Menschenrechte für Menschenaffen?

In Neuseeland will das Great Ape Project einen Präzendenzfall schaffen

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Während man versucht, Künstliches Leben und intelligente Systeme zu entwickeln, die vielleicht irgendwann manche kognitive Leistungen des Menschen oder vielleicht sogar eine vergleichbare Persönlichkeit entfalten, und man etwa im Übergang vom Herz-Kreislauf-Tod zum Gehirntod und vielleicht auch zum Teilhirntod die Kriterien diskutiert, wann ein Menschen noch als ein persönliches Wesen lebt oder bei welchen Gehirnschäden er als tot betrachtet werden kann, verschiebt sich auch biologisch die Grenze nach "unten". Schließlich weisen Menschenaffen viele der Eigenschaften von uns auf. Seit vielen Jahren gibt es so das Great Ape Project (GAP), das die Gültigkeit der Menschenrechte auch auf Schimpansen, Orang Utans, Gorillas und Bonobos, unsere nächsten biologischen Verwandten, ausdehnen möchte und eine entsprechende UN-Erklärung fordert.

Der eloquenteste, wohl aber auch umstrittenste Fürstreiter der Bewegung ist der australische Philosoph Peter Singer (siehe auch: Tötung "lebensunwerten" Lebens?). Singer schrieb die mit "Animal Liberation" die Bibel der militanten Tierschützer, die sich beispielsweise in der Animal Liberation Front (ALF) organisiert haben. Singer argumentiert, daß das Leiden von Tieren ebenso wenig akzeptabel ist wie das von Menschen. Wenn man einem Menschenaffen keine Rechte gibt, dann könne man logischerweise auch Kinder, die geistig schwer behindert sind, nicht durch die Menschenrechte schützen. Da im Lauf der Geschichte manchen Menschen wie Sklaven, Leibeigenen, Behinderten und Frauen die vollen Rechte verweigert wurden, die anderen Mitgliedern der menschlichen Gemeinschaft gewährt wurden, aber schließlich doch alle Menschen vernünftigerweise im Zuge der Emanzipation und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in deren Genuß kamen, sei es jetzt an der Zeit, schrittweise den Menschenaffen und schließlich auch anderen höheren Tieren Rechte zu geben, um den irrationalen Anthropozentrismus zu durchbrechen. Die moralische Grenze, die wir zwischen Menschen und den Menschenaffen ziehen, sei unhaltbar: "Die Zeit ist daher reif, das Prinzip der moralischen Gleichheit auch auf die Mitglieder anderer Spezies auszuweiten."

Wie die Zeitschrift New Scientist berichtet, hat GAP eine Kampagne gestartet, um im Rahmen eines neuen Tierschutzgesetzes, das in Neuseeland vorbereitet wird, den Menschenaffen größere Rechte einzuräumen. Vorgesehen ist, ihnen das neben dem Recht auf Leben auch das Recht zu geben, keine grausame oder erniedrigende Behandlung erleiden zu müssen und in aller Regel nicht als Versuchstiere verwendet werden zu dürfen. Die "Deklaration über die Großen Menschenaffen" sieht darüber hinaus noch den Schutz der individuellen Freiheit vor, also daß "Mitglieder der Gemeinschaft der Gleichen nicht willkürlich ihrer Freiheit beraubt werden" dürfen. Genetisch seien die großen Affen mit über 98,5 Prozent den Menschen fast identisch, und sie hätten überdies menschliche Merkmale wie Intelligenz, reiche Gefühle, rudimentäre sprachliche und mathematische Fähigkeiten, Selbstbewußtsein und individuelle Persönlichkeit. "Die Idee ist", so der theoretische Biologe David Penny, der den Gesetzesantrag zusammen mit anderen 38 neuseeländischen Wissenschaftlern und Philosophen eingereicht hat, "einen Präzedenzfall zu setzen, dem andere Länder folgen können."

Neuseeland bietet möglicherweise tatsächlich eine Möglichkeit, ein solches Gesetz erstmals durchzubringen, da hier niemals Experimente an Menschenaffen durchgeführt wurden und im Land nur 28 Schimpansen sowie sechs Orang Utans leben. Das Parlament könnte also ohne große Folgen den Menschenaffen Rechte gewähren, was dann als Vorbild für ähnliche Rechtsprechung in anderen Staaten dienen könnte. Beispielsweise gibt es in den USA 1700 Schimpansen, die für wissenschaftliche Forschungszwecke eingesetzt werden. Falls das Gesetz in Neuseeland umgesetzt werden sollte, könnten Tierschützer vor das Gericht gehen, wenn sie glauben, daß Menschenaffen falsch behandelt werden.

Für die bekannte Schimpansenforscherin Jane Goodall ist GAP ein guter Ausgangspunkt. Es gehe zwar nicht um die Erweiterung der Menschenrechte an Affen oder andere Tiere, aber um die Ausdehung von gewissen Grundrechten, die eine moralische Verpflichtung der Menschen ihnen gegenüber in Recht umsetzen.

New Scientist schreibt, daß die neuseeländische Kampagne viele Befürworter habe, aber daß Wissenschaftler fürchten, daß diese darauf zielen könnte, jede Forschung an Tieren zu verhindern. Wenn man einmal eine Kontinuität zwischen Menschen und Menschenaffen herstellt, dann könnte man mit ähnlichen Argumenten immer weitere Tiere einbeziehen. Manchen Befürwortern der neuseeländischen Kampagne geht es denn auch gar nicht in erster Linie um die Gleichstellung von Menschenaffen mit Menschen, sondern einfach um einen größeren Schutz vor Mißbrauch, der sich vor Gericht einklagen ließe.