Militärs: Die zementierte Macht der Repression

Militärs kontrollieren große Teile der Wirtschaft Ägyptens und Pakistans. Das Problem kann nur mittels eines politischen Kraftaktes bewältigt werden. China hat es vorgemacht.

Ägypten und Pakistan sind Länder, in denen das Militär nicht nur politisch den Ton angibt, sondern in denen die Streitkräfte auch wirtschaftlich eine herausragende Rolle spielen. In beiden Ländern genießt die Armee ein hohes Ansehen.

Beide Länder sind hoch verschuldet und stehen am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Der Verdacht liegt nahe, dass die Militärs zumindest eine Mitschuld an der wirtschaftlichen Misere tragen.

Beide Staaten verfügen über ein vergleichbares Bruttoinlandsprodukt von 365 Milliarden US-Dollar in Ägypten und knapp 341 Milliarden in Pakistan. Allerdings leben am Indus mehr als doppelt so viele Menschen (231 Millionen) wie am Nil (109 Millionen), weshalb das ägyptische pro-Kopf-Einkommen mit 3.350 US-Dollar (jaährlich) mehr als doppelt so hoch ausfällt wie das pakistanische (1.470 US-Dollar p.a.).

Pakistan: Das Wirtschaftsimperium der Armee

Zuletzt haben katastrophale Überschwemmungen und eine landesweite Energiekrise für Schlagzeilen aus Pakistan gesorgt. Pakistans Auslandsschulden wurden im September 2022 auf umgerechnet fast 127 Milliarden US-Dollar beziffert.

Weniger bekannt ist, dass verschiedene Militärjuntas das Land am Indus knapp die Hälfte der 74 Jahre seit seiner Gründung regiert haben (siehe dazu die Telepolis-Hintergrund-Berichte von Mark Engeler: Pakistan: Trübe Aussichten im Land der Reinen und Atommacht Pakistan: Taliban, Geopolitik und Abgrund).

1954 gründeten Militärs die erste Wohlfahrtsstiftung mit Mitteln, die aus einem britischen Wiederaufbaufonds aus dem Zweiten Weltkrieg stammten.

Erste große Projekte wie der 800 km lange Karakorum-Highway, der Pakistan mit China verbindet, wurden vor allem unter sicherheitspolitischen Aspekten gestartet. Heute dehnt sich das Wirtschaftsimperium der Streitkräfte jedoch weit über diese traditionellen Rollen hinaus aus.

Welche Rolle spielen die Militärs?

Militärs betreiben heute etwa 50 Wirtschaftsunternehmen. Ihr wichtigster Wirtschaftsbetrieb, die Fauji Foundation, ist zwischen 2011 und 2015 enorm gewachsen – um 78 Prozent. Die jährlichen Einnahmen belaufen sich auf über 1,5 Milliarden Dollar.

Die Times of India bezeichnet die Fauji (Soldaten) Stiftung als Pakistans zweitgrößtes Industriekonglomerat, das zudem wichtige Wohlfahrtsorganisationen betreibt. Die Fauji Foundation steht hinter mehr als 30 Projekte, von Immobilien, Lebensmitteln und der Kommunikationsbranche bis hin zu undurchsichtigen Unternehmungen in den Bereichen Öl und Gas, Zement, Bildung, Getreide, Zucker, IT, Fischerei und Energie in ganz Pakistan.

Die größten Unternehmen Pakistans, die Gasgesellschaft SUI, die Strom- und Wasserwerke WAPDA, die Askari-Bank, der Natural Disaster Relief Fund, die Pakistan International Airlines PIA und sogar der CPEC (Wirtschaftskorridor China-Pakistan) werden von Militärangehörigen verwaltet.

Das Management gilt meist als miserabel. So ist etwa die PIA unlängst wegen gefälschter Pilotenlizenzen in die Schlagzeilen geraten. Viele der Unternehmen schreiben erhebliche Verluste, produzieren immer wieder Korruptionsskandale und kämpfen mit Transparenzproblemen. Sie überleben nur, weil sie vom Staat gestützt werden.

Zusätzlich stärkt das Militär seine politökonomische Rolle durch Stiftungen, die immerhin neun Prozent der Bevölkerung mit sozialen Dienstleistungen versorgen. Weitere große Konglomerate wie die Shaheen Foundation und die Bahria Foundation bieten kommerzielle Dienstleistungen an, die von Fernsehsendern über Flughäfen und Universitäten bis hin zu großen Immobilien- und Wohnanlagen reichen.

Selbst da, wo das Militär politische und administrative Strukturen nicht unter direkter Kontrolle hat, ist es gegenwärtig und gedeiht – besonders in jenen Sektoren, die öffentliche Dienstleistungen anbieten. Und sie versteuern nur Einnahmen aus offiziell als militärisch geltenden Unternehmen, nicht aber jene, die in den Stiftungen generiert werden.

Ägypten: Von Militärs kontrolliert

Das nordafrikanische Land hat ebenfalls existenzielle wirtschaftliche Probleme. Das ägyptische Pfund fällt und fällt, die Inflation galoppiert. Dabei stagniert der Arbeitsmarkt und die Armut wächst.

Die nationale Armutsquote in Ägypten hat sich zwischen 2000 und 2018 fast verdoppelt, von 16,7 auf 32,5 Prozent. Währenddessen baut die Regierung unverdrossen einen neuen Regierungssitz in der Wüste.

Der Internationale Währungsfonds IWF hat gerade ein Drei-Milliarden-US-Dollar Paket für die nächsten vier Jahre geschnürt. Gleichzeitig gibt das Land am Nil den Wechselkurs seiner Währung komplett frei. Die Auslandsschulden Ägyptens beliefen sich im Juni 2022 auf über 155 Milliarden US-Dollar.

Welche Rolle spielen die Militärs?

Überraschenderweise erwartet der IWF diesmal neben den üblichen Ausgabenkürzungen auch, dass das ägyptische Militär seine übermächtige Rolle in der Wirtschaft am Nil zurückfährt. Wie das gehen soll, bleibt allerdings unbeantwortet und frühere Zusagen dazu hat die Regierung in Kairo nie eingehalten.

Das wirtschaftliche Engagement des ägyptischen Militärs begann in den 1970er- und 1980er-Jahren, als es die Gelegenheit bekam, Staatsbetriebe zu übernehmen. Die ökonomische Rolle der Truppe war zunächst noch gering. Das änderte sich rapide, nach dem Putsch von Abdel Fattah el-Sisi 2013, der seit 2014 als Präsident regiert. Der aktuelle Umfang der von Militärs gesteuerten Wirtschaftsaktivitäten ist schwer einzuschätzen. TRT-World schätzt sie auf 1,5 bis 30 Prozent der ägyptischen Wirtschaftsleistung.

Die wichtigste ökonomische Einrichtung des Verteidigungsministeriums in Kairo ist wohl die National Services Project Organisation (NSPO). Gerade hat sie eine Milliarde Dollar in ein Zementwerk investiert. Damit hat das Militär seinen Anteil am inländischen Zementmarkt von drei auf 23 Prozent erhöht, was unter anderem für den Mitbewerber Heidelberg Zement ein Problem darstellt.

Die NSPO hat auch eine Düngemittelfabrik gebaut und vor einigen Jahren 107 Millionen Dollar in die größte Fischfarm des Nahen Ostens investiert. Parallel dazu hat die Organisation mit drei anderen staatlichen Unternehmen einen Vertrieb gegründet, der als einziger Vertreiber von Phosphatdünger in Ägypten fungiert und zudem zu einem bedeutenden Marmorproduzenten aufgestiegen ist. Weitere, vom Militär kontrollierte Unternehmen stellen Waschmaschinen, Fernsehgeräte, Kochgasflaschen, Müllwagen, Wasserpumpen und Einwegspritzen her.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Auch beim milliardenschweren Ausbau des Suezkanals und der neuen Verwaltungshauptstadt in der Nähe von Kairo spielt das Militär eine maßgebliche Rolle.

Das Carnegie Middle East Center weist darauf hin, dass militäreigene Unternehmen am Nil in der Regel weder Steuern noch Importzölle oder Sozialabgaben zahlen.

Hinzu kommt der politische Einfluss des Militärs. Es verfügt über Offiziere, die im gesamten Staatsapparat platziert sind und Auftragsvergaben beeinflussen. Offiziere dominieren auch die wichtigste Rechnungsprüfungsbehörde der Regierung. Das Militär hat die Regierung bei der Vergabe von Aufträgen und der Verwaltung des Crash-Programms für den zivilen Wohnungsbau und die öffentliche Infrastruktur de facto ersetzt.

Kurz gesagt, stellt die Truppe gute Ingenieure, aber schlechte Ökonomen. Selber ein General, vertraut al Sisi nur dem Militär, Aufgaben pünktlich und innerhalb des Budgets zu erledigen. Wenn es eine neue Stadt im Sand bauen soll, dann baut es eine neue Stadt im Sand. So versenken Regierung und Militär enorme Mengen an Kapital in unproduktive Projekte.

Schlussfolgerungen

In beiden Ländern unterhalten oder kontrollieren Militärs Unternehmen und schränken zivile Wettbewerber ein. In einigen Branchen haben sie sogar Monopolstellungen aufgebaut. Das schadet den wirtschaftlichen Aussichten Ägyptens und Pakistans unter anderem, weil

  • es Ressourcen verschwendet,
  • Ressourcen im Interesse der Militärs zugeteilt werden und nicht nach gesamtgesellschaftlichen Gesichtspunkten,
  • es Steuereinnahmen und andere staatliche Einkünfte mindert,
  • es die Entwicklung einer * leistungsfähigeren * zivilen Wirtschaft behindert,
  • es ausländische Direktinvestitionen von Unternehmen und Ländern verringert, weil die Investoren unfaire Konkurrenz fürchten.

Es ist träumerisch zu glauben, dass das Militär freiwillig auf Kapital, Unternehmen und Positionen verzichten würde. Deshalb kann das Problem nur mittels eines politischen Kraftaktes bewältigt werden, wie es etwa in China geschah.

Während der wirtschaftlichen Liberalisierung Chinas wurde die Volksbefreiungsarmee (PLA) 1998 von der Kommunistischen Partei angewiesen, sich vollständig aus dem Dienstleistungssektor zurückzuziehen, damit der Staat eine effiziente, leistungsorientierte Wirtschaft aufbauen konnte. Diese sollte zudem von zivilen Experten geleitet werden, die zur Rechenschaft gezogen werden können.