Militärbeobachter freigelassen
Russischer Sondergesandte scheint wichtige Rolle gespielt zu haben. Die Kämpfe gehen weiter, in der Ukraine wurde eine zweitägige Staatstrauer ausgerufen
Offenbar gingen während der Kämpfe um Slawjansk die Verhandlungen über die Militärbeobachter weiter. Obgleich noch gestern Obama und Merkel Russland weitere Sanktionen angedroht hatten, wenn es nicht auf die Aufständischen in Slawjansk einwirkt, war bereits der russische Sonderbeauftragte Wladimir Lukin vor Ort, der bereits in Kiew mit den drei europäischen Außenministern das Abkommen zwischen Janukowitsch und den Oppositionsparteien ausverhandelt hatte, das von der Maidan-Bewegung gekippt wurde.
Die Militärbeobachter, die auf Einladung der Regierung in der Ukraine nach dem Wiener Dokument 2011 in der Ostukraine unterwegs waren, waren von den Aufständischen an einer Straßensperre vor Slawjansk festgenommen und als Geiseln gehalten worden. Die "Gäste" wurden beschuldigt, als Spione unterwegs gewesen zu sein. Dazu trug auch bei, dass ihr Auftrag unklar war.
Lukin teilte am Samstag in Slawjansk mit, dass die "Volkswehr", wie er die bewaffneten Aufständischen nennt, "alle auf meiner Liste stehenden Personen" freigelassen hat. Neben den vier Deutschen auch die Militärbeobachter aus Polen, Tschechien und Dänemark, der Schwede war aus gesundheitlichen Gründen schon zuvor freigelassen worden. Auch die 5 ukrainischen Offiziere ließen die Aufständischen also ziehen, womit nicht alle gerechnet hatten.
Die Militärbeobachter hätten bereits die Stadt verlassen, schrieb der Außenminister Deshchtsia auf Twitter. Er betonte, dass die Freilassung durch "gemeinsame Anstrengungen" ermöglicht worden sei. Gleichzeitig versucht er, auch die Freilassung wieder gegen Moskau zu wenden: "Das ist ein weiterer Beweis, dass die Terroristen nur auf Russland hören." Das hieße, dass Lukins Druck auf Ponomarjow den Ausschlag gegeben hat. Dass die Aufständischen eher auf Moskau hören, bedeutet allerdings noch keineswegs, dass sie von dort aus gesteuert werden. Die Anwesenheit von Lukin deutet eher darauf hin, dass zumindest die Beziehungen zwischen Moskau und den Aufständischen nicht ganz einfach sind und Moskau sie nicht direkt steuert. Allerdings hat der ukrainische Geheimdienst SBU ein angeblich abgehörtes Telefongespräch zwischen Lukin und Strielkow veröffentlicht, das belegen soll, dass der Kreml die Aufständischen steuert.
Dass die Aufständischen von Moskau beeinflusst werden können, liegt nahe. Man könnte sich allerdings auch fragen, ob die "Antiterroroperation" gegen Slawjansk, als die Verhandlungen noch liefen und ein Erfolg in Aussicht stand, mit den USA und der EU abgesprochen war. Unklar ist, ob die Geiseln bedingungslos freigelassen wurden oder ob den Aufständischen im Gegenzug etwas versprochen wurde. Ponomarjow beteuert, es habe keine Gegenleistungen gegeben, aber das Schweigen darüber könnte auch Teil der Vereinbarungen gewesen sein.
Slawjansk bleibt weiter umkämpft. Das ukrainische Verteidigungsministerium meldet, es seien Angriffe von Aufständischen zurückgeschlagen worden. Dabei seien zwei Soldaten getötet worden. Auch in Kramatorsk wird weiter gekämpft. Dort will die Armee zusammen mit der Nationalgarde den Fernsehturm eingenommen haben. 200 bewaffnete Aufständische seien vor Ort. Es werde eine Brücke zwischen Slawjansk und Kramatorsk von Minen geräumt, die die Aufständischen dort auf "professionelle" Weise angebracht haben sollen.
In Odessa sollen bei den Kämpfen zwischen prorussischen und proukrainischen Anhängern und dem Brand in dem Gewerkschaftshaus insgesamt 46 Menschen ums Leben gekommen sein. Die ukrainische Regierung macht Russland dafür verantwortlich, Moskau schiebt hingegen Kiew die Schuld für die Zuspitzung der Gewalt zu. Zu spät versucht nun Außenminister Steinmeier die Gewalt auf beiden Seiten zu dämpfen, spricht aber Kiew nur indirekt an, wenn er sagt, dass "martialische Kriegsrtheorik alles nur noch schlimmer" mache und Gewalt zu Gewalt führe. Die militärische "Antiterroroperation" hat sicherlich die Gewaltspirale auch mit nach oben gedreht, ebenso wie die Sprachregelung, alle Aufständischen als Terroristen zu bezeichnen und zu behandeln. Angeblich will die ukrainische Regierung nun auch militärisch gegen die Aufständischen in Luhansk vorgehen.
Interimspräsident Turtschynow rief wegen der Gewaltexplosion in Odessa eine zweitägige Staatstrauer aus. Allerdings bezeichnete er die Vorfälle in Odessa nur als "tragisch", während er auch die "Helden" der "Antiterroroperation" in die Staatstrauer einschloss (was die Situation angesichts der Toten auf beiden Seiten sicherlich nicht entspannt). Die "Tragödie" wurde nach ihm primär von "externen Kräften" verursacht, die Provokateure und ihre Organisationen würden bestraft. Wer für ihn die Verantwortung trägt, sagt er nicht. Der ukrainische Geheimdienst sieht die Ex-Regierungsmitglieder Arbuzov und Klymenko von Janukowitsch hinter der Aktion. Sie hätten die Provokateure finanziert, die vorwiegend aus Transnistrien stammen würden.