Mietbremse und Mietendeckel: Rumdoktern an Symptomen
- Mietbremse und Mietendeckel: Rumdoktern an Symptomen
- Die Miete als Gegenstand der Sozialpolitik
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Wohnen wird immer teurer. Viele Menschen können sich Mieten kaum noch leisten. Das ruft den Staat auf den Plan. Am Geschäft mit dem Wohnen ändert das nichts
Nicht erst die Auseinandersetzung um das autonome Hausprojekt in der Rigaer Straße 94 in Berlin hat das Thema Wohnen wieder einmal ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Es ist in unterschiedlicher Art und Weise ein Dauerthema. Vor Jahrzehnten in den 70er-Jahren führte der spätere Außenminister Joschka Fischer in Frankfurt am Main den Häuserkampf auf Barrikaden und legte sich mit der Polizei an.
Die heutige Parlamentsvizepräsidentin der Grünen, Claudia Roth, managte zu dieser Zeit eine Band namens Ton Steine Scherben, die nicht nur in Berlin Hausbesetzungen in der ganzen Republik unterstützte. Heute findet der Mietkampf allerdings vorzugsweise vor Gericht oder als Bürgerbegehren statt. Trotz vieler Auseinandersetzungen für erträglichere Mieten ist der Aufwand fürs Wohnen gestiegen: Nahm er früher 20 Prozent des Einkommens in Anspruch, sind es heute vielfach über 40 Prozent.
Die endlose Suche nach einem gerechten Mietpreis
Kritisiert wird in der Regel nicht die Miete, sondern ihre Höhe, beispielhaft formuliert im Programmentwurf der Grünen zur Bundestagswahl 2021:
Alle Menschen brauchen angemessenen Wohnraum. Wohnen ist ein Recht. Und die Mieten und Immobilienpreise steigen vielerorts immer noch weiter… Deshalb gilt es zu handeln, damit gerade auch Familien und Alleinerziehende, Studierende, Menschen mit Behinderung, ältere Menschen und Geringverdiener:innen nicht in Bedrängnis geraten und weiter und sicher gut wohnen können.
Die Liste der besonders Bedürftigen in Sache Miete ist lang. Der Verweis darauf, dass alle Menschen Wohnraum brauchen, heißt eben nicht, dass sie auch einen bekommen. Wohnen muss man sich leisten können und von daher stellt sich gleich die Frage, was denn ein angemessener Wohnraum ist. Hartz IV-Empfänger brauchen doch ebenso Platz wie die Bewohner von Vor-Ort-Villen oder Luxusappartements.
"Angemessen" ist in dieser Gesellschaft aber in der Regel das, was ein Mensch bezahlen kann. Und so finden sich die einen in einer engen Wohnung an einer belebten Straße oder Eisenbahnlinie wieder, und die anderen thronen über der Stadt oder zäunen sich ein im Grünen. Das Recht auf Wohnen garantiert einem offenbar nichts.
Weil die Miete immer im Verhältnis zum Einkommen steht, hat das Verhältnis zwei Seiten - die diejenigen nicht bestimmen, die von ihrem Einkommen leben und die für das Wohnen bezahlen müssen. Die eine Seite bestimmen die Arbeitgeber, die andere die Vermieter.
Deshalb ist es allein schon seltsam, dass beim Thema Wohnen immer nur eine Seite ins Blickfeld gerät und bedauernd bis anklagend festgestellt wird, dass die Ausgaben fürs Wohnen immer mehr vom Einkommen auffressen. Es zeigt, dass diejenigen, die von Lohn und Gehalt leben müssen, immer mehr verarmen. Dennoch oder gerade auch deshalb lohnt es, genauer darauf zu sehen, wofür ein so großer Teil des Einkommens aufgewendet werden muss.
Jeder Quadratmeter hat seinen Preis
Wohnen, Spielen, Wirtschaften braucht Platz, also die Verfügung über Land. Land ist ein Stück Natur, das es gibt. Dass es einen Preis hat, ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Es ist doch nicht so, dass von Natur aus irgendein Stück Land irgendeinem Menschen zugeordnet ist. Das bekommen besonders die Bewohner von Gegenden zu spüren, in denen ein Eigentumsrecht an Land nicht existierte und sie gewohnheitsmäßig auf ihrem Grund und Boden gewohnt und gewirtschaftet haben.
Beklagt wird dies als Hungersnot in Afrika, während Kenia-Böhnchen deutsche Regale füllen. Mit der Einführung eines staatlichen Eigentumsrechtes an Grund und Boden steht in der Regel ihre Vertreibung an und führt vor Augen, dass Eigentum eine gewaltsame Einrichtung ist, die andere von der Nutzung von Grund und Boden ausschließt. Sie wird durch den Staat garantiert, in Deutschland durch den Artikel 14 des Grundgesetzes.
Dadurch, dass alles Land Eigentum ist, sind alle die, die nicht über Land verfügen, von dem Gebrauch ausgeschlossen. Der Eigentümer ist ermächtigt, für die Nutzung oder die Abtretung seines Eigentumstitels einen Preis zu verlangen. Allein die Verfügungsmacht über ein Stück Boden schafft so eine Geldquelle.
Der Preis für ein Stück Land gestaltet sich recht unterschiedlich. Als Grünland ist es verhältnismäßig billig, als Bauland oder Gewerbegebiet teuer. Der Preis für ein Stück Land verdankt sich nicht dem Verhandlungsgeschick des Eigentümers, sondern staatlicher Setzung:
Die im Flächennutzungsplan dargestellten Bodennutzungen werden dann durch Bebauungspläne für einzelne Teile des Gemeindegebiets konkretisiert und rechtsverbindlich festgesetzt. Gemeinsam bilden Flächennutzungspläne und Bebauungspläne die gemeindliche Bauleitplanung.
Wikipedia Flächennutzungsplan
Und diese Setzung definiert den Wert des Bodens: Wird dort lukrativ gebaut oder werden Waren produziert sieht das anders aus, als wenn es sich nur um ein kapitalistisch nutzloses Stück Wiese handelt.
Da viele in der Gesellschaft um die Nutzung von Land konkurrieren, würden die Zahlungskräftigsten sich alles Land aneignen können und Landwirtschaft und Wohnen wäre gefährdet:
Boden ist ein knappes Gut, das nicht vermehrbar ist, … Je knapper dieses Gut wird, desto größer wird der Wettbewerb darum. In erster Linie steht der Bedarf für Siedlungs- und Verkehrsflächen heute in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nutzung. Daher steigen in der Nähe von Ballungszentren die Preise stärker als im ländlichen Raum.
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
Damit die unterschiedlichen Interessen im Lande, die auch gesellschaftliche Funktionen erfüllen, zum Zuge kommen, unterliegt die Nutzung des Landes staatlicher Reglementierung. Kommunen und Kreise legen fest, welche Flächen nur der Landwirtschaft zur Verfügung stehen, welche als Bauland ausgewiesen werden und auch welche ungenutzt bleiben sollen, wegen Naturschutz und Naherholung. Zudem gibt es Gewerbegebiete und Mischgebiete.
Die unterschiedliche Nutzung des Landes ermöglicht unterschiedliche Gewinnaussichten. Die Preise für Landwirtschaft werden im Wesentlichen von den Lebensmittelkonzernen und Supermarktketten bestimmt und sind niedrig, mithin ist auf dem Land wenig zu erwirtschaften. Doch gibt es auch immer die Umwandlung von landwirtschaftlich genutzter Fläche in Bauland, und so lohnt sich auch der Erwerb von Ackerfläche als Spekulationsobjekt.
Zudem zwingt die Konkurrenz der Bauern, um mit niedrigen Preisen einen Gewinn zu erzielen, zur Produktion auf immer größeren Flächen. Auch das treibt den Preis und macht Land zur lohnenden Geldanlage:
Der Kaufpreis für Ackerflächen in Deutschland sind zwischen 2007 und 2016 um durchschnittlich 142 Prozent gestiegen. Dies geht aus der letzten Erhebung des Statistischen Bundesamtes hervor. Am stärksten stiegen die Kaufpreise in Mecklenburg-Vorpommern mit 303 Prozent, gefolgt von Brandenburg mit 245 Prozent.
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
Durch die Umwandlung von Ackerland in Bauland oder Gewerbegebiet ist schon mancher Bauer oder Spekulant über Nacht zum reichen Menschen geworden.
Bauland ist nicht gleich Bauland. Kommt es doch sehr darauf an, wo es liegt: in der Stadt, am Stadtrand, im Grünen oder fern aller Städte. Entsprechend lässt sich auf den unterschiedlichen Grundstücken unterschiedlich viel an Pacht oder Miete für Wohn- und Geschäftsräume erzielen.
Ebenso spielt es eine Rolle, was im Bebauungsplan festgelegt ist bezüglich der Art der Bebauung. Mit Einfamilienhäusern ist kein so hoher Preis zu erzielen wie mit einem Hochhaus. Also ist der Preis für das Land entsprechend unterschiedlich. Da Land nicht beliebig vermehrbar ist und wegen wachsender Bevölkerung oder zunehmendem Geschäft von einer wachsenden Nachfrage auszugehen ist, lohnt sich auch immer die Spekulation auf den Wertzuwachs der Flächen:
Ein Hauptgrund für die enormen Preissteigerungen ist laut Tietz aber die allgemeine Kapitalmarktentwicklung der letzten Jahre: In Zeiten niedriger Zinsen haben immer mehr Geldanleger, auch außerhalb der Landwirtschaft, den Boden als Kapitalanlage für sich erkannt. Boden stellt derzeit eine sichere und vergleichsweise rentable Anlage dar, die im Unterschied zu anderen Anlageformen, wie zum Beispiel Immobilien, wenig Arbeit macht und kaum Risiken birgt.
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
Der Preis fürs Wohnen
Der Grundstückpreis bestimmt ganz wesentlich den Wert einer Immobilie. Ganz gleich, ob man eine Wohnung oder Haus kaufen will oder mieten, taucht früher oder später die Frage auf, in welcher Lage? Während bei anderen Gütern oder Dienstleistungen meist die Kosten angeführt werden, um die Höhe des Preises für ein Gut oder eine Dienstleistung zu begründen, ist das bei Grundstücken oder Häusern anders. Auch dort spielt für die Höhe des Preises die Ausstattung eine Rolle, aber wichtig ist vor allem die Lage.
Begründet wird dies dann vielfach mit der zentralen Lage als Vorteil, während ein schönes Grundstück oder Haus im Grünen viel billiger ist. So kann auch ein altes verkommenes Haus in der Stadt teurer sein als ein Neues im Grünen. Sowohl für ein Grundstück als auch für ein Haus ist entscheidend, was an Geld mit der Nutzung zu erzielen ist. In der Stadt vergleichen sich Mieten für Wohnungen mit denen für Ladenlokale oder Büros.
Auf dem Land ist nicht viel an Alternativen vorhanden und findet Wirtschaftsleben nicht so ausgeprägt statt, also sind die Preise dort niedriger. Der Bau von Häusern kostet Geld, ist mit Aufwand verbunden, dennoch entscheidet nicht die Höhe des Aufwands über den Preis der Miete. Die Welt steht an dieser Stelle auf dem Kopf.
Eine für den Mieter günstige Miete stellt für den Vermieter einen Nachteil dar, sein Haus ist dann wenig wert, weil der Wert eines Hauses immer verglichen wird mit anderen Kapitalanlagen. Die Miete gilt als Zins auf ein investiertes Kapital. Erzielt eine Immobilie beispielsweise 12.000 Euro Miete im Jahr und liegt die Verzinsung bei anderen Kapitalanlagen bei zwei Prozent, was niedrig angesetzt ist, dann liegt der Preis für die Immobilie bei 600.000 Euro. Steigt die Miete, so steigt auch der Wert des Hauses, verzichtet der Besitzer auf Mietsteigerungen, verliert seine Immobilie unter Umständen an Wert.
Jetzt, zur Zeit niedrigen Zinsniveaus, bietet jede Miete einen sicheren Gewinn. Also konkurrieren Geldbesitzer um den Erwerb des Betongoldes, was die Häuserpreise nach oben treibt. Doch der steigende Häuserpreis soll sich natürlich lohnen und die Investoren nutzen jede Gelegenheit, ihren Gewinn zu steigern, also steigen die Mieten.