Mit Messerwalzen durch Manhattan
Das Open-World-Actionspiel "Prototype 2" für Xbox 360, PlayStation 3 und PC
Mehr noch als im Comic spielt der Übermensch im Game eine tragende Rolle. Ohne ihn wäre ein Großteil der Actionspiele nicht vorstellbar. Prototype 2 macht den Reifeprozess eines normalen Menschen zum Superhelden Schritt für Schritt nachlebbar. Auch wenn das Spiel schwache Seiten hat, gelingt es Radical Entertainment, diese Entwicklung durchweg spannend zu halten.
Was in der Literatur oder im Film übertrieben wäre, ist in Spielen noch zu wenig. Wo dort die Identifikation auf Gefühlsebene stattfindet, entwickelt sich das Verhältnis des Spielers zum virtuellen Hauptdarsteller mehr über dessen Handlungen. Wenn der Protagonist im Verlauf einer durchschnittlichen Actionspieldauer von zehn bis fünfzehn Stunden wieder und wieder über seine Fähigkeiten hinaus wächst, dann macht das einfach Spaß. So auch in folgendem Fall.
Drei Jahre nach Prototype (2009), dem die USK seinerzeit die Freigabe verweigerte, erscheint nun via Activision "Prototype 2" für Xbox 360 und PlayStation 3 (ab dem 27. Juli 2012 auch für PC). Wer den ersten Teil mochte, wird den zweiten Teil ebenso mögen - denn viel wurde nicht am Konzept verändert. Wie Teil eins ist "Prototype 2" ein sogenanntes Sandbox- oder Open-World-Spiel im Stile der Grand Theft Auto-Reihe. Die einzigen spürbaren Grenzen sind das Meer, das die kilometerweiten Areale, in denen sich der Spieler frei bewegen kann, umschließt.
Schauplatz ist erneut New York City (genannt New York Zero), wo der Held von Teil eins, Alex Mercer, 14 Monate nach seiner Geschichte immer noch wütet. Halb Mensch, halb Monster kämpft er gegen die Organisation Blackwatch, die den Virus entwickelt hat und nun versucht, ihn auszurotten. Ganze Stadtbezirke sind verseucht und mit ihnen die Bevölkerung: Zombie-artige Mutanten. Nur eine Hand voll Menschen haben besondere Kräfte entwickelt und leben trotz des Virus nach freiem Willen weiter. Einer von ihnen ist Sergeant James Heller, dessen Familie beim Ausbruch getötet wurde und der der nun nach Rache sinnt. Ihn steuert der Spieler.
Entwickler Radical bemüht sich, mit "Prototype 2" eine Science Fiction-Story im Katastrophenfilmstil zu erzählen. In Zwischensequenzen, vor Beginn und nach Ende einer Mission, erfährt man mehr über die Hintergründe des Virusausbruchs und Alex Mercers Rolle darin. In düsteren Bildern werden Liquidierungsaufträge aneinander gereiht, die dem Plot keine wirkliche Dramaturgie geben, sondern ausschließlich der Action dienen. Hellers coole Art macht seinen Charakter zwar lebendiger, die Story selbst wird aber nicht interessanter - kein Vergleich zu dichten Open World-Erlebnissen wie Grand Theft Auto IV und seinem erinnerungswürdigen Protagonisten Niko Bellic. In "Prototype 2" geht es nur um die Action, doch die kann sich sehen lassen.
Heller ist kein Supermann - zumindest am Anfang nicht wirklich. Zunächst besitzt der in Lederjacke, Kapuzenpullover, Jeans und Kampfstiefeln gekleidete Afroamerikaner nur grundlegende Kräfte: die Fähigkeiten, Gestalten anderer zu absorbieren, weit zu springen, Wände hochzulaufen oder längere Strecken durch die Luft zu gleiten. Auf unterschiedliche Weise levelt der Spieler diese Eigenschaften auf und gewinnt weitere hinzu. Um das zu schaffen, muss er Aufgaben lösen und in der Story voranschreiten.
Eine Karte, die sich einblenden lässt und von der ein kleiner Ausschnitt im linken unteren Bildschirmbereich zu sehen ist, zeigt drei Abschnitte von New York - die grüne, die gelbe und die rote Zone, wovon letztere Manhattan darstellt. Markierungen zeigen Aktivierungspunkte von Haupt- und Nebenmissionen, die der Spieler jederzeit ansteuern kann - ohne Zeitdruck und frei nach Belieben.
Die Fortbewegung geht leicht und schnell von der Hand: Heller läuft und springt an Häuser- und Wolkenkratzerwände hinauf bis zum Dach und von dort aus weiter mit einer Mischung aus Gleiten und Zwischensprung. Allein dieses spaßige Element legitimiert das nur marginal zum Vorgänger verbesserte Konzept. Mit gezieltem Karatekick aus schwindelerregenden Höhen erreicht man fast stichgenau den Startpunkt einer Mission. Diese unterscheiden sich in ihrem Muster relativ wenig voreinander - tragen also nicht dazu bei, dem Open World-Spiel neue Ideen zu liefern.
Missionen ähneln diesem Prinzip: Z.B. muss der Spieler einen Schüssel besorgen, indem er sich in Person eines Blackwatch-Mitglieds zum Träger begibt und dort beide Körper ineinander verschmelzt. So absorbiert er dessen Erinnerung, Energie und Eigenschaften und schlüpft in seine Gestalt. Danach infiltriert er in eine Basis, besorgt Informationen oder löscht bestimmte Feinde aus. In den meisten Missionen kommt es zu einem Punkt, an dem es unvermeidbar ist, aufzufallen und das Gemetzel beginnt.
Während die USK deutschen Spielern den Vorgänger wegen dargestellter Körperzerstückelungen verweigerte, lässt sie in "Prototype 2" einiges an Gewaltdarstellung durchgehen - was einst mit strenger Gründlichkeit "verboten" worden wäre. Die Bestie Heller zerreißt seine Gegner in blanker Raserei und lässt das Blut nur so spritzen. Seine Kräfte basieren auf einem mächtigen Rankensystem, zu dem sich seine Arme verwandeln und die Form von Krallen, Klingen, Peitschen, Hämmer oder Schlingen annehmen können.
Hellers Gegner sind militanter Natur: Einsatztrupps rücken ihm mit Gewehren, Raketen, Panzern und Kampfhubschraubern aber auch selbst gezüchteten Monstern auf die Pelle, die der Held mit immer schlagkräftigeren Moves und Fähigkeiten von der Platte putzt. Das progressive Aufleveln dieser Fähigkeiten - angefangen bei weiteren Sprüngen über radiale Angriffe bis zu vernichtenden Sturzschlägen aus der Luft - macht den Kern des Spaßes an "Prototype 2" aus.
Immer wieder gibt es neue Lieblingsattacken, mit denen man sich auch außerhalb der Missionen in überall verteilten Feindesstationen austoben kann. Zur Belohnung gewinnt Heller Erfahrungspunkte für weitere Fähigkeiten - und unterscheidet sich zunehmend von seinem Ich beim Spielstart. Bis sich Heller in etlichen Bosskämpfen gegen ähnliche Freaks zum Showdown durchgekämpft hat, überbietet er sich unentwegt selbst. Und damit leistet "Prototype 2" das, was es sein will: ein virtueller Action-Spielplatz zum Austoben irdischer Weltretter-Spinnereien.
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