Corona: Lehrer sollen bei Impfungen vorgezogen werden

Grafik: TP

Landräte kritisieren gegenüber Merkel und Söder, dass der Einzelhandel weiterhin "keine Öffnungsperspektive" hat

Heute Mittag videokonferierten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit den 25 bayerischen Oberbürgermeistern und den 71 bayerischen Landräten über die Lockdown-Maßnahmen. Söder dürfte das auch deshalb als "offene Debatte" angekündigt haben, weil 16 der bayerischen Landräte und Oberbürgermeister den Freien Wählern angehören - und die waren bei den Aschermittwochsreden deutlich kritischer mit der Lockdown-Politik der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten umgegangen, als die Vertreter von SPD, Grünen und Linken (vgl. Politischer Aschermittwoch: Streaming ist kein Biertisch).

Merkel lieferte statt konkreter Prognosen lediglich die wenig konkrete Hoffnung auf einen "unbeschwerten Sommer unter Pandemie-Bedingungen"

Einer davon, der Landshuter Landrat Peter Dreier, zog nach der der Veranstaltung gegenüber Telepolis ein positives Fazit, weil die Anliegen aus der Praxis von den Entscheidern auf Bundes- und Landesebene überhaupt gehört worden seien. So habe er Merkel und Söder unter anderem mitteilen können, dass in seinen Augen auch die weitere finanzielle Unterstützung der Kommunen und der Krankenhäuser in den kommenden Jahren "unverzichtbar" ist, und dass er es für "nicht nachvollziehbar und nicht zu rechtfertigen" hält, wenn Supermärkte Möbel, Werkzeuge und Pflanzen verkaufen dürfen, "spezialisierte Einzelhändler wie die Möbelhäuser, Gärtnereien und Baumärkte mit besten Hygienekonzepten aber nach wie vor keine Öffnungsperspektive haben".

Anstatt konkreter Prognosen lieferte Merkel hierauf lediglich die wenig konkrete Hoffnung auf einen "unbeschwerten Sommer unter Pandemie-Bedingungen". Weitere Kritikpunkte der Kommunalpolitiker waren die seit November versprochenen aber immer noch nicht ausbezahlten Staatshilfen für betroffene Unternehmen (die nun im März Geld ausbezahlt kommen sollen), die Impfmisere (gegen die eine baldige Zulassung des Serums von Johnson&Johnson helfen soll) und die neue Teststrategie mit Selbsttests (die Spahn zufolge im März zugelassen werden).

Astrazeneca soll Polizisten und Lehrern angeboten werden

Vorher hatte der Bundesgesundheitsminister zusammen mit dem Ländergesundheitsministerkonferenzvorsitzenden Klaus Holetschek und dem Robert-Koch-Institutspräsidenten Lothar Wieler eine Pressekonferenz abgehalten, auf der Holetschek bekannt gab, dass die etwa 700.000 deutschen Lehrer und die Beschäftigten in den Kindertagesstätten in der Prioritätsliste für die Corona-Impfungen vorgezogen werden sollen. Ein Beschluss dazu fällt seinen Worten nach vielleicht schon am Montag.

Das Vorhaben steht im Zusammenhang mit der Wiedereinführung des Präsenzunterrichts, die in vielen Bundesländern am Montag beginnt. Holetschek, Spahn und Wieler konnten darüber hinaus aber auch den Eindruck nicht ganz ausräumen, dass die relative Unbeliebtheit des Astrazeneca-Impfstoffs in der Gruppe der Unter-65-Jährigen mit höherer Priorität ebenfalls eine Rolle spielen könnte (vgl. Astrazeneca: Individualabwägung vs. Politikerplan). Zuerst einmal soll dieser Impfstoff nach den Beschäftigten im Gesundheitswesen aber Polizisten und einer größeren Gruppe von Jüngeren mit Vorerkrankungen angeboten werden.

Hoffnungen auf baldige umfassende Lockdown-Lockerungen machten die beiden optisch nun schon fast offensiv friseurfernen Politiker und der Behördenchef nicht. Spahn wiederholte in diesem Zusammenhang die Erklärung, der Inzidenzwert von 50 sei eine Einstiegs- und keine Ausstiegszahl. Lockert man bei 47, landet man seinen Worten nach schnell wieder über 50 und muss Maßnahmen neu verhängen. Das gilt ihm zufolge auch für den Inzidenzwert von 35, den Merkel als nächstes Ziel ausgerufen hat (vgl. "Ewig-Endlos-Lockdown"?).

ARD-Umfrage: 54 Prozent halten Maßnahmen für "angemessen"

Kurz vorher war eine DeutschlandTrend-Umfrage für das ARD-Morgenmagazin bekannt geworden, in der die Meinungsforscher von Infratest dimap zwischen dem 15. und dem 17. Februar 1.025 Wahlberechtigte unter anderem gefragt hatten: "Sind aus Ihrer Sicht die geltenden Corona-Maßnahmen in Deutschland alles in allem angemessen, gehen sie zu weit oder gehen sie Ihnen nicht weit genug?" Hier hatten sich 54 Prozent der Befragten für die Antwortmöglichkeit "angemessen" entschieden - das sind drei Prozentpunkte mehr als in der Vergleichsumfrage von Anfang Februar.

Noch stärker - nämlich um fünf Punkte von 22 auf 27 Prozent - stieg allerdings der Anteil derer, die die Maßnahmen für zu weitgehend halten. Die größte Bewegung gab es in der Gruppe derer, denen die Maßnahmen nicht weit genug gehen: Ihr Anteil sank um acht Punkte von vorher 24 auf nur mehr 16 Prozent. Damit sind sie nun nicht mehr die zweitgrößte, sondern mit deutlichem Abstand die kleineste Gruppe.

Eine weitere Frage lautete: "Sollten die Schulen nun schrittweise wieder öffnen, sollte der Schulbetrieb vollständig wieder aufgenommen werden oder sollten die Schulen vorerst ganz geschlossen bleiben?" In den Antworten dazu entschied sich eine klare Mehrheit von 58 Prozent für eine schrittweise Öffnung. Die zweitgrößte - 22 Prozent starke - Gruppe befürwortet die vollständige Wiedereinführung des Präsenzunterrichts. Die 16 Prozent, die die Schulen ganz geschlossen halten wollen, dürften sich vor allem aus der "No-Covid-Gruppe" rekrutieren, die in den Antworten zur ersten Frage auf den gleichen Anteil kam.

In den Angaben zur Wahlentscheidung scheint sich die messbar zunehmende Ungeduld mit dem Lockdown bislang nur begrenzt niederzuschlagen: CDU und CSU sacken von 34 auf 33 Prozent nur innerhalb der Fehlertoleranz von 3,1 Punkten ab. Dafür legt die SPD, deren Ministerpräsidenten die vorsichtigen Schulöffnungen gegen Merkel durchsetzten, um einen Punkt von 15 auf 16 Prozent zu. Ebenfalls zulegen kann die AfD, die sich noch deutlich klarer gegen die Merkel-Maßnahmen positioniert. Die Grünen, die eher für einen härteren Lockdown stehen, verlieren dagegen einen Punkt von 21 auf 20 Prozent. Liberale, Linke und Sonstige verharren bei ihren Werten: Die FDP bei acht, die Linke bei sechs und die Umfragezusammenfassung mit Freien Wählern, Sonneborn-Partei und Splitterparteien wie den MLDPs bei ebenfalls sechs Prozent.

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