Merkel-Gesundheit zwischen Ressentiment und Hofberichterstattung
Seite 2: Gesundheit und Krankheit sind gesellschaftliche Begriffe
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Doch in der neoliberalen Realität ist nur das Gesundbleiben eine Privatsache. Jeder Hartz IV-Empfänger oder Arbeitnehmer muss seinen Gesundheitszustand von Ärzten mit Attesten vor Chefs und Behörden dokumentieren. Wenn er sich dort darauf berufen würde, dass sein Gesundheitszustand seine Privatsache ist, stünde er schnell mittellos da. Gesundheit als Privatsache können sich also nur Privilegierte leisten.
Dagegen steht ein Begriff von Gesundheit als von gesellschaftlichen Faktoren bestimmt. Der eigene Gesundheitszustand ist dann keine Privatsache, sondern ein gesellschaftliches Thema. Damit wird auch der Druck vom Einzelnen genommen, in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz etc. immer das Bild des perfekt funktionierenden Körpers vorspielen zu müssen.
Das Medikamentendoping, das dahintersteht, darf man nicht sehen. Wehe dem, der die Pillen oder Tröpfchen aus Versehen doch mal mit in die Öffentlichkeit nimmt. Auch da setzt sofort die Stigmatisierung ein. Die Erklärung des Gesundheitszustandes zur Privatsache fördert solche neoliberale und autoritären Herrschaftsweisen.
In allen autoritären Staaten ist der Gesundheitszustand von meist starken Männern, die die Länder zumindest scheinbar regieren, streng geheim. Erst vor einigen Monaten kämpfte in Algerien eine Massenbewegung gegen die Herrschaft, der ein Mann vorstand, der so krank war, dass er wahrscheinlich nicht einmal die Gesetze, die seine Kamarilla in seinem Namen erließ, selbst unterschreiben konnte.
Offenlegung der gesundheitlichen Daten von Menschen, die sich um Herrschaftsposten bewerben ist daher eine emanzipatorische Forderung. Sie muss eben aber ausnahmslos für alle gelten, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Denn die politischen Präferenzen spielen heute immer mit, wenn Gesundheitszustände von Politikern meist von Laienmedizinern in Ferndiagnose erstellt werden.
Auch manche, die jetzt bei Merkel nichts über ihren Gesundheitszustand wissen wollen, waren bei Trump nicht so empathisch. Da wurde und wird immer wieder spekuliert, ob der mental und physisch überhaupt für das Amt geeignet ist. Es gibt mehrere Bücher zum Thema. Eine Offenlegungspflicht für die Gesundheitsdaten würde einem Großteil der Spekulationen die Grundlage entziehen.
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