Mit dem Öl der frommen Denkungsart
Zur Corporate Identity der amerikanischen Öl-Regierung
Es ist kein Geheimnis, dass Präsdident Bush und sein Vize Cheney "Ölmänner" sind. Ein Blick auf ihre Biografien genügt. Wer je geglaubt haben mag, dass sie diese Weltsicht mit der Übertragung des politischen Mandats an der Garderobe des Weißen Hauses abgegeben hätten, wird nun endgültig eines Besseren belehrt. 18 von 25 Topsponsoren aus der Energiebranche, die den republikanischen Wahlkampf mitfinanziert hatten, saßen laut New York Times später als Politikberater in Dick Cheneys nationaler "Energy Task Force".
"Kohle für Öl" lässt sich der Vorwurf der Regierungskritiker zusammenfassen. Bekanntlich weigerte sich das Weiße Haus, die Masterminds aus der Industrie zu benennen, die an der Energiepolitik der Regierung mitgewirkt haben, und wurde jetzt verklagt, die Informationen herauszurücken. Zu den spendierfreudigen Beratern gehören die Enron Corporation, Southern Company, Exelon Corporation, BP, TXU Corporation, FirstEnergy und Anadarko Petroleum. Topspender der republikanischen Partei war das Unternehmen Enron, dessen Skandal sich nun, nachdem sich die erste Antiterrorhysterie ein wenig beruhigt hat, wie ein großer Schatten über die Weißen Riesen aus Washington legt.
"Bei dieser Regierung war nicht viel Überzeugungsarbeit notwendig"
1,7 Millionen Dollar sollen in die Wahlkampfkassen geflossen sein und Enrons Mannen gingen bei Cheneys Arbeitsgruppe ein und aus. Kenneth L. Lay, der frühere Chef des größten Pleitegeiers der US-Geschichte Enron (Mein Enron stinkt) konferierte mit dem Ölmann Cheney höchstpersönlich, um mit ihm die richtigen Weichenstellungen in der Energiepolitik zu finden. Die innige Beziehung zwischen Bush, Cheney und den Energiemultis dürfte indes nicht maßgeblich auf die guten Gaben zurückzuführen sein, sondern auf den gemeinsamen, mit Öl geschmierten Geist.
Öl-Engagement und Antiterrorkrieg sprudeln vielleicht nicht aus einem Bohrloch, aber die Quellen dieser Politik liegen dicht beieinander, wie es nun wiederum auch die verstärkten Einmischungen der US-Regierung in Lateinamerika erweisen. Venezuela, drittgrößter Ölproduzent weltweit und herausragender Lieferant für die Vereinigten Staaten, rückt seit Clintons Zurückhaltung wieder in den Fokus der amerikanischen Südamerikapolitik. Und wehe, wenn sich diese Region noch weiter destabilisieren sollte ...
Eric Schaeffer, vor kurzem noch für den Regelungsvollzug zuständiger Chef der Environmental Protection Agency (EPA) brachte das Verhältnis von Energielobby und Regierung auf den Punkt: "Bei dieser Verwaltung war nicht viel Überzeugungsarbeit notwendig." Schaeffer, der nach zwölf Jahren Arbeit für die EPA seinen Job hinwarf, resignierte, weil er das Ökologieverständnis der Bush-Regierung satt hatte. Der laxe Gesetzesvollzug zur Reinerhaltung der Luft schien ihm nicht mehr erträglich: "...fighting a White House that seems determined to weaken the rules we are trying to enforce."
Auf die intime Verquickung der nationalen Energiepolitik mit den Interessen der Energiewirtschaft deutete bereits ein Bericht der Task Force vom Mai 2001. Der Bericht plädierte für die verstärkte Öl- und Gasgewinnung und die Notwendigkeit, die Kapazitäten von 1.300 auf 1.900 Elektrizitätswerke aufzustocken. Mit den jetzt nach und nach durchsickernden Informationen hoffen Regierungskritiker den realen politischen Einfluss der Unternehmen auf die US-Energiepolitik noch genauer nachweisen zu können. US-Vize Cheney verteidigt sich mit dem Hinweis, dass in seiner Arbeitsgruppe auch Organisationen, einschließlich von Gewerkschaften, beteiligt gewesen seien, die nicht das republikanische Spendenportefeuille aufrüsteten. Cheneys Beraterin Matalin erklärte sogar hochherzig, der einzige Grund der Beteiligung an der Politikberatung sei in jedem Fall allein die jeweilige Fachkompetenz auf dem Energiesektor gewesen.
Öl ist Geld ist Freiheit ist Amerika
Diese Rhetorik gehört zur ältesten Antifilzargumenation, weil nun der Typus des uneigennützigen Honoratioren in der Tat und im Rat Mangelware in wirtschaftszentrierten Demokratien ist. Interessanter dürfte indes die Frage sein, ob die Beteiligung von Organisationen, die nicht gespendet haben, viel mehr als ein Feigenblatt für den Energiekurs der Regierung war. Von den über vierhundert Interessengruppen, die sich ein Stelldichein mit der Task Force geben wollten, wurden schließlich 158 Energieunternehmen und Wirtschaftsverbände, 22 Gewerkschaften, 13 Umweltgruppen und lediglich eine Verbraucherschutzorganisation auserkoren. Umweltschutzvertreter monieren, dass die um Kompetenz ringende Politik der Regierung eindeutig industriefreundlich gewesen sei.
Die Regierung nimmt die Vorwürfe scheinbar gelassen. Treffen zwischen Industrie und Weißen Haus seien auch unter demokratischen Regierungen eine alte Routine gewesen. Diese formale Betrachtung beantwortet längst nicht die Frage, welchen Einfluss nun die Energiemultis tatsächlich bei der Gestaltung der Energiepolitik der gegenwärtigen Regierung hatten. Allein die Weigerung Cheneys, seine großherzigen Politikberater zu outen, spricht Bände. Die Begegnungen von Politik und Kapital unter der kapitalen Bettdecke wollte Cheney nicht darlegen, weil sonst in Zukunft vertrauensvolle Beratungen unmöglich werden könnten. Das Vertrauen der Wähler auf Politiker, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, scheint Cheney erheblich weniger zu beunruhigen. Es zeigt, wie weit diese Regierung zu gehen bereit ist, wenn der Vizepräsident der Vereinigten Staaten nun auf dem Klagewege gezwungen werden muss, die Namen seiner eigennützigen Politikberater preiszugeben.
Diverse Topspender aus der Energiewirtschaft bestätigten bereits ihre Regierungskontakte. "Es ist unser Job. Leute zu treffen und es ist der Job der Regierung, Ideen zu sammeln" verkündete etwa Teresa Wong, Sprecherin von Anadarko. Gespräche mit dem Weißen Haus sind in der Tat nichts Neues für die Lobbyisten und Vertreter des Energiesektors, und die politischen Prioritäten der führenden Unternehmen bei ordnungsrechtlichen und Umweltfragen sind ohnedies in der Öffentlichkeit bekannt.
Bei einer Administration, die von einem früheren Ölmann wie Cheney geleitet wird, dem die Prioritäten der Energieindustrie Herzenssache sind, bedurfte es nach Darstellung einiger Unternehmensrepräsentanten ohnehin keiner verbissenen Lobbyarbeit. Frederick D. Palmer, Cheflobbyist von Peabody Energy erklärte, dass sich sein Unternehmen häufiger mit der Clinton-Regierung traf als mit Bushs Leuten, weil unter Clinton die Unternehmensinteressen sehr viel nachhaltiger betont werden mussten. Vorliegend gehe es aber gerade nicht um Hinterzimmergeschäfte oder Lobbymassagen des US-Vizes:
"Die Regierungsleute kommen aus der Energieindustrie und folglich verstehen sie diese und glauben an den notwendigen Ausbau der Energieversorgung. Spendengelder spielen da keine Rolle."
Der allenthalben laut werdende Vorwurf, die Herren des Öls hätten sich in Cheneys Task Force eingekauft, dürfte das eigentliche Thema wohl verdecken. Spielentscheidend für die Interessen der Energieindustrie war schlicht der Umstand, dass diese Regierung überhaupt an die Macht kam. Ein Mann wie Al Gore, der noch 1992 einen Marshallplan für die Erde formulierte, hätte anderen Prioritäten seine Gunst erwiesen. Bushs und Cheneys Gehör für die Stimmen der Öl-Firmen bedarf keiner aufwändigen Nachuntersuchung.
Wenn die politischen Entscheidungen also zunächst in Öl eingelegt werden, bleiben auch die untergründigen Handlungsmuster der Bush-Regierung kein Geheimnis. Öl ist Geld ist Freiheit ist Amerika. Die Herren des Öls, ob sie nun in der Regierung oder in den Vorständen der Mega-Unternehmen sitzen, wollen den verschlungenen Weg der politischen Pipelines auch für die globale Zukunft bestimmen.
Gegenwärtig erregt Venezuelas Präsident Hugo Chavez das Misstrauen der USA, weil er gefährliche Liebschaften mit Gaddafi und selbst mit dem irakischen Diktator Saddam Hussein pflegt. Dabei sollte er wissen: Die Achse des Bösen ist jederzeit so verlängerungsfähig wie eine Öl-Pipeline und überschneidet sich in wesentlichen Teilstücken bereits mit der globalen Achse des Öls (Die Bush-Administration: Full of Energy!).
Auch in Kolumbien, dem immerhin siebtgrößten Öllieferanten der Vereinigten Staaten, wurden bereits von der US-Regierung Terroristen verortet, die den reibungslosen Fluss des schwarzen Golds stören. "Enduring Petrol" könnte also ein langfristiges Programm der Freiheitskämpfer werden. Die politischen Aufkleber auf diesen Pipelines kennen wir bereits.