Merkel braucht Macron

Emmanuel Macron and Angela Merkel (Frankfurter Buchmesse 2017). Bild: ActuaLitté / CC BY-SA 2.0

Die "europäische Lösung" und ihr politischer Preis: Wie sehr wird die deutsche Kanzlerin den EU-Reformplänen des französischen Präsidenten entgegenkommen?

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In der französischen Delegation, die morgen, angeführt von Präsident Macron, ins brandenburgische Meseberg kommt, um mit deutschen Regierungspolitikern den EU-Gipfel Ende Juni vorzubereiten, ist man sich natürlich klar darüber, dass die deutsche Kanzlerin in einer Krise steckt.

Alle großen Medien in Frankreich berichten über den aktuellen Streit innerhalb der Unionsparteien und darüber, wie sehr man in Deutschland nun auf die "europäische Lösung" von Angela Merkel achten wird. Le Monde fasst das Problem auf europäischer Ebene wie folgt zusammen.

Die CSU wolle, dass Migranten, die in einem anderen Land registriert wurden, "zumeist Italien oder Griechenland", an der Grenze zurückgewiesen werden. Dies entspreche "quasi der Gesamtheit aller Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen". Damit wolle der "rechte Flügel" der Union auf etwas hinaus, das den Interessen des EU-Außengrenzenstaates Italien widerstrebe. Umso wichtiger wird die Rolle Frankreichs.

Merkel, die heute Abend den italienischen Premierminister Conte empfängt, muss ihre "europäische Lösung", an deren problematischen Anfang ein Alleingang Deutschlands stand, und die technisch vor allem am Abkommen mit der Türkei hängt, nun besonders mit Italien, Frankreich und Griechenland absprechen, wie dies prägnant im EU-Blog von Eric Bonde auf den Punkt gebracht wird:

Macron und Conte haben schon einen eigenen Plan entwickelt, ohne Merkel. Und Tsipras und Conte könnten sich ein Entgegenkommen teuer bezahlen lassen. Die italienische Regierung könnte z.B. geltend machen, dass ihr Merkels Türkei-Deal nicht hilft - und sich weigern, diesen Deal weiter zu finanzieren.

Eric Bonse

Macrons Kritik an der deutschen EU-Politik

Vor dem Treffen mit Macron und seinen Ministern sieht es ganz danach aus, dass Merkel die Unterstützung des französischen Präsidenten in der EU nun nötiger hat als zuvor. Für die französische Regierung hat das Thema Migranten nicht den Stellenwert wie für die deutsche, was sich auch an der Berichterstattung der größeren Medien widerspiegelt. Vorrangig ist für Macron sein Konzept der EU-Reform.

Hier zeigte Merkel bislang Zurückhaltung. Es gab ein paar unverbindliche Freundlichkeiten bei der Verleihung des Karlspreises an Macron, die dieser scharf retournierte, um noch einmal auf seine politischen Ziele in der EU aufmerksam zu machen:

In Deutschland kann es nicht einen ewigen Fetischismus für Haushalts- und Handelsüberschüsse geben, weil sie auf Kosten der anderen erzielt werden. (…) Ich glaube an ein viel ehrgeizigeres europäisches Budget. (...) Ich glaube an eine stärker integrierte Eurozone mit einem eigenen Haushalt.

Emmanuel Macron

Wie üblich setzte Merkel auf kleine Schritte. In Gesprächen mit der Frankfurter Sonntagszeitung und mit Anne Will im TV gab sie Signale des Entgegenkommens für Macrons EU-Pläne, die in der Union auf mäßige Begeisterung treffen, gerade wenn es um die Idee des französischen Präsidenten geht, das EU-Budget aufzustocken, um ein EU-Investitionsprogramm anzuschieben. "Transfer- und Schuldenunion" heißen die Stichworte für die Bedenken gegen Macrons EU-Reformvorschläge.

"Kompromisslinie"

Merkel ist - nicht nur aus französischer Perspektive - noch ganz beim Spar- und Austeritätskurs, wie ihn Schäuble geprägt hat. Das wird Verhandlungen mit Italien und Griechenland für eine "europäische Lösung" bei der Migrationspolitik sicher nicht erleichtern. Auch Macron, der mit Frankreich den wichtigste EU-Verbündeten Merkels vertritt, steht für einen anderen Kurs.

Laut Informationen der Süddeutschen Zeitung zeichnet sich vor dem morgigen Treffen eine Kompromisslinie bei der Reform des EU-Haushalts ab.

Bei den Vorverhandlungen zum Treffen in Meseberg soll der französische Finanzminister Le Maire sich mit einer "deutlich reduzierten Version" eines Euro-Haushalts zufrieden gegeben haben.

Um der Sorge vor einer "Transferunion" entgegen zu treten, habe man sich laut SZ auf den Kompromiss geeinigt, dass EU-Länder finanzielle Vorteile, die sie durch das gemeinsame Budget im Krisenfall bekommen, "in besseren Zeiten zurückerstatten".

Der Kompromisslinie zufolge dürfte ein Staat seine Einzahlungen in den Euro-Haushalt einstellen, wenn er unverschuldet etwa durch die Brexit-Folgen in eine Schieflage mit drohender Massenarbeitslosigkeit gerät. Zugleich erhielte er weiter Geld daraus, um seine Wirtschaft mit Investitionen zu stützen. Das Land müsse allerdings die ausgesetzten Zahlungen bei einer Konjunkturerholung nachholen, verlautete aus Verhandlungskreisen.

SZ

Auch die Deutsche Presse Agentur berichtet von "echten Fortschritten" bei sensiblen Punkten. Morgen wird sich dann zeigen, wie es um die EU-Reformpläne steht, die zwischen Frankreich und Deutschland eine Einigung finden. In Zeiten einer abschwingenden Konjunktur in europäischen Ländern und einer neu aufgeladenen Konkurrenz zu den USA geht es um Einiges.