Mietsteigerungen: Da geht noch was!
Die Bundesregierung zeigt sich in einem neuen Bericht zufrieden: Die Mieten in Deutschland sind in den letzten vier Jahren "nur" um 15 Prozent gestiegen
Die Bundesregierung gibt sich zufrieden: Nach einem aktuellen Bericht stiegen die Mieten zuletzt weniger stark als in den Vorjahren. "Seit 2019 ist eine spürbar abnehmende Dynamik bei den bundesweiten Angebotsmieten festzustellen", heißt es im Entwurf des vierten Berichts zur Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland. In vielen Städten und Regionen der Bundesrepublik ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt angespannt. Seit 2012 hatte sich die Lage verschlechtert, heißt es in dem Bericht. Vor allem in den Großstädten habe die hohe Nachfrage die Mieten emporschnellen lassen.
Doch seit 2019 habe sich der Anstieg verlangsamt, heißt es in dem Bericht weiter. Dessen Verfasser meinen, der Markt habe auch die Nachfrage reagiert: Die hohe Nachfrage soll den Bau neuer Wohnungen stimuliert haben. Wurden 2019 rund 293.000 Wohnungen fertiggestellt, waren es im Jahr 2020 - schätzungsweise - rund 300.000 Wohnungen. In dem Maße, wie neu gebaut worden sei, habe sich der Anstieg der Angebotsmieten verlangsamt. Stiegen die Mieten bei bestehenden Wohnungen im Jahre 2018 im Vergleich zum Vorjahr noch um 5,4 Prozent, waren es 2020 noch 2,7 Prozent. Bei Wohnungen, die zum ersten Mal vermietet wurden, stiegen 2019 die Mieten im Vergleich zum Vorjahr noch um 7,6 Prozent, verringerte sich der Anstieg im Jahr 2020 auf 5,4 Prozent. Dabei liegen die Quadratmeterpreise bei Neuvermietungen in der Regel weit über der zuletzt gezahlten Bestandsmiete.
Stuttgart führt bei Bestandsmieten, München bei Neuvermietungen
Die teuerste Großstadt für Bestandsmieter sei aktuell Stuttgart, berichtete der Hamburger Immobilienspezialist F+B vergangene Woche. In Baden-Württembergs Landeshauptstadt müssen demnach im Schnitt 10,38 Euro pro Quadratmeter Nettokaltmiete gezahlt werden. Dieser Wert liegt um 46 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt von 7,11 Euro je Quadratmeter. In München werden demnach 9,72 Euro je Quadratmeter fällig, in Frankfurt/Main 8,69 Euro und in Hamburg 8,62 Euro. Dagegen wohne man in Berlin noch günstig: In den westlichen Stadtteilen kosteten Bestandswohnungen demnach im Schnitt noch 7,40 Euro je Quadratmeter, in Ost-Berlin zahle man dagegen im Schnitt 6,65 Euro. Allerdings seien die Bestandsmieten sowohl im Berliner Altbau als auch im Neubausegment überdurchschnittlich angestiegen.
Die Neuvermietungspreise fallen wesentlich höher aus: Hier führt München mit 18,48 Euro pro Quadratmeter, gefolgt von Frankfurt am Main mit 15,75 Euro und Stuttgart mit 14,74 Euro.
Der Bericht der Bundesregierung sei kein Grund, zufrieden zu sein, meint die Partei Die Linke. "Die Mieten steigen weiter, die Zahl der Sozialwohnungen sinkt", erklärte am Mittwoch Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende und wohnungspolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion. Es bestehe kein Grund zur Entwarnung; der leicht gedämpfte Anstieg der Mieten "dürfte eher Ergebnis der Pandemie als Resultat des Regierungshandelns sein". Lay konstatiert ein Versagen der Großen Koalition: Allein in der zurückliegenden Wahlperiode seien die Mieten bundesweit um 15 Prozent gestiegen, in größeren Städten weit darüber. Die Entwicklung der Löhne hielt dagegen nicht Schritt. Die Folge daraus: "Jeder zweite Miethaushalt in den Großstädten ist von den Wohnungskosten überlastet", so Lay.
Branche gibt sich wenig beeindruckt von Enteignungskampagne
Solle die zunehmende soziale Spaltung in der Wohnungsfrage gestoppt werden, dann brauche es einen bundesweiten Mietendeckel sowie ein Rettungsprogramm für den sozialen Wohnungsbau. Doch die Bundesregierung lasse dessen Niedergang unter den Tisch fallen: In der zurückliegenden Wahlperiode seien 160.000 Sozialwohnungen weggefallen. In Berlin kämpft die Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen!" für einen anderen Weg, dem Problem der steigenden Mieten zu begegnen: Vergesellschaftung von Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen. Ohne Profitstreben steigen auch die Mieten nicht in dem Maße. Für einen Volksentscheid dürfte die Initiative die erforderliche Zahl von 175.000 Unterschriften gesammelt haben: Die Landeswahlleiterin teilte am Freitag mit, mehr als 260.000 Unterschriften geprüft zu haben, von denen 175.782 gültig seien.
Wie ein Bericht des Handelsblatts nahelegt, ist die Immobilienbranche wenig beeindruckt davon. Sollte der Berliner Senat tatsächlich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen und daran gehen, Immobilienfirmen in Gemeineigentum zu überführen, würden wohl rund 40 Milliarden Euro an Entschädigungen fällig. Ein zitierter Ökonom meinte: "Damit wäre die Vergesellschaftung nur ein weiteres sinnloses sozialistisches Prestigeobjekt". Damit spielte er darauf an, dass durch die bloße Vergesellschaftung noch keine neuen Wohnungen gebaut würden.
Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild gefordert
Für dieses Problem hat Caren Lay auch eine Lösung: Sie fordert ein Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild, außerdem die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit. Auf diesem Wege können jedes Jahr bis zu 250.000 sozial gebundene Wohnungen in der Bundesrepublik geschaffen werden.