Milliardenloch durch Osterweiterung in Spanien
Die Osterweiterung trifft Spanien als Hauptbezieher des EU-Kohäsionsfonds hart
Spanien hat bald ein großes Problem. Wie die europäische Statistikbehörde (Eurostat) in einer "Schnellschätzung" berechnet hat, liegt der Hauptbezieher der Gelder aus dem Kohäsionsfond der Europäischen Union weit über dem Grenzwert und darf nicht mehr bedient werden. Laut Angaben von Eurostat hat der spanische Staat in der erweiterten EU nun 95 Prozent des Durchschnitts des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Mitgliedsländer erreicht und fällt damit dem sogenannten "statistischen Effekt" zum Opfer.
Mit Geldern aus dem Kohäsionsfonds werden wirtschaftlich schwache Mitgliedsstaaten gefördert, um das soziale Gefälle im Rahmen des Binnenmarkts zu kompensieren. Geld erhält aber nur ein Land, das bis zu 90 Prozent des Durchschnitts des Sozialproduktes, die Summe der erzeugten Güter und Dienstleistungen, erwirtschaftet. Zuletzt war Eurostat 2001 zu dem Ergebnis gelangt, dass Spanien unter den alten 15 EU-Mitgliedern mit 84,2 Prozent des BIP weiter förderungswürdig ist. In Vorwegnahme der Erweiterung hatten die Statistiker aber errechnet, dass das Land in einer erweiterten EU mehr als die 90-Prozent-Marke erreichen wird, da alle Beitrittsländer unter der Schwelle liegen.
Madrid hätte sich auf die veränderte Lage einstellen können. Da die konservative Volkspartei (PP) dies nicht getan hat, trifft der baldige Wegfall der Subventionen nun die Sozialisten (PSOE), die im März bei den Wahlen überraschend den Sieg errungen haben. Der Ex-Ministerpräsident José María Aznar hatte darauf gesetzt, sich mit seiner Erpressungsstrategie weiter die Milliarden aus Brüssel zu sichern. Mit der Devise Geld gegen Zustimmung hatte er die Osterweiterung behindert und zuletzt sogar die EU-Verfassung blockiert.
Weil Spanien der Hauptbegünstigte des Kohäsionsfonds ist, trifft es das Land besonders hart. Denn von den 25 Milliarden, die zwischen 2000 und 2006 aus dem Topf fließen, gehen fast die Hälfte nach Madrid. Der Rest wird zwischen Portugal, Griechenland, Irland und den zehn neuen Mitgliedsländern aufgeteilt. Im spanischen Staat machten die Zahlungen aus Brüssel, nach Angaben der EU-Kommission, etwa 0,9 Prozent des Wirtschaftswachstums aus, mit dem sich Aznar gerne gebrüstet hat. Die EU-Gelder aus dem 2,3 Prozent-Wachstum von 2003 herausgerechnet, ergibt sich ein anderes Bild. Dass ein Teil der Wirtschaftsleistung auch durch die etwa eine Million sogenannter "illegaler" Einwanderer erwirtschaftet wird, die in der Pro-Kopf-Berechnung des BIP gar nicht einfließen, sei nur am Rande bemerkt.
Doch der statistische Effekt trifft auch die Strukturfonds der EU. Schon jetzt überschreitet das Pro-Kopf-Einkommen in den meisten spanischen Regionen jene 75 Prozent des EU-Durchschnitts, welche die Obergrenze für den Bezug von Hilfen aus diesen Fonds bilden. Bald haben nur noch Andalusien und Extremadura Anspruch auf Unterstützung aus den Strukturfonds. Bisher sind es noch elf Regionen die aus Brüssel wegen der besonderen Bedürftigkeit gefördert werden.
Spanische Politiker wollen nun eine "Übergangsphase" aushandeln, um weiter in den Genuss der EU-Gelder zu kommen. Doch die EU-Kommission hat klar gestellt, dass es nach 2006 keine legale Möglichkeit mehr für die Zahlungen gibt. Der neue Wirtschaftsminister Pedro Solbes, Ex-Vizepräsident der EU-Kommission, kündigte schon für das kommende Jahr ein höheres Haushaltsdefizit an. Hatten die Konservativen noch 0,3 Prozent des PIB veranschlagt, geht Solbes nun von einer Verdoppelung aus. Rechnet man die Schulden von Andalusien ein, die der Staat übernimmt, und das Defizit von sieben Milliarden Euro, das unter der PP im öffentlich-rechtlichen Rundfunk angehäuft wurde, dann muss schon jetzt für 2005 ein Prozent Haushaltsdefizit veranschlagt werden.