Mit EZB-Realitätsverweigerung in die Stagflation?

Seite 3: Der Euro

Die EZB prügelte über ihre Geldpolitik den Euro nach unten, um Waren aus dem Euroraum für andere Währungsräume billiger zu machen und damit die Exporte und die Konjunktur zu stärken. Jetzt zahlen wir den Preis.

Da die Energiepreise deutlich gestiegen sind – allerdings längst vor dem Ukraine-Krieg – bekommen wir für unseren schwachen Euro deutlich weniger Dollar, worüber die Energierechnung zusätzlich steigt.

Eine deutliche Zinserhöhung könnte den Eurokurs erhöhen, da weniger Geld in andere Währungsräume abfließen würde. Die würde nicht nur inflationssenkend Geld vom Markt abziehen, sondern gleichzeitig die Energierechnung senken, was auch wieder inflationsmindernd wirken würde.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das wahrlich nicht für seine Kritik an der EZB-Politik bekannt ist, hat gerade in einer Studie berechnet, welche Auswirkungen der schwache Eurokurs auf die extrem hohen Energiepreise hat. Allein darüber könnten die Energiepreise um bis zu vier Prozent gesenkt werden, meint das DIW. Es sieht allerdings auch das "Dilemma", dass steigende Zinsen die Wirtschaft belasten würden.

Dabei ist aber auch klar, dass auch die Wirtschaft wieder von sinkenden Energiepreisen profitieren würde. Also müsste die Frage aufgeworfen werden, ob sich die positive und negative Effekte nicht gegenseitig aufheben. Dazu käme, dass der Bevölkerung nicht derart viel Geld über extreme Energiepreise aus der Tasche gezogen würde, dass dann wieder für anderen Konsum zur Verfügung stehen würde.

Die hohe Inflation sorgt doch derzeit zusätzliche dafür, dass die breite Bevölkerung real immer weniger Kaufkraft hat, was sich auch wieder Konjunkturdämpfend auswirkt. Wird das durch höhere Lohnforderungen und in Arbeitskämpfen kompensiert, dann ist die Lohn-Preis-Spirale da und macht die Inflation chronisch. Die einfachen Beschäftigten können nicht mit einfach dabei zusehen, wie sie über die Inflation verarmen.

Es wäre spätestens jetzt an der Zeit gewesen, ein klares Signal auszusenden, doch die EZB hat das - wieder einmal - verpasst. Es wird damit aber auch immer klarer, dass sie irgendwann wird eine harte Vollbremsung einleiten müssen, damit die Lage nicht vollständig außer Kontrolle gerät. Die sieht dann tragisch aus und nennt sich Stagflation, wenn eine hohe Inflation auf eine Stagnation oder Rezession trifft. Der perfekte Sturm dazu entwickelt sich gerade.

Was passiert, wenn dazu auch noch russisches Gas ausbleiben würde, haben führende Wirtschaftsinstitute in ihrer Frühjahresprognose gerade deutlich gemacht. Dann droht nicht nur Stagnation oder Rezession, sondern sogar eine "scharfe Rezession". Interessant ist, dass die Institute von einer Inflation sprechen, die dann auf 7,3 Prozent emporschnellen würde.

Dabei hat die Realität auch diese Prognose mit 7,6 Prozent längst überholt. Das zeigt nur an, dass real noch mit viel dramatischeren Auswirkungen gerechnet werden muss. Allerdings muss vor allem die EZB für die Entwicklung verantwortlich gemacht werden, sie seit langem eine völlig fehlgeleitete Politik betreibt, der die Politik komplizenhaft zuschaut.

Während man in der Tagesschau letztlich keine Antwort darauf gibt, ob die EZB die Kontrolle verliert, ist man in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) in der Frage schon etwas weiter.

Die NZZ geht mit der Lagarde-EZB hart ins Gericht und meint, dass man in Frankfurt "zunehmend in ihrer eigenen Blase gefangen" ist und der EZB-Rat "stur an seiner ultraexpansiven Geldpolitik" festhält, was sich "nur noch mit Realitätsverweigerung" erklären lasse.

Die NZZ weist auch auf einen Punkt hin, der sich immer stärker aufdrängt. "Entweder regiert im Glasturm der EZB inzwischen das Prinzip Hoffnung, oder eine Mehrheit der Ratsmitglieder findet die hohe Inflation angesichts der in manchen Ländern ausufernden Staatsschulden gar nicht so schlecht. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Schuldenproblem mithilfe der Notenbank und finanzieller Repression durch negative Realzinsen gelöst werden soll."

Auch darauf hatte Telepolis immer wieder hingewiesen, dass es sowohl von Vertretern von stark verschuldeten Staaten, wie der Italiener Draghi oder die Französin Lagarde, auf eine solche "Lösung" setzen könnten. Die Versuchung ist angesichts weiter ausufernder Staatsschulden mit der Corona-Pandemie natürlich nur noch größer geworden.