Mit QR-Code der Vernichtung von Existenzen trotzen?
Corona-Krise: Konkrete Gegenvorschläge zur aktuellen Lockdown-Politik von der Medizinethikerin Christiane Woopen und dem Virologen Hendrik Streeck
Wer sich derzeit für Lockerungen der Maßnahmen ausspricht, hat keinen leichten Stand. Zwar gehen die Infektionszahlen zurück und auch - zumindest weiträumig - die Inzidenzen, aber die große Unbekannte sind die Mutanten des Virus. "Jetzt bloß nichts durch voreiliges Handeln verspielen", lautet die Warnung vonseiten der Regierungspolitik, des RKI und verschiedener Experten (Corona: Lehrer sollen bei Impfungen vorgezogen werden).
Anderseits rücken auch Nachrichten in den Blick, die die wirtschaftliche Kehrseite der Maßnahmen aufblättern. So zum Beispiel heute über die Bilanz des statistischen Bundesamtes zum Gastgewerbeumsatz. Die Umsatz-Einbußen in den Gastronomiebetrieben und bei den Hoteliers (Beherbergung) betrugen im vergangenen Jahr beinahe 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, melden die Statistiker.
Die Zahlen spiegeln die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen, der Lockdowns im Frühjahr und im Herbst, wider. Deutlicher wird der Rückgang der Einnahmen noch im Vergleich zwischen Dezember 2019 und Dezember 2021, hier werden auch noch die Caterer hinzugenommen:
Gegenüber Dezember 2019 war der Gastgewerbeumsatz im Dezember 2020 real 72,3 % und nominal 70,8 % geringer. Die Hotels und sonstigen Beherbergungsunternehmen erzielten im Vergleich zum Dezember 2019 real 83,4 % niedrigere Umsätze. In der Gastronomie fiel der Umsatz gegenüber Dezember 2019 real um 66,8 %. Innerhalb der Gastronomie lag der reale Umsatz der Caterer im Dezember 2020 um 44,3 % unter dem Wert des Vorjahresmonats.
Statistisches Bundesamt
Aus den methodischen Hinweisen geht hervor, dass die Erhebung "Unternehmen des Gastgewerbes mit einem Umsatz von mindestens 150 000 Euro pro Jahr" erfasst. Es ist also nicht das Gesamtbild.
Dazu hat die Tagesschau heute noch ein paar schaurige Angaben zum Überlebenskampf für das hiesige Gastgewerbe übermittelt. Dabei beruft sie sich allerdings nicht auf statistisches Zahlenmaterial, sondern auf eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Demnach bangen drei von vier Gastronomen und Hoteliers um ihre Existenz. Zitiert wird Ingrid Hartges, die Hauptgeschäftsführerin der Dehoga, mit der Befürchtung, "dass 70.000 Betriebe die Krise nicht überstehen werden".
"Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein"
Angesichts der ersten warmen Frühlingsanzeichen nach den klirrend kalten, schneereichen Wintertagen blühen erste Visionen dessen auf, was in den kommenden wärmeren Tagen sichtbar werden könnte: die Unlust größerer Mengen von Menschen, sich an die strengen Maßgaben zu halten, und sich draußen in den Parks, auf den Wiesen, am Ufergelände, auf Anhöhen und Bergen in kleineren und größeren Gruppen zu treffen, um zu picknicken oder gar um zu feiern, um jedenfalls ganz wie bei Goethes Osterspaziergang "ein buntes Gewimmel" zu produzieren: "Zufrieden jauchzet Groß und Klein; Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein."
Im Frühjahr des Jahres 2021 ist dieses Osterglück auch eine Horrorvorstellung. Wir leben durch die Pandemie mehr als sowieso schon im Land Ambivalenzia. Man kann nur hoffen, dass die für die Politik maßgeblichen Corona-Zahlen in den nächsten Wochen deutlich zurückgehen.
"Für eine teilweise Öffnung der Restaurants"
Es gibt aber auch Stimmen, die auf die Kompetenz der Gastronomen setzen, um die Lust der Nachholer auf Zusammensein und Verköstigung außerhalb der vier Wände so gut es geht unter Kontrolle zu halten. So zum Beispiel der als Abweichler bekannte, beliebte aber auch umstrittene Virologe Hendrik Streeck. In einem aktuellen Interview plädiert Streeck für eine "teilweise Öffnung der Restaurants" - mit der Vorgabe: "diverse Hygienemaßnahmen, von der Distanz zwischen den Tischen über die Lüftung bis hin zur Kontaktnachverfolgung auf den Prüfstand (zu) stellen".
Sein Credo gegen die "vorherrschende Tendenz, alles zu schließen": Restaurants mit guten Vorkehrungen könnten sicherer sein als der "häusliche Bereich", den Streeck hier als Gegenüber nennt.
Einen QR-Code an jedes Geschäft, jede Haltestelle und jedes Restaurant
Was Streeck neben den besser gesicherten Abstandsregeln in Restaurants und anderen Hygienemaßnahmen als Ansatzpunkt für Lockerungen anspricht, ist eine modernisierte "Kontaktverfolgung". In einer besseren Kontaktverfolgung sieht auch Medizinethikerin Christiane Woopen, - zusammen mit Hendrik Streeck - in Armin Laschets Expertenrat Corona der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, eine Möglichkeit, die Corona-Maßnahmenpolitik zu ändern.
Christiane Woopen sprach sich in der Sendung von Markus Lanz, wo es um die dritte Coronawelle ging, "mit klugen Gegenvorschlägen gegen die aktuelle Lockdown-Politik" (Frankfurter Rundschau) aus. Sie plädierte für eine Informationskampagne der Regierung und eine gesetzliche Grundlage, um Schnelltests flächendeckend einzusetzen.
Und sie sprach sich für Förderprogramme der Regierung aus, "die Unternehmen unterstützen, die ihre Angestellten mit Armbändern ausstatten, die präziser als die Corona-App die Kontakte während der Arbeitszeit messen und speichern, die man aber nach Feierabend wieder abgibt: 'So hat man eine tagesgleiche Infektionsketten-Nachverfolgung, Datenschutz konform.'"
Als Alltagslösung schlug sie in der Talkshow vor, dass man an "jedes Geschäft, jeden Bus, jede Konzerthalle, jedes Restaurant einen QR-Code anbringe", der dann mit der Luca-App gescannt werde.
Auch das wäre Datenschutz konform. Und wir hätten nicht einen Lockdown, der alle Kontakte verhindert, sondern nur mit den Menschen, die infektiös sind. So würden auch keine Existenzen zerstört.
Christiane Woopen