Mental im Schützengraben gelandet
Seite 2: Regression der Linken im Ukraine-Konflikt
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Eine solche Positionierung hätte auch im Ukraine-Konflikt nahegelegen. Denn die Parallelen sind unübersehbar.
Eine Nationalbewegung mit NS-Bezug und antisemitischer Grundierung, eine deutsche Politik, die diese Nationalisten bereits im Kalten Krieg in ihrem Münchner Rückzugsort protegierte und dann nach 1989 tatkräftig förderte. Was im Jugoslawien-Konflikt die Milosevic-Verteidiger waren, sind heute die Putin-Anhänger, die noch immer im Krieg des russischen Nationalismus eine Fortsetzung der Anti-Hitler-Koalition sehen.
Im Ukraine-Konflikt fehlt hingegen die linke Position, die alle positiven Bezüge auf nationalistische Konfliktparteien zurückweist, die die besondere Gefährlichkeit des ukrainischen Nationalismus und deren braune Quellen hervorhebt und sich positiv auf die Positionen beruft, die sich auf keine Seite in diesem Konflikt stellen.
Dabei wären die positiven Momente der Geschichte der Sowjetunion durchaus hervorzuheben – und es muss verdeutlicht werden, dass das Putin-Regime eine Negation dieser Vorstellungen ist. Es steht vielmehr in der Tradition der russischen Rechten, die schon 1917 gegen die Oktoberrevolution agierten. Es hätte zahlreiche Anknüpfungspunkte für einen solchen positiven Bezug gegeben.
Unter dem missverständlichen Titel "Stalins Architekt" findet gerade eine Ausstellung über den Architekten Boris Iofan in der Tchoban-Galerie statt. Dort ist zu erfahren, dass der Iofan Kontakt zur kommunistischen Bewegung in Italien fand, dann in die Sowjetunion migrierte und dort zeitweilig die Unterstützung Stalins fand, aber auch, nachdem er in Ungnade fiel, seine Projekte weiterverfolgen konnte – bis zu seinen Tod Mitte der 1970er-Jahre.
Was aber besonders interessant ist: Er plante auch immer wieder Arbeiterwohnungen und Krankenhäuser in Städten des heutigen Russland und der heutigen Ukraine. Das macht deutlich, dass damals eben dieser Nationalismus nicht wirkungsmächtig war – zum Vorteil für die Menschen, die dort lebten.
Auf solche Traditionen könnte sich eine Linke in Deutschland heute beziehen – wie auch auf eine antistalinistische ukrainische Linke, wie sie beispielsweise Roman und Emmy Rosdolsky verkörperten. Ihnen hat der Mandelbaum-Verlag erst 2017 ein Buch gewidmet. Im Ca-Ira-Verlag ist ein Hauptwerk von Roman Rosdolsky gerade nicht mehr vorrätig.
Mit diesen Bezugspunkten hätte sich eine Linke im Ukraine-Konflikt gegen jeden Nationalismus und gegen Krieg positionieren und die nationalistischen Mythen, mit denen die Bevölkerung in den Tod getrieben wird, angreifen können.
Linke im Bett mit dem Asow-Regiment
Stattdessen ist auch bei Linken, die für ihre Kritik an Staat und Nation im Allgemeinen und an Deutschland im Besonderen bekannt waren, eine Regression zu beobachten. Sie machen es sich in den Schützengräben des Ukraine-Konflikts aufseiten der ukrainischen Nationalisten bequem, wollen kein Asow-Regiment und keine Bandera-Denkmäler sehen. Ihre ganze Argumentation schrumpft auf einen gewöhnlichen Nationalismus zusammen, in dem sie Partei ergreifen.
Dabei argumentieren sie mit der ukrainischen Bevölkerung, die angeblich so heldenhaft den Besatzern Widerstand leistet – das dümmste Argument in jeden Krieg, in dem man sich auf einer Seite positioniert. Denn es ist ja gerade die Rolle des jeweiligen Nationalismus, die Bevölkerung zum Kanonenfutter zuzurichten, das für "das eigene Vaterland" in den Krieg und oft in den Tod zieht. Linke Politik sollte die Lüge vom Vaterland entlarven und die Menschen auf beiden Seiten aufzurufen, eben nicht Material für Tod und Verderben abgeben soll.
Wenn man die Argumente der neuen Patrioten ernst nimmt, hätte Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gleich aufgeben können. Denn zu Beginn des 1. Weltkriegs gab es eine breite patriotische Stimmung, die von der SPD bis zu den Alldeutschen keine Klassen, sondern nur noch Deutsche sehen wollte.
Es war gerade das Verdienst der Kriegsgegner, sich davon nicht dumm machen zu lassen, sondern aus der Position der völligen Minderheit und bedroht von massiver Repression, ihre Propaganda gegen den Krieg zu beginnen. In wenigen Monaten fanden sie Gehör und schon 1917 gab es auch in Deutschland die ersten größeren Streiks gegen den Krieg.
Die vorwiegend von Frauen getragenen Proteste vor Bäckereien und Märkten, die Dania Alasti in einem Buch aus dem Programm des Unrast-Verlages bekannt machte, begannen schon früher. Hier könnte eine linke Positionierung gegen den Krieg heute anknüpfen. Sie würde schnell auch in der Ukraine Unterstützer finden. Denn das Konstrukt von der heldenhaft kämpfenden Ukraine ist selbst ein nationalistischer Mythos, der auch mit Terror und Gewalt hergestellt wird.
Pazifisten wie Ruslan Kotsaba müssen sich heute verstecken und sind in Lebensgefahr – wie alle Ukrainer, die nicht Anhänger des ukrainischen Nationalismus sind, sondern für eine neutrale Ukraine – oder die es gar als gesellschaftlichen Rückschritt halten, dass die Sowjetunion beerdigt wurde.
In der Wochenzeitung Freitag hat eine solche Ukrainerin unter einem Alias-Namen Marija Hirt ihre Gedanken aufgeschrieben. Hier lägen die Bündnispartner für eine Linke, die sich mit keiner Seite in dem Ukraine-Konflikt gemein macht. Aber viele nutzen stattdessen die Gelegenheit, ihre kritische Vergangenheit abzuschütteln und als treue Söhne und Töchter Deutschlands noch Anschluss und Karrieremöglichkeiten zu finden.
In einem solchen Klima ist es nur selbstverständlich, dass eine Julia Latynina dann Thesen in einer linksliberale Zeitung verbreiten kann, die sonst nur in Rechtsaußenpublikationen zu lesen waren. Sie ist da nur Trendsetterin. Solange ein Andrej Melnyk Bandera und das Asow-Regiment ohne großen Widerspruch loben kann, muss man sich darüber nicht wundern. Das Problem ist die Regression einer linken Bewegung, die ihre eigenen Grundsätze vergessen hat.