Migranten auf der Mittelmeer-Route: "Das verheißene Land"

Foto: Mit freundlicher Genehmigung von [Link auf https://en.emergency.it/]NGO Emergency.

Rettung von Bootsflüchtlingen, die Zusammenarbeit von NGOs mit Behörden und das Aufnahmesystem in Italien. Wie die Abläufe aussehen.

Life Support ist der Name des 51,3 m langen Schiffes mit einem Gewicht von 1350 Bruttoregistertonnen, das in Livorno liegt und darauf wartet, gen Süden zu fahren. Das Schiff liegt im Hafen von Livorno, weil dieser von den italienischen Behörden nach dem letzten Einsatz im Dezember 2022 zugewiesen wurde. Jederzeit kann ein neuer Einsatz anstehen, so dass die Mannschaft an Bord in ständiger Alarmbereitschaft steht, immer bereit, den Anker zu lichten.

Das Schiff, im Jargon gerne "Supply Vessel" genannt, gehört der NGO Emergency mit Sitz in Mailand. Emergency wurde 1994 von Gino Strada und seiner Frau gegründet, mit dem Ziel, all jenen Menschen kostenlose medizinische Versorgung zukommen zu lassen, die nicht über die finanzielle Mittel verfügen, sich einen Arzt, geschweige denn einen Aufenthalt in einem Krankenhaus, zu leisten.

Der Ablauf eines Einsatzes

Auf der Life Support ist auch Roberto Maccaroni, der seit dreizehn Jahren bei Emergency arbeitet und zum medizinischen Team gehört. Er erzählt, wie die Rettung auf See abläuft. Das Schiff liegt im Hafen von Livorno, weil das ist der Hafen der dem Schiff von den italienischen Behörden nach dem letzten Einsatz im Dezember 2022 zugewiesen wurde.

Die Wahl des Seegebiets, in dem der Einsatz erfolgt, hängt von mehreren Faktoren ab. Die Schiffsbesatzung steht auch in ständigem Kontakt mit anderen Organisationen, die die gleiche Arbeit leisten, und versucht, ohne eine strukturierte Koordination ein bestimmtes Seegebiet abzudecken.

Es hängt auch davon ab, wie viele andere Schiffe schon in diesem Gebiet unterwegs sind. Man versucht also, ein Seegebiet zu finden, in dem sich noch niemand aufhält. Das Schiff von Emergency operiert hauptsächlich im SAR-Libyen-Gebiet (SAR steht für "Search and Rescue"), im Mittelmeer zwischen Sizilien und Libyen.

Manchmal kommen die Warnungen von den Behörden, z. B. vom MRGC (Maritme Rescue Coordination Centre, das Rettungskoordinationszentrum, die zentrale Anlaufstelle für Unfälle beim Schiffsverkehr). Es handelt sich um Meldungen der italienischen, maltesischen und seltener der libyschen Küstenwache, die ein Boot in Seenot melden.

Es gibt auch eine private Telefonzentrale, gegründet von Aktivisten: Alarm Phone. Dies ist eine Hotline zur Unterstützung von Rettungsmaßnahmen, die von Freiwilligen getragen wird. Darüber hinaus gibt es die Organisation Pilot Volunteer, die mit ihren Flugzeugen das Seegebiet täglich überfliegt und bei Sichtungen von Kähnen das nächstgelegene Schiff benachrichtigt.

Die Migrantenboote können nicht per Radar geortet werden; die Besatzung des Schiffes beobachtet im Schichtbetrieb ständig das Meer, um zu sehen, ob sie in Not geratene Kähne entdeckt. Im Falle einer Sichtung muss das Schiff sofort die zuständige Behörde benachrichtigen, die dann die Erlaubnis erteilt, die Rettung durchzuführen.

Rettungen werden aber auch ohne behördliche Genehmigung durchgeführt. Wichtig ist nur, dass die Alarmierung erfolgt ist. Einige der Boote, mit denen die Migranten unterwegs sind, sind in einem sehr schlechten Zustand: Überladen mit Menschen, ohne Navigationsinstrumente und oft dringt Wasser ein, so dass das kleine Boot in jedem Augenblick umzukippen droht.

Diese Boote sind nicht nur undicht gegen das Meer, sondern lecken auch häufig Kraftstoff, der sich mit dem Salzwasser vermischt. Mit Salzwasser vermischter Kraftstoff kann schwere Hautverbrennungen verursachen.

Funkkontakte mit Behörden

Das Rettungsschiff Life Support ist für die Aufnahme von 175 Schiffbrüchigen zertifiziert. Sollten sich jedoch mehr als 175 Personen an Bord eines kleinen Boots befinden, nehmen wir sie notfalls alle an Bord und alarmieren dann ein anderes Schiff in der Nähe, das eine Umladung vornimmt.

Während der Rettungsaktion steht das Schiff immer in Funkkontakt mit den maltesischen oder italienischen Behörden, die der Schiffsführung einen Hafen nennen, den es anlaufen soll.

In den letzten Monaten bekam man sofort eine Rückmeldung. Es gab aber eine Zeit, in der man bis zu drei oder vier Tage warten musste, bevor man einen Hinweis auf den anzulaufenden Hafen erhielt. Im Fall von Life Support ist es der Hafen von Livorno, d.h. vier Tage auf See.

Der Umgang mit den Geretteten

Die Rettungsaktionen werden mit Rettungsbooten durchgeführt. Auf der Life Support gibt es zwei davon. Auf dem Beiboot befindet sich immer jemand, der auch einige der Sprachen dieser Menschen beherrscht und vor allem mit interkulturellen Kompetenzen. Es wird sofort erklärt, wie die Situation ist und was sie tun werden. Jedes Beiboot kann zwanzig Personen aufnehmen.

Auf dem Schiff werden die Migranten vom medizinischen Personal untersucht und mit Decken und allem, was sie für den Aufenthalt an Bord benötigen, versorgt. Bei schwer kranken Menschen wird ein Hubschrauber oder ein schnelleres Schiff angefordert. Eine sehr wichtige Sache: Jeder bekommt eine Karte, damit er weiß, wo das Schiff sich gerade befindet und wohin es fährt. Am Bord wird viel mit den Menschen gesprochen und genau erklärt, was Emergency macht.

Die Menschen sind sehr jung, zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahre alt. Bei der letzten Rettungsaktion wurden 142 Personen an Bord aufgenommen, darunter 26 Minderjährige und auch Kinder im Alter von einem oder zwei Jahren. Die meisten sind Männer und wenige Frauen, aber die meisten Frauen, die gerettet werden sind schwanger.

Die erste Annäherung an diese Menschen ist nicht einfach. Sie brauchen immer ein paar Minuten, um zu verstehen, mit wem sie es zu tun haben. Ihre große Angst ist, dass sie von der libyschen Küstenwache aufgegriffen werden, die sie dann zurückbringt. Als sie dann erfahren, dass sie nach Italien gebracht werden, schlägt ihr Misstrauen in Zufriedenheit um.