Milch-Mafia: Wie Lobbyisten uns die Preise diktieren

Mehrere Plastikflaschen mit Milch und blauen Deckel

Bild: ibragimova/ Shutterstock.com

Hafermilch ist teuer, Kuhmilch spottbillig. Das liegt an der mächtigen Milchlobby in Brüssel. Wie sie dafür sorgt, dass pflanzliche Alternativen keine Chance haben.

Wer wählt, unterstützt seine Wunschkandidaten in der Regel, weil sie seine eigenen Interessen vertreten und bestenfalls auch umsetzen. Aber noch direkter nehmen Lobbygruppen Einfluss auf europäische Abgeordnete. Lobbyarbeit wird viel kritisiert, führt aber nicht immer zu Verschleierung und Korruption. Sie kann auch Stimmen hörbar machen, denen sonst nur wenige zuhören.

Beispiel aus dem Supermarkt

Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit ihrer Ernährung und damit, welche Auswirkungen sie auf die Umwelt hat. So ist vielen bewusst, dass die Herstellung von pflanzlicher Milch erheblich weniger Wasser und CO2 benötigt. Sie ist damit für viele attraktiver. Doch obwohl immer mehr Konsumenten zu Alternativen zu tierischen Milchprodukten greifen und das Bewusstsein für Klimawandel und Ressourcenknappheit wächst, bleiben Hafer-, Soja-, und Mandelmilch deutlich teurer als die herkömmliche Kuhmilch.

Ungefähr 28 Prozent der Deutschen trinken pflanzenbasierte Milch mindestens einmal wöchentlich, wie eine Studie von ProVeg International aus dem Jahr 2022 ergab. 32 Prozent beabsichtigten laut einer Umfrage außerdem, ihren Kuhmilchkonsum künftig reduzieren zu wollen.

Die Umsätze, die mit pflanzenbasierter Milch in Deutschland erzielt werden, erreichen einen europaweiten Spitzenwert.

Trotzdem muss man dafür tiefer in die Tasche greifen. Das liegt auch daran, dass der pflanzlichen Milch die Lobby in Brüssel fehlt. Und dass sie deutlich im Kampf gegen die Übermacht der Milchlobby verliert, die in der Europäischen Union (EU) seit Jahren erfolgreich die hohen Subventionen für Kuhmilch verteidigt.

Übermacht der Milchlobby

Hintergrund dieses Ungleichgewichts ist die in der EU stark unterstützte und traditionsreiche Milchindustrie. In Deutschland wird die Milchproduktion sogar so stark bezuschusst, dass es mehr Milch gibt als in Deutschland gekauft wird.

Diese Produktionsüberschüsse werden dann in andere Länder exportiert. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gewährt die EU seit Jahrzehnten Subventionen in Milliardenhöhe für die tierische Landwirtschaft und damit auch die Milchproduktion. Für Zeitraum von 2021 bis 2027 sind 387 Milliarden Euro für Agrarsubventionen eingeplant, mehr als ein Drittel des gesamten EU-Budgets.

Pflanzliche Alternativen wie Soja-, Hafer- oder Mandelmilch profitieren von solchen direkten Subventionen nicht in gleichem Maße. Vielmehr beschränken die EU-Vorschriften die Vermarktung pflanzlicher Milchalternativen. Zum Beispiel dürfen pflanzliche Produkte in der EU nicht als "Milch" bezeichnet werden. Denn die

EU schreibt vor, dass dieser Begriff ausschließlich tierischen Produkten vorbehalten bleibt. Damit hat Kuhmilch einen Wettbewerbsvorsprung vor ihren pflanzlichen Alternativen. Damit sich daran möglichst wenig ändert, üben Interessenvertreter der Milchlobby großen Einfluss auf Entscheidungsträger in der EU aus.

"Wir fördern die klimaschädliche Tierhaltung aktuell viel mehr als die Herstellung von pflanzlicher Nahrung", kritisiert Daniel Freund, der in der Fraktion der Grünen schon seit fünf Jahren Mitglied des Europäischen Parlaments ist. "Würde man für pflanzliche Produkte eine starke Gegenlobby aufbauen und damit den Klimawandel effektiver bekämpfen, wäre damit am Ende auch den Bauern geholfen".

Ist Lobbyismus gefährlich?

Nirgends sonst tummeln sich mehr Lobbyisten als in Brüssel. Als Vertreter bestimmter Interessensgruppen versuchen sie, Entscheidungsträger in ihrem Interesse zu beeinflussen. Ihr Ziel ist es, negative Auswirkungen der EU-Politik auf ihr Unternehmen oder ihren Verband abzuwenden und stattdessen Entscheidungen zu ihren Gunsten zu bewirken.

Tatsächlich hat Lobbyismus spürbare Auswirkungen auf die EU-Politik. Das klingt undemokratisch und zwielichtig. Dabei ist Lobbyismus auch eine Chance, findet Fynn Hauschke, der sich als Lobbyist im europäischen Umweltbüro für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft einsetzt. "Das ist viel Expertenarbeit, nicht nur Händeschütteln und Geld geben", sagt er. "Lobby ist nicht per se schlecht."

Auch Daniel Freund sieht das so. "Solange Lobbyismus auf einem Austausch von Argumenten beruht, ist er sinnvoll und sogar nötig. Eine parlamentarische Demokratie kann nicht ohne Lobbyismus funktionieren." Das Problem für Freund: Es herrsche ein großes Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Interessensgruppen.

Es führe dazu, dass der Kampf um politischen Einfluss mit ungleichen Mitteln geführt wird. "Es gibt keine guten und schlechten Interessen", stellt Freund klar. "Aber in manchen Bereichen ist Interessenvertretung sehr unausgewogen, zum Beispiel, wenn im Finanzbereich 90 Prozent der Lobbytreffen mit großen Investmentbanken stattfinden und nur zehn Prozent mit Verbraucherschützern oder Unis."

Nicht ohne Spielregeln

Im Rahmen seiner Arbeit im Europäischen Parlament beschäftigt sich Freund deshalb mit der Regulierung von Lobbyarbeit. Er will den freien Wettbewerb, der auch unter Interessenvertretern besteht, nicht einschränken. "Aber wir sollten dafür sorgen, dass er sichtbar und fair ist", sagt Freund.

Er will etwa die Interessengruppen, die besonders wenige Ressourcen für ihre Lobbyarbeit haben, gezielt unterstützen. "Da, wo der Austausch von Argumenten einseitig ist, kann man durchaus eine Seite stärken, damit überhaupt Ideenvielfalt entstehen kann."

Erreichen möchte Freund das etwa durch eine "Allgemeinwohllobby". Verbraucherschützern soll dabei durch finanzielle Unterstützung die hauptberufliche Lobbyarbeit in Brüssel ermöglicht werden.

Er betont auch, wie wichtig die Dokumentation von Lobbytreffen für mehr Transparenz ist. Für jeden muss leicht herauszufinden sein, welche Politiker sich mit welchen Interessenvertretern ausgetauscht haben. Regeln, die Bestechlichkeit und Korruption verhindern, sollen außerdem mithilfe einer Ethikkommission besser durchgesetzt werden.