Mit Gesetzesverschärfungen gegen rechts?

Nach dem Anschlag von Halle dreht die Law and Order-Fraktion wieder auf. Gerade jetzt braucht es eine starke Stimme für das Recht auf Meinungsfreiheit und gegen weitere Freiheitseinschränkungen

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Wenige Tage nach dem Neonazi-Anschlag in Halle holen die Sicherheitsorgane all die Pläne für Gesetzesverschärfungen aus den Schubladen, die sie seit Jahren verwirklichen wollen. Der Anlass scheint beliebig, mal ist es linke Militanz wie 2017 in Hamburg oder eben jetzt ein Neonazi-Anschlag. Den Anfang machte der CSU-Vorsitzende Seehofer mit seinem Gamer-Bashing. Da mussten ihn auch jüngere Parteikollegen darauf hinweisen, dass er hier eine boomende Branche in Verruf bringt.

Dem Ansinnen der Law and Order-Fraktionen aller Parteien und Staatsapparate wird allerdings längst nicht so massiv widersprochen wie noch vor 10 Jahren. Die Angriffe sind massiv. Zur Bekämpfung von rechter Gewalt sei ein "Bündel von Maßnahmen" erforderlich, sagte der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, laut dpa bei einem gemeinsamen Pressetermin mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang.

Es gehe darum, "potentielle Täter frühzeitig zu erkennen, rechte Netzwerke aufzudecken und strafbare Inhalte im Netz konsequenter zu verfolgen". Daher soll die Behörde eine "Zentralstelle zur Bekämpfung der Hasskriminalität" einrichten. Plattformbetreiber sollen verpflichtet werden, der Polizei strafbare Inhalte zu melden, die sie nach der heutigen Gesetzgebung bereits löschen müssen.

Auch die Befugnisse des Verfassungsschutzes zur "Onlinedurchsuchung", bei der Ermittler unbemerkt in private Computer eindringen und vollen Zugriff auf die dort gespeicherten Daten erhalten, sollen ausgebaut werden. Die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung müsse dem Geheimdienst erlaubt werden, sagte Haldenwang. Auch hierbei handelt es sich um Pläne, die die Law and Order-Fraktion seit Jahren propagiert.

Nun ist nicht verwunderlich, dass zu den Trommlern für solche Maßnahmen Politiker der Unionsfraktion an vorderster Front gehören. Auch der langjährige Polizeigewerkschaftler Reiner Wendt ist seit Jahren als Rufer nach mehr Polizeibefugnissen bekannt. Dem wurde in der Vergangenheit auch von den Politikern der Grünen meistens widersprochen.

Jetzt die Symphathisantendiskussion gegen rechts?

So ist es schon ein Alarmzeichen, wenn sich Wendt mit der innenpolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion Irene Mihalic in einer Talk-Runde im Deutschlandfunk mit dem Titel "Terror von rechts - Was tun?" weitgehend einig ist. Zumindest hat die Sendung den Anspruch ihres Titels "Kontrovers" bei weiten nicht erfüllt. Die Kontroversen blieben überwiegend aus.

Dabei hatte man den Eindruck, dass die unselige Sympathisantendebatte der 1970er Jahre jetzt gegen rechts in Stellung gebracht wird. Damals wurde jeder, der nur einen antikapitalistischen Gedanken äußerte, von Politikern der Union, aber auch der SPD unter Terrorismusverdacht gestellt.

Der Begriff des "geistigen Brandstifters" wurde damals kreiert. Es war einer linken und linksliberalen Gegenöffentlichkeit zu verdanken, dass diese Sympathisantendiskussion zurückgedrängt werden konnte. Nun hat man den Eindruck, dass mit ähnlichen Mitten jetzt gegen rechts agiert wird. Wenn vom Attentäter in Halle auf die AfD kurzgeschlossen wird, und die doch sehr unterschiedlichen Formen rechter Politik einfach ausgeblendet werden, muss man diesen Eindruck haben.

Es sollte schon unterschieden werden zwischen einem Neonazi mit antisemitischen Venichtungsplänen und den Nationalkonservativen der AfD, die einen rechten Pro-Israel-Diskurs pflegen. Gerade wenn man beide Formen rechter Aktivitäten bekämpft, sollte man diese Differenzierung nicht aufgeben. Man sollte eben nicht in ein Denken über Sympathisanten und geistige Brandstifter verfallen, wo jeder rechte Gedanke fast zwingend nach Halle führt.

Wenn der Kampf gegen Hass Freiheitsrechte einschränkt

Auch beim jetzt sehr populären Kampf gegen Hass in sozialen Netzwerken, sollte man die Einschränkungen von Freiheitsrechten eben nicht unberücksichtigt lassen. Deswegen ist es auch bedauerlich, dass Johanna Henkel-Waidhofer in einem Beitrag für die Zeitschrift Kontext über Hasspostings die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Gruppen, die vor einem Demokratieabbau warnen, angreift.

Noch verräterischer ist die Geisteshaltung derer, denen die Tolerierung des Unsäglich-Unsagbaren wegen der angeblich bedrohten Meinungsfreiheit wichtiger ist als der Kampf gegen Hass und Hetze in verschriftlichter Form. Die Kämpferinnen für digitale Rechte des Vereins "epicenter.works" problematisieren, dass der EuGH die "zentrale Frage, wie mit entsprechenden Konflikten, die sich durch unterschiedliche rechtliche Regelungen in unterschiedlichen Ländern ergeben - nicht einmal innerhalb der EU sind die relevanten Tatbestände harmonisiert -, unbeantwortet" gelassen habe.

Johanna Henkel- Waidhofer, Kontext

Auch die Kritiker der automatischen Filter werden angegriffen, als hätte es die jahrelange kritische Debatte darüber nicht gegeben.

Angelika Adensamer, Juristin der NGO, sieht "das Problem, dass Facebook dazu angehalten wird, automatische Filter zu verwenden". In der analogen Welt würde dieser Satz fortgesetzt mit einem Appell an das Unternehmen, diese Filter so zu entwickeln, dass sie gemäß dem EuGH-Urteil operieren. Oder nach anderen Wegen zu suchen, um den Vorgaben der Mitgliedsländer gerecht werden zu können. Für die digitale Welt gelten andere Regeln. Adensamer verliert sich, unter Beifall von KämpferInnen gegen angebliche Bevormundung im Netz, in Befürchtungen um die Funktionstüchtigkeit der Filter: Womöglich könnten sie "nicht erkennen, ob eine Äußerung kritisch oder berichterstattend gemeint ist und in Ausübung der freien Meinungsäußerung".

Johanna Henkel- Waidhofer, Kontext

In der gleichen Kontext-Ausgabe steht erfreulicherweise auch ein klares Plädoyer für die Verteidigung der Freiheitsrechte. "Eine sehr große Koalition arbeitet konsequent daran, die Befugnisse für Sicherheitsbehörden immer weiter auszubauen - was nur auf Kosten von Freiheitsrechten geht", schreibt Minh Schredle.

"Es gibt kein Grundrecht auf Sicherheit," zitiert Schredle, die Liberale Leutheusser Schnarrenberger. Dieser Grundsatz sollte auch auf die aktuelle Debatte über die Hasspostings ausgeweitet werden. Da hat man den Eindruck, dass manche das Entfernen von Hasskommentaren, wo immer sie auftauchen, zur obersten Maxime erheben will.

Der Hintergrund für Angriffe von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für bürgerliche Freiheitsrechte einsetzen, sind Urteile gegen verschiedene Grünen-Politikerinnen wie Renate Künast, die in der Öffentlichkeit oft verkürzt wahrgenommen und moralisierend kommentiert werden. Da wird zu wenig berücksichtigt, dass Künast eben keine zivilgesellschaftliche Klage wegen sexistischer Beleidigung gestellt hat, sondern das Strafrecht bemühte, wie der Rechtsanwalt Jony Eisenberg darlegte.

Vertreten wurde Frau Künast von einem jungen Anwalt, der in einem Gastbeitrag für die FAZ eine Überarbeitung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes fordert. Er will es verschärft sehen. Statt des bisherigen "mühseligen" Verfahrens soll dort ein unmittelbarer Auskunftsanspruch gegenüber Plattformbetreibern verankert werden.

Jony Eisenberg, Telepolis

Sein Beitrag zeigt, dass es auch weiterhin Menschen gibt, die im Kampf gegen rechts keine Law and Order-Politik propagieren. Wie schnell beim angeblichen Kampf gegen Hass im Netz die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden kann, zeigt die Kampagne konservativer Medien gegen eine Bloggerin mit migrantischen Hintergrund .

Mittlerweile ist der Twitteraccount @zugezogenovic gesperrt. Solche Fälle werden sich wiederholen und häufen, wenn wir der Law and Order-Fraktion erst die Instrumente in die Hand geben, die sie immer wieder einfordern. Daher ist es gerade nach Anschlägen wie in Halle wichtig, zu betonen, dass der Kampf gegen solche Neonazitaten nichts mit der Einschränkung von Grundrechten zu tun hat.