Mit EZB-Realitätsverweigerung in die Stagflation?
Seite 2: Märchenstunde: Lasst die Notenpressen laufen
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Am gestrigen Donnerstag wartete Lagarde dann auch erneut auf der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung mit einer neuen Märchenstunde auf. Obwohl schon aus der oben ausgeführten Entwicklung klar wird, dass die Inflationsentwicklung nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun hat, durch ihn nur verstärkt wird, woran wiederum Spekulation einen erheblichen Anteil hat, führt auch die EZB die Vorgänge in der Ukraine als Ausrede an.
Diese Argumentation bieten auch deutsche Qualitätsmedien immer wieder gerne an.
So nutzt auch die EZB gleich zu Beginn der Pressemitteilung den Krieg als Ausrede:
Russlands Aggression gegen die Ukraine sorgt für enormes Leid. Außerdem zieht sie die Wirtschaft in Europa und darüber hinaus in Mitleidenschaft. Der Konflikt und die damit einhergehende Unsicherheit belasten das Unternehmer- und das Verbrauchervertrauen schwer. Handelsstörungen führen zu neuerlichen Engpässen bei Material und Vorleistungen. Stark steigende Energie- und Rohstoffpreise schmälern die Nachfrage und bremsen die Produktion.
EZB
Interessant ist nicht die Feststellung der EZB, dass die Inflation deutlich gestiegen ist, sondern wirklich interessant ist eigentlich nur, dass die EZB nun ebenfalls zur Erkenntnis gelangt zu sein scheint, dass sie "auch in den kommenden Monaten hoch bleiben" werde.
Die Lagarde-EZB ringt sich sogar zur Aussage durch: "Der Inflationsdruck hat sich über viele Sektoren hinweg intensiviert." Dafür macht die Notenbank vor allem den "starken Anstieg der Energiekosten" aus.
Doch eine Konsequenz aus der erneut angepassten Analyse, nachdem man aus dem Frankfurter Elfenbeinturm lange fabuliert hatte, die Inflation werde schnell wieder sinken, gibt es nicht. Man sucht sie vergebens. Sie ist Null, genauso wie der unveränderte Leitzins. Sogar das Gegenteil dessen ist auszumachen, was eigentlich angesagt wäre.
Nicht einmal aus der Geldschwemme will die EZB aussteigen. Man sei nur zu dem Schluss gekommen, "dass die Nettoankäufe von Vermögenswerten im Rahmen seines Programms zum Ankauf von Vermögenswerten im dritten Quartal eingestellt werden sollten."
Also bis ins dritte Quartal laufen die Notenpressen der EZB weiter, werden die Geldmärkte weiter mit Anleihekäufen inflationstreibend geflutet. Man tut im Frankfurter Turm also weiter so, als hätten die Unsummen, mit denen die EZB ohne Unterlass die Geldmärkte seit Beginn der Finanzkrise ab 2008 überschwemmt hat, nichts mit der Rekordinflation zu tun.
Allerdings dreht die EZB nun die Ventile etwas zu, mit denen die Geldmärkte geflutet werden. Die monatlichen Nettoankäufe im Rahmen des "Ankaufs von Vermögenswerten (APP) "werden sich im April auf 40 Mrd €, im Mai auf 30 Mrd € und im Juni auf 20 Mrd € belaufen".
Eine Erhöhung des Leitzinses wird nicht einmal bis zum Jahresende in Aussicht gestellt, um Geld von den Geldmärkten zu saugen und die Inflation einzugrenzen. "Änderungen der EZB-Leitzinsen werden einige Zeit nach dem Ende der Nettoankäufe des EZB-Rats im Rahmen des APP vorgenommen", führt die Notenbank weiter schwammig aus. Sie ist offensichtlich bereit, zweistellige Inflationsraten in der gesamten Eurozone zuzulassen.
Es ist Realsatire, wenn angefügt wird:
Die Entwicklung der EZB-Leitzinsen richtet sich weiterhin nach der Forward Guidance des EZB-Rats und seiner strategischen Verpflichtung, die Inflation auf mittlere Sicht bei 2 % zu stabilisieren.
Doch diese Geldpolitik ist natürlich nur die Konsequenz aus den fatalen Fehlern, die die EZB schon unter Mario Draghi gemacht hat, die unter Lagarde nur fortgeführt und zum Teil verstärkt wurden. Seit fast 14 Jahren hält man in Frankfurt die Geldschleusen weit geöffnet. Daran hat sich nicht einmal etwas geändert, als die Konjunktur relativ gut lief und die Inflationsraten sich an die frühere Zielmarke heranschoben.
Die EZB macht seit dem Beginn der Finanzkrise vor allem Konjunkturpolitik. Sie ist längst nur noch offiziell der Geldwertstabilität verpflichtet, dabei wird die seit Jahren real nur noch nachrangig behandelt und sie wird immer nachrangiger, wie wir derzeit sehen.
Als die Konjunktur schon vor der Corona-Krise abzuflauen begann, hat die EZB die Geldschwemme sofort noch unter Draghi wieder ausgeweitet. Klar, der Werkzeugkasten war leer. Man konnte damals die Zinsen nicht konjunkturfördernd senken, weil man sie, anders zum Beispiel als die US-Notenbank (FED), auch in Wachstumsphasen nicht erhöht hatte.
Gefangen in der eigenen erratischen Politik blieb den Frankfurter Notenbankern dann auch mit der Covid-Pandemie aufziehenden neuen Krise nichts anderes übrig, als die Notenpressen noch schneller laufen zu lassen. Nun ist das Problem der EZB, dass sie die ohnehin abflauende Konjunktur weiter belasten würde, wenn sie das tun würde, was sie eigentlich tun müsste: Leitzinsen erhöhen.
Immer mehr Beobachtern wird es angesichts der fatalen Entwicklung mulmig, denn längst haben andere Notenbanken damit begonnen, Geld von den Geldmärkten zu saugen. So hat die norwegische Zentralbank den Leitzins im März bereits zum dritten Mal auf nunmehr 0,75 Prozent erhöht.
Vor einem Monat hatte die US-Notenbank (FED), allerdings auch viel zu spät, eine erste und nur schwache Zinsanhebung um 0,25 Punkte durchgeführt. Der geldpolitische Schlüsselsatz liegt in den USA nun in einer Spanne von 0,25 bis 0,50 Prozent und nicht mehr zwischen Null und 0,25 Prozent.
Das war die erste Erhöhung des Leitzinses seit Ende 2018. Im Unterschied zur EZB hatte die FED eine Zinsnormalisierung nach der Finanzkrise durchgeführt, die bei der EZB komplett ausgefallen ist, die bis heute im Finanzkrisenmodus fährt.
Die FED stimmt die Märke nun auch auf aggressivere gelpolitische Schritte ein, nachdem auch in den USA noch lange weiter auf Zeit gespielt wurde. Doch im veröffentlichten Protokoll zur jüngsten Sitzung des Offenmarktausschusses ist nun zu lesen, dass man sich einig gewesen sei, die Bilanzsumme der Notenbank schnell zu reduzieren, monatlich sollen etwa 95 Milliarden Dollar vom Markt gesaugt werden.
Viele Ausschussmitglieder gehen davon aus, dass auf künftigen Sitzungen ein oder gar mehrere große Zinsschritte beschlossen werden dürften. Beobachter gehen inzwischen davon aus, dass die FED auf die geldpolitische Bremse treten wird. In den USA ist die Inflation inzwischen auf 8,5 Prozent angeschwollen.
Die Kritik an der EZB-Geldpolitik wird immer stärker. "EZB auf dem Weg zum Kontrollverlust?", fragt zum Beispiel sogar die Tagesschau. Sie zitiert den Experten Friedrich Heinemann, der auf die europäischen Verträge verweist: "Hier findet sich eine klare Antwort, wie die EZB in einer solchen Situation zu entscheiden hat: Die Preisstabilität ist das vorrangige Ziel, diesem sind andere Ziele untergeordnet."
Jeder Monat des Zauderns füge der Reputation dieser wichtigen europäischen Institution Schaden zu, meint er. Offensichtlich ignoriert man in Frankfurt, was in den Verträgen steht.
So wird auch darauf verwiesen, dass natürlich der Euro weiter unter der Geldpolitik leidet. Steigen die Zinsen in den USA, fließt natürlich Kapital in diese Richtung ab, womit der Dollar gestärkt und der Euro geschwächt wird.
So ist es kein Wunder, dass mit der Zinsentscheidung der Euro gegenüber dem US-Dollar weiter nachgegeben hat. Das führt natürlich dazu, da Energie auf dem Weltmarkt in Dollar gehandelt wird, dass sich Öl und Gas für Verbraucher im Euroraum weiter verteuern, auch wenn deren Preis nicht ansteigen.
Damit hat die EZB, anders als sie suggeriert, sehr wohl auch eine Möglichkeit dämpfend auf die Energiepreise und damit über diesen Hebel auch dämpfend auf die Inflation einzuwirken. Die EZB stieg, als Energie noch billig war, in den Währungskrieg ein.