Mietbremse und Mietendeckel: Rumdoktern an Symptomen

Seite 2: Die Miete als Gegenstand der Sozialpolitik

In der öffentlichen Diskussion ist immer wieder von einer unverhältnismäßigen Steigerung der Mieten die Rede, wobei jedoch niemand anzugeben vermöchte, wie dieses Verhältnis denn korrekterweise auszusehen hätte. Das Verhältnis ist durch einen Gegensatz geprägt: Der Vermieter will möglichst viel aus seiner Immobilie erwirtschaften, für den Mieter ist die Miete ein Abzug vom Einkommen, der maßgeblich bestimmt, was vom Einkommen zum Leben verbleibt.

Der ganze Streit zeigt auf jeden Fall eins, dass es nämlich immer mehr Menschen schwerfällt, mit ihrem Einkommen zurechtzukommen, denn ein immer größerer Anteil ihres Einkommens geht fürs Grundbedürfnis Wohnen drauf.

Da Menschen wohnen müssen, wenn sie arbeiten und Kinder bekommen sollen und nicht auf der Straße oder ewig bei den Eltern kampieren können, bringt dies den Staat mit seiner Wohnungspolitik auf den Plan. Mit ihr soll ein Interessenausgleich geleistet werden zwischen den gegensätzlichen Interessen von Immobilienbesitzern und Mietern. So findet sich in allen Wahlprogrammen ein Passus zum Thema Wohnen:

Wohnen: Billiger ans Eigenheim. Die Union will den Kauf einer Wohnung für Familien billiger machen. Im Gespräch sind Tilgungs- und wo nötig: Zinszuschüsse für Familien, die die staatseigene KfW-Bank gewähren könnte.

CDU-Wahlprogramm: Mit diesen 7 Punkten will Laschet an die Macht. (Focus Online 20.6.2021)

Die Palette der Maßnahmen ist umfangreich. Sie reicht von der Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum nach dem Zweiten Weltkrieg, über sozialen Wohnungsbau, staatlichen Wohnungsbauunternehmen, Wohngeld, Mietpreisbremse, Mietendeckel bis hin zur Verstaatlichung. Auch die Förderung des Besitzes an der eigenen Wohnung oder dem eigenen Haus steht auf der Palette und soll es Bürgern ermöglichen, sich von der Mietzahlung zu befreien. An die Stelle tritt dann die Verschuldung bei der Bank mit entsprechenden Zins- und Tilgungsverpflichtungen, die ebenfalls einen großen Teil des Einkommens schlucken.

Die verschiedenen Maßnahmen machen nur eines deutlich, dass damit der Gegensatz mit ihnen nicht aus der Welt ist. Bei allen Beschränkungen der Vermieter soll eines immer stattfinden: Sie sollen mit ihrem Eigentum Gewinne erzielen und den Anreiz haben, zusätzlichen Wohnraum zu bauen.

Deshalb gibt es staatliche Förderprogramme für den Wohnungsbau. Ruinieren soll dieses Gewinninteresse diejenigen nicht, die von ihrem Lohn oder Gehalt leben müssen. Denn ihre Einkommen bemisst sich nicht daran, was sie zum Leben brauchen, sondern nach den Kalkulationen von Unternehmern. In deren Kalkulation sind die Einkommen der abhängig Beschäftigten Kosten, die den Gewinn beschränken.

Deshalb sind die Einkommen immer zu gering, um die Ansprüche der Vermieter zu befriedigen und für einen ausreichenden Lebensunterhalt zu sorgen. Mit dem Wohngeld bezuschusst der Staat diejenigen, die sich eine Miete von ihrem Einkommen eigentlich nicht leisten können. Dieses Geld geht aber an die Vermieter und erlaubt es ihnen so, die Mieten hochzuhalten.

Mit dem sozialen Wohnungsbau ist der Staat selber aktiv geworden, um die Mieten für die notorisch schwachen Einkommensbezieher bezahlbar zu machen. Die Investitionen in Wohnungen haben den Haushalt belastet und deshalb haben sich die Kommunen oder die Länder von ihren Unternehmen getrennt und diese privatisiert.

Weiterhin subventioniert er in beschränktem Umfang den sozialen Wohnungsbau durch günstige Kredite. Für die so tätigen Bauunternehmen ist der Gewinn für die ersten Jahre beschränkt bei günstigen Krediten, nach Ablauf der Mietpreisbindung verfügen sie aber über einen billig finanzierten Wohnungsbestand.

Die Mietpreisbremse hat nicht wirklich etwas gebremst, hat der Bund doch lediglich festgelegt, in welchem Umfang Mietsteigerungen in jedem Fall erlaubt sind. Zehn Prozent Steigerung sind nicht gerade wenig, erst recht, wenn man dies mit den Lohnsteigerungen vergleicht.

Auch der Mietendeckel sollte weiterhin Neubauten lohnend machen und hat sich auf die Deckelung des Altbestandes beschränkt. Das Geschäft mit dem Wohnen sollte also auch mit dem Deckel weitergehen.

Eine Enteignung von Wohnraum, auf das das Bürgerbegehren in Berlin zielt, ist eigentlich keine Enteignung. Den Vermietern wird nicht ihr Eigentum genommen, sondern sie dürfen ihr Eigentum nicht mehr durch Immobilien vermehren. Deshalb erhalten sie eine entsprechende Entschädigung und damit die Möglichkeit, ihr Eigentum in anderen Sphären des Kapitalismus wachsen zu lassen. Der Staat würde dann wieder als Vermieter auftreten und auf seine Kosten achten.

Erfahrungen aus dem Mietkampf ziehen

Mit Hausbesetzungen, Mietstreiks und ähnlichem kann man auf die Misere hinweisen, vor denen Menschen mit beschränktem Einkommen stehen und wohnen müssen. Ein solcher Kampf kann immer nur demonstrativen Charakter haben, denn früher oder später bekommen die Demonstranten es mit der Staatsgewalt in Form der Polizei oder der Justiz zu tun. Eine Duldung der Besetzung gilt oft als Erfolg, macht das Wohnen aber abhängig von der Kalkulation des Vermieters.

Ein besetztes Haus kann so auch den Beweis erbringen, dass die Immobilie nicht mehr regulär zu vermieten ist und nur noch abgerissen werden kann. Damit wird Platz geschaffen für eine größere und lukrativere Immobilie. Kommt es zur Auseinandersetzung mit der Polizei, verschiebt sich die öffentliche Diskussion in der Regel weg von der Wohnungsnot hin zur Durchsetzung des Rechts.

Die parlamentarischen Initiativen zeichnen sich dadurch aus, dass sie am Geschäft mit dem Wohnen prinzipiell nicht rühren wollen. Beschränkt werden soll der Schaden für die Mieter, ohne das Geschäft mit dem Wohnen zu behindern. Diesen Widerspruch bekommt keine Initiative im Parlament aus der Welt.

Kritisch wird es für die Politik, wenn die Kosten fürs Wohnen zum Argument für höhere Einkommen gemacht werden und abhängig Beschäftigte dafür aktiv eintreten. Dann ist nicht nur das Geschäft mit dem Wohnen in Gefahr, sondern berührt dies die Kosten für die gesamte Wirtschaft. Die Abschaffung des Geschäftes mit dem Wohnen ist in einer Gesellschaft, in der alles Mittel des Geschäftes ist, als Ausnahme nicht vorgesehen.