Militärmacht EU - eine "schlafende Schönheit"?
Seite 3: Neuer Verteidigungsfonds
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- EU: Probleme mit der Effizienz
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Um Abhilfe zu schaffen, hatte Juncker im September 2016 einen Verteidigungsfonds angekündigt, der Europäische Rat hatte ihn im Dezember abgesegnet. Der nimmt nun konkrete Gestalt an. Zunächst teilt die Kommission dem Fonds bis 2020 590 Millionen Euro zu. Danach sollen es, so der Vorschlag der Kommission, jährlich 1,5 Milliarden Euro pro Jahr sein. Später sollen dann jährlich sogar 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, doch das ist noch Zukunftsmusik.
Der Verteidigungsfonds sei im Interesse der Steuerzahler, argumentiert die Kommission: Es sei nötig, "effizienter zu investieren, unnötige Mehrfachausgaben zu vermeiden und kostengünstiger zu wirtschaften". Aber auch die europäische Rüstungsindustrie werde profitieren, machte Binnenmarktkommissarin Elżbieta Bieńkowska deutlich:
Mit dem Fonds wird die gemeinsame Verteidigungsforschung und die Entwicklung von Verteidigungsfähigkeiten gefördert. Von ihm gehen ganz neue Impulse für die strategische Autonomie der EU und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Verteidigungsindustrie aus. Davon profitieren auch die vielen KMU und Midcap-Unternehmen in der Wertschöfungskette der europäischen Verteidigungsbranche.
Elżbieta Bieńkowska
Verwendet werden soll das Geld für Forschung, Entwicklung und Beschaffung. Erste Forschungsprojekte im Bereich Elektronik, Metawerkstoffe, verschlüsselte Software oder Robotertechnik sollen bereits 2017 gefördert werden. Die EU-Kommission bittet um Einreichung von geeigneten Vorschlägen, damit bis Ende des Jahres die ersten Unterschriften vorzuzeigen sind. Gemeinsame Beschaffung sei effizienter, verspricht die Kommission:
Durch die Bündelung von Ressourcen können einzelne Mitgliedstaaten größere Erträge erzielen und Verteidigungstechnologien und Verteidigungsgüter (auch als 'Fähigkeiten' bezeichnet) entwickeln, die für sie allein nicht realisierbar wären. Eine verstärkte Zusammenarbeit reduziert auch Überschneidungen, fördert die Standardisierung der Ausrüstung und sorgt für eine bessere Interoperabilität der europäischen Streitkräfte. Durch Größenvorteile wird sie außerdem die Wettbewerbsfähigkeit der Verteidigungsindustrie der EU erhöhen.
EU-Kommission
Forderung der Bürger?
Mit ihren Forderungen sehen sich Juncker und Mogherini nicht alleine. Die Bürger der EU forderten "mehr Integration und Effizienz in Sachen Verteidigung", sagte Mogherini. Und Juncker sagte in Prag, die Bürger erwarteten von der Union, dass sie mehr tue, um sie vor alten und neuen Gefahren zu schützen. Die Kommission verweist dazu auf eine eigene Meinungsumfrage von April 2017. Demnach sind 68 Prozent der Befragten für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU und sogar 75 für eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik. 55 Prozent sind dafür, eine EU-Armee aufzustellen.
Die Berufung auf eine Umfrage überrascht. Denn es gibt noch viele andere, die die EU-Kommission aber alle geflissentlich ignoriert: So ist laut einer RTL-Umfrage eine Mehrheit von 61 Prozent der Deutschen grundsätzlich gegen Rüstungsexporte. Auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr stoßen mehrheitlich auf Ablehnung. Und nur ein Drittel ist laut einer YouGov-Umfrage von 2015 für eine europäische Armee. Die anderen sind unentschlossen oder finden, dass nicht noch mehr Kompetenzen nach Brüssel abgegeben werden sollten. Und: 69 Prozent der Deutschen sind für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland.
Mal wieder was Alternativloses
Aber von Abrüstung, obwohl nicht unpopulär, findet sich in den Vorschlägen der Kommission nichts. Welches Szenario letztlich Wirklichkeit wird, entscheidet freilich die Kommission nicht selbst. Doch egal, wie sie die EU entscheidet - die Richtung ist aus Sicht der Kommission alternativlos: "Diese Szenarien schließen sich nicht gegenseitig aus, zeigen aber, dass es drei unterschiedlich ambitionierte Solidaritätsniveaus gibt. An der Stärkung der Sicherheit Europas führt kein Weg vorbei."
Nun sei es an den Mitgliedstaaten, die Führungsrolle zu übernehmen und zu bestimmen, "wie stark die Unterstützung der EU-Institutionen ausfallen soll. Den Blick in die Zukunft gerichtet müssen sie jetzt darüber entscheiden, auf welchem Kurs und in welchem Tempo sie den Schutz der Bürgerinnen und Bürger Europas gewährleisten wollen." Die EU-Kommission will ihre Vorschläge ausdrücklich für den Europäischen Rat verstanden wissen, der am 22. und 23. Juni 2017 tagt. Das Thema steht dort auch schon auf der Tagesordnung.