Migration und Schuldenbremse: Über die Grenzen ökonomischer Modelle

Seite 3: Reformvorschläge des Sachverständigenrats zur Schuldenbremse

Der SVR spricht sich keineswegs gegen die Schuldenbremse aus, um der Fiskalpolitik ihre Handlungsfähigkeit zurückzugeben, sondern verteidigt sie im Grundsatz. Er schlägt lediglich Korrekturen bei der Berechnung der Konjunkturkomponente, eine gewisse Lockerung der Obergrenze der zulässigen Neuverschuldung und einen verlängerten Anpassungszeitraum für das Defizit nach einer Notlage vor.

(Bild: Abbildung aus dem Policy Brief 1/2024 des Sachverständigenrats)

Die linke der beiden gezeigten Abbildungen (Original-Schaubilder aus der Studie, Seite 6) soll offenbar belegen, dass es sich der deutsche Staat aus Sicht des SVR leisten kann, etwas weniger streng zu haushalten, als es die Schuldenbremse vorschreibt.

Würde man jedoch statt des unterstellten Wachstums die gegenwärtige wirtschaftliche Stagnation zur Grundlage der Modellrechnungen machen, fiele die Grafik anders aus: Die Staatsschuldenquote sänke keineswegs kontinuierlich (wie die gestrichelte Linie anzeigt), und zwar ohne Annahme irgendwelcher exogener Notlagen.

Ginge man gar davon aus, dass die Tilgungspflichten, die die Schuldenbremse dem Staat bald auferlegt, nicht von einer entsprechend höheren privatwirtschaftlichen Nachfrage aufgefangen würden (was die aktuelle Misere leider nahelegt), müsste man statt Stagnation in den kommenden Jahren Rezession unterstellen.

Dann sänke die Staatsschuldenquote trotz oder besser gesagt: wegen Einhaltung der Schuldenbremse keinesfalls, wie vom SVR im Status-quo-Szenario für die kommenden Jahre "berechnet". Wo aber wäre dann der Spielraum bei der Verschuldung, mit dem der SVR seinen Reformvorschlag rechtfertigt?

Die Status-quo-Rechnung des SVR ist von vornherein falsch. Man stelle sich vor, sein Reformvorschlag würde umgesetzt. Dann würden die Verfechter der Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form womöglich jede bald eintretende Abweichung vom berechneten Pfad der Schuldenstandsquote auf die "Aufweichung" der Schuldenbremse durch die Reform zurückführen.

Ob durch die Reform eine wesentlich schlechtere gesamtwirtschaftliche Entwicklung und damit ein höherer Schuldenstand vermieden werden konnte als ohne sie, würde dann von den Reformbefürwortern, die dem Vorschlag des SVR gefolgt wären, schwer zu belegen sein. Denn ihnen würde voraussichtlich genau die vom SVR vorgelegte Berechnung entgegengehalten werden, die ja nicht schon kurzfristig hinfällig sein könne, wenn sie denn überhaupt sinnvoll gewesen sein soll.

Die Wissenschaftler mögen sich dann hinter dem Hinweis, es habe sich nur um eine Projektion und keine Prognose gehandelt, verschanzen. Dieser feine Unterschied dürfte aber in der öffentlichen Debatte untergehen und nützt denen nichts mehr, die ihre konkrete Politik auf den Vorschlag gestützt haben.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.