetorecht bekommen. Das sind jetzt die Anfänge.
Unterschied zur Romanhandlung: "Diese Apps sind alle freiwillig"
Ich führe das in "Dürre" noch viel weiter, zeichne es drastisch aus und übertreibe vielleicht auch ein bisschen, aber für so unrealistisch halte ich es nicht, dass wir in diese Richtung gehen werden. Rein technisch ist es möglich, solch eine App zu entwickeln. Tatsächlich gibt es CO2-Tracking-Apps schon seit längerer Zeit, die man selbst mit Daten füttert. Doch der ganz große Unterschied zur Romanhandlung ist: Diese Apps sind alle freiwillig.
Wenn ich als umweltbewusster Mensch etwas über meinen CO2-Abdruck wissen will, wo ich vielleicht auch Einsparpotenzial habe, dann lade ich mir solch eine Tracking-App runter, füttere sie mit meinen Daten und bekomme dann einen Wert angezeigt.
Jetzt muss man natürlich sagen, dass diese Apps noch sehr rudimentär und einfach sind. Sie zeigen Näherungswerte an. Aber es gibt sie bereits. Das wäre dann die Horrorvorstellung für mich, wenn eine solche App für jeden EU-Bürger und jede EU-Bürgerin verpflichtend eingeführt werden würde. Mit Budgets, die man einhalten muss.
Da stellt sich auch die Frage nach unserem Umgang mit Technologie. Schaut man sich im öffentlichen Raum um, so ist scheinbar jeder mit seinem Smartphone beschäftigt. Welchen Einfluss nimmt die allgegenwärtige Technologie? Sie dient zur Einhaltung der CO2-Balance, aber zugleich verbrauchen die Geräte doch wieder Energie?
Uwe Laub: Smartphones und moderne Technologien sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken, und es wäre illusorisch zu glauben, wir könnten jemals wieder "die Uhren zurückdrehen". Weshalb sollten wir auch? Das wäre überhaupt nicht wünschenswert. Umso mehr muss die Frage in den Vordergrund rücken, wie beziehungsweise woher wir die Energie für unsere moderne Lebensweise gewinnen wollen. Und da landen wir unter dem Strich immer wieder beim Thema "Ausbau regenerativer Energien".
In "Dürre" wird das System EU-weit durchgesetzt. Wenn man die Probleme bedenkt, die die EU-Kommission und andere Organe der EU gerade mit einzelnen Staaten haben, auch die steigende Europa-Skepsis, ist die Frage, ob eine solche App wie "Aequitas" in Ihrem Roman wirklich in der ganzen EU verpflichtend eingeführt werden könnte?
Uwe Laub: Das gehört zu den Aspekten im Buch, bei denen ich mir schriftstellerische Freiheiten genommen habe. Ich glaube kaum, dass solch ein drastisches System in dieser kurzen Zeit in der EU eingeführt werden könnte. In der Realität gibt es da eine ganze Menge an Mitgliedsstaaten, die sich querstellen und ablehnen würden. Wir wissen von der Funktionsweise der EU auch, dass der EU in einer solchen Situation die Hände gebunden sind. Insofern ist das natürlich ein Punkt, an dem ich in die Fiktion abgleite. Aber niemand von uns weiß, was in fünfzehn Jahren tatsächlich der Fall sein wird!
Sie erklären die schnelle Entscheidung der EU-Verantwortlichen damit, dass die Dringlichkeit des Klimawandels sie dazu drängt, das vorgestellte Produkt gleich zu kaufen.
Uwe Laub: Meinen ganzen Roman baue ich auf dem Green Deal der EU auf, 2055 klimaneutral zu werden und die Steuergelder zur Bekämpfung des Klimawandels einzusetzen. Das ist zu einem gewissen Teil denkbar, aber es stellt sich die Frage, wie schnell solch ein Szenario Wirklichkeit werden kann. "Dürre" spielt ja ein paar Jahre in die Zukunft. Ich habe das bewusst offengelassen. Ob das wirklich schon in den nächsten fünf Jahren so weit kommt oder vielleicht in zehn, fünfzehn?
Wenn sich unser Lebensumfeld tatsächlich so rasch verschlimmern sollte, dann werden auch neue Gesetze und Regelungen kommen müssen. Vielleicht zuerst nur auf nationalen Ebenen, aber irgendwann werden sich keine Staaten in der EU mehr querstellen können, die das jetzt vielleicht noch tun.
Die Politiker tauchen eigentlich nur zu Beginn des Romans auf. Warum später nicht mehr?
Uwe Laub: Die Politik und die Rahmenbedingungen habe ich zu Anfang dargestellt und zeige sie auf, damit man auch ein wenig in diese Welt eintauchen kann, die ich da beschreibe. Warum das alles in privater Hand ist, liegt an einem einfachen Gedanken: Stellen wir uns vor, in Deutschland würde solch ein Projekt stattfinden.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass beim derzeitigen Stand der Digitalisierung innerhalb der Behörden des Bundes solch ein Projekt überhaupt möglich wäre, ohne die Hilfe von privaten Anbietern. Da sind wir, was die Behörden und die Verwaltung betrifft, leider noch nicht so weit. Da sind andere Länder deutlich weiter als wir.
Die Kontrolle über den CO2-Konsum wird im Roman von einem privaten Unternehmen ausgeübt. In Ihrem Background-Bericht sagen Sie aber, dass die "Eigenverantwortung des freien Marktes" kaum diese Umweltsünden in Griff bekommen wird. Was denn nun?
Uwe Laub: In meinem Background-Artikel behaupte ich, dass man praktisch immer, wenn man in der Vergangenheit auf Eigenverantwortung des freien Marktes in Punkto Umweltschutzmaßnahmen gehofft hatte, enttäuscht wurde. Das gilt übrigens auch für freiwillige Verhaltensänderungen der Menschen innerhalb unserer Gesellschaft. Die traurige Wahrheit ist, dass wegweisende Veränderungen in Sachen Umweltschutz sehr häufig erst nur durch politischen Druck zustande gekommen sind.
Im Artikel auf meiner Website führe ich das weiter aus. In "Dürre" obliegt die Kontrolle und Überwachung von Aequitas einem privaten Unternehmen, weil private Konzerne im Bereich "Digitalisierung" deutlich leistungsfähiger sind als der Staat. Aber die Rahmenbedingungen für dieses Mandat gibt weiterhin die EU vor.
In Ihrem Roman verstößt ein rumänisches Unternehmen gegen die Auflagen. Warum gerade aus Rumänien? Steht es dort besonders schlecht um den Umweltschutz?
Uwe Laub: Umweltschutz hat in Rumänien in der Tat nicht die allerhöchste Priorität. Dabei muss man aber sehen, dass Rumänien mit ganz anderen erheblichen Problemen konfrontiert ist, wie zum Beispiel extreme Armut. Wenn du als Familienvater nicht weißt, ob du deiner Frau und deinen Kindern morgen genügend Essen auf den Tisch bringen kannst, dann ist es dir schlichtweg egal, ob die Fabrik, in der du arbeitest, CO2-neutral wirtschaftet oder nicht.
Außerdem ist Korruption in Rumänien weitverbreitet. Da ich noch dazu in Rumänien geboren wurde, und noch immer gewisse Einblicke in das Leben der Menschen dort habe, lag es nahe, den Konzern dort anzusiedeln.
"Im Urban Mining liegen riesige Einsparmöglichkeiten"
Neben dem Thema der Desertifikation spielt auch Urban Mining eine Rolle. Was genau ist Urban Mining?
Uwe Laub: Den Begriff "Urban Mining" gibt es schon seit der 1980er Jahren, aber erst so langsam beginnen wir zu verstehen, welch enormes Potenzial darin liegt. Bei Urban Mining werden Gebäude - vereinfacht gesagt - als wiederverwertbare Rohstofflager angesehen. Wird zum Beispiel ein Haus abgerissen, fallen dabei Tonnen an Ziegel, Beton, Holz, Glas, Kabel oder auch Metalle an, die wunderbar recycelt werden können.
All diese Rohstoffe wurden irgendwann und irgendwo in einem teuren, aufwändigen Primärprozess gewonnen. Warum sie entsorgen, wo alle Rohstoffe doch endlich sind? Viele Menschen wissen nicht, dass die Herstellung von Zement und Beton für einen ganz erheblichen Anteil des weltweit ausgestoßenen CO2 verantwortlich ist. Hier liegen im Urban Mining riesige Einsparmöglichkeiten.
Wird die drohende Dürre auch unsere Städte verändern?
Uwe Laub: Nicht die Dürre, als nur eine von mehreren Folgen des Klimawandels, sondern der Klimawandel in seiner Gesamtheit. Und diese Veränderungen vollziehen sich längst. In Kalifornien werden Straßenbelage mit hitzeabweisenden Farben bestrichen, in Athen entstehen weitläufige Grünflächen, die sich nach Fertigstellung über mehrere Kilometer lang rund um das Zentrum ziehen sollen; nach dem Vorbild von Paris oder Singapur.
Das sind nur einige wenige Beispiele. Generell kann man sagen, dass Begrünungen - zum Beispiel an Dächern und Fassaden - sowie Beschattungen durch Bäume unerlässlich werden, um das Leben in den Städten auch in mehreren Jahrzehnten noch lebenswert zu machen.
Gab es in Ihrem Roman vor der Einführung von Aequitas auch Gegendemonstrationen oder große politische Proteste?
Uwe Laub: Das ist auch eines der Themen, das ich nur am Rande mit ein paar Sätzen erwähne. Die Einführung von Aequitas ging natürlich mit Protesten in der Bevölkerung einher. Es gibt Menschen, die sich das nicht gefallen lassen wollen und einen großen Aufschrei. Letztendlich, mit den Monaten und Jahren, verliert jedoch alles irgendwann an Dynamik. Die meisten Bewegungen erlahmen schließlich. Irgendwann hat man sich einfach damit arrangiert beziehungsweise resigniert.
Sie schreiben auch über andere aktuelle Themen: In Ihrem vorletzten Roman "Leben" verarbeiten Sie Insider-Wissen aus der Pharmabranche, in der Sie auch beruflich tätig sind. Gesundheit ist besonders in der aktuellen Pandemie ein hohes Gut. Wo sehen Sie die Pharmabranche in der aktuellen Krise? Den Impfstoff-Herstellern wird von manchen Stimmen Profit vorgeworfen.
Uwe Laub: Forschung und Entwicklung von modernen Arzneimitteln und Impfstoffen verschlingen häufig viele hundert Millionen Euro. Diese Investitionen müssen getätigt werden, obwohl nur in einem Bruchteil der Forschungen am Ende tatsächlich ein wirksames Medikament oder Impfstoff die Zulassung erhält.
Insofern ist es natürlich vollkommen berechtigt, wenn ein Pharmaunternehmen nicht nur das vorab investierte Risikokapital wieder zurückbekommen, sondern auch Profit erwirtschaften möchte. Ein Pharmaunternehmen ist schließlich keine Wohltätigkeitsorganisation. Moderne Medizin hilft uns, ein längeres und oft bis ins hohe Alter gesundes Leben zu führen - trotz einer potenziell tödlichen Pandemie. Das, so finde ich, darf uns ruhig etwas Geld wert sein.
Arbeiten Sie bereits an einem neuen Roman? Wird dieser erneut ökologische Themen aufgreifen?
Uwe Laub: Ja, ich schreibe bereits an meinem nächsten Roman, der wieder im Heyne Verlag erscheinen wird, voraussichtlich Herbst 2023. Ich bleibe meinem Stil und meinen Themen treu und habe mir für meinen neuen Climate-Fiction-Thriller wieder ein spannendes Thema herausgesucht, das uns dank einiger bevorstehender Innovationen in wenigen Jahren schon sehr beschäftigen wird.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.